IM INTERVIEW: MARC STEFFEN RAPP, CENTER FOR CORPORATE GOVERNANCE

Deckel für Managergehälter stoßen auf Abwehr

Welle an vorsorglichen Abweichungsbekundungen gegen neue Kodex-Regeln - Fresenius und Volkswagen Schlusslichter

Deckel für Managergehälter stoßen auf Abwehr

Nachdem sich die meisten großen Konzerne in den vergangenen Jahren mit dem Corporate Governance Kodex arrangiert hatten, sorgen die zuletzt neu eingeführten Vergütungsregeln für Probleme. Manchem Unternehmen fällt die Auslegung schwer, andere halten sie für überzogen. Marc Steffen Rapp, Professor an der Universität Marburg, sieht nach den Ergebnissen seiner Studie zur Umsetzung der Normen Handlungsbedarf für die Kodex-Kommission.- Herr Professor Rapp, Sie haben auch in diesem Jahr die Akzeptanz des Corporate Governance Kodex in der Unternehmenswelt unter die Lupe genommen. Was sind die zentralen Ergebnisse Ihrer Studie?Drei zentrale Ergebnisse sind hervorzuheben: Erstens, die Entsprechensquoten haben – bei weiterhin sehr hohem Niveau – leicht nachgegeben. Die Aufforderung der Kommission, die Abweichungskultur konstruktiver zu leben, scheint hier zu wirken. Konkret macht sie sich insbesondere bei Empfehlungen zur Vorstandsvergütung bemerkbar. Zweitens, mehr als 10 % der von uns untersuchten Abweichungen sind “vorsorgliche” Nichtentsprechungen. Bei diesen, man könnte sagen, Nichtentsprechungen zweiter Klasse wollen oder können die Unternehmen sich nicht festlegen, ob sie einer bestimmten Kodexempfehlung entsprechen. Eine aus unserer Sicht als ungenügend zu bezeichnende Situation.- Und drittens?Drittens zeigen erste Analysen für die erst mit Beginn des Jahres 2014 geltende Empfehlung der detaillierten tabellarischen Darstellung der Vorstandsvergütung in Ziffer 4.2.5 Abs. 3, dass sich insbesondere die auch in Ziffer 4.2.3 angesprochenen betragsmäßigen Höchstgrenzen hier als Flaschenhals erweisen könnten. Grundsätzlich muss diesbezüglich aber die weitere Entwicklung abgewartet werden.- Welche Konzerne aus Dax und MDax melden die meisten Abweichungen?Zunächst ist festzuhalten, dass die Kodexempfehlungen zwar vielfach als “Best Practice” bezeichnet werden, der Soft-Law-Charakter des Kodex jedoch Unternehmen genau darin bestärken soll, in begründeten Fällen davon abzuweichen, da die Governance von Unternehmen vielschichtig ist. Schaut man sich nun die Kodexakzeptanz an, dann zeigt sich, dass es einerseits eine Vielzahl von Unternehmen gibt, die dem Kodex zu 100 % entsprechen, etwa BASF, Bayer und BMW, um nur die ersten der Dax-Unternehmen zu nennen. Andererseits lehnen manche Unternehmen bis zu einem Fünftel der Kodex-Empfehlungen ab.- Wer sind die schwarzen Schafe?Konkret weisen von den Dax-Unternehmen Fresenius und Volkswagen mit je sechs und für den MDax die Kabel Deutschland mit 13 die meisten Abweichungen auf. Nicht zuletzt vor dem Hintergrund der erwünschten Abweichungskultur will die Studie aber nicht einzelne Unternehmen stigmatisieren, sondern darauf hinwirken, genauer hinzusehen. So zeigen wir beispielsweise, dass allein bei Volkswagen vier der sechs Abweichungen auf “vorsorgliche” oder gar “höchst vorsorgliche” Nichtentsprechungen zurückzuführen sind.- Womit haben diese Firmen Probleme?Dies lässt sich pauschal so nicht beantworten. Im Rahmen der Studie untersuchen wir die Kodexakzeptanz nicht nur global, sondern auch entlang von vier ausgewählten Dimensionen: Transparenz, Überwachung/Kontrolle, Anreizsysteme und Vielfalt. Interessanterweise zeigt sich dabei, dass es Unternehmen gibt, welche dem Kodex in allen vier Bereichen nicht folgen, wie auch Unternehmen, welche den Kodex nur in ausgewählten Dimensionen, meist bezüglich Vielfalt und Anreizsysteme, nicht befolgen.- Welche Kodex-Normen werden über alle Unternehmen hinweg am wenigsten akzeptiert?Grundsätzlich ist festzustellen, dass sich die Kodexabweichungen auf wenige, im Wesentlichen zehn Kodexziffern konzentrieren, die sich wiederum meist auf Vorstand und Aufsichtsrat beziehen. Konkret weist über alle Gesellschaften betrachtet die Ziffer 4.2.3, betreffend die Struktur der Vorstandsvergütung, mit 56 % die niedrigste Entsprechensquote auf. Es folgt die Ziffer 5.4.1 zur Zusammensetzung des Aufsichtsrats sowie Ziffer 5.4.6, welche die Aufsichtsratsvergütung thematisiert, mit 65 % beziehungsweise 73 %.- Weshalb haben die Konzerne speziell mit den Vorgaben zur Struktur der Vorstandsvergütung Schwierigkeiten?Es sind insbesondere die geforderten betragsmäßigen Höchstgrenzen, welche hier Ablehnung erfahren. Dies ist häufig in Verbindung mit nicht beschränkten aktienorientierten Vergütungsbestandteilen, also etwa virtuellen Aktienoptionen, zu beobachten. Begründet wird die Nichtentsprechung zumeist mit dem unbeschränkten Wachstumspotenzial derartiger Vergütungselemente, an deren Wertzuwachs die Vorstandsmitglieder aus Sicht des Aufsichtsrats partizipieren sollten. Aber auch die seit Langem in der Diskussion stehenden Abfindungs-Caps spielen hier eine Rolle. Schließlich weisen fünf Unternehmen hier wiederum “vorsorgliche” Nichtentsprechungen aus.- Welchen Zuspruch findet der Passus, einen vertikalen Vergleich innerhalb des Unternehmens in der Entlohnung des Vorstands zu berücksichtigen?Dieser Passus wird von allen Dax-Unternehmen akzeptiert. Jedoch lehnt rund ein Fünftel der MDax-Unternehmen dies ab. Als Begründung wird seitens der Gesellschaften angegeben, dass die gesetzlichen Regelungen als ausreichend erachtet würden, dem erhöhten Aufwand kein Nutzen zugeschrieben beziehungsweise eine starre Regelung der Abgrenzungskriterien keinen Spielraum für vermeintliche Einzelfallentscheidungen des Aufsichtsrats bei der Festsetzung der Vergütung lassen würde.- Neu ist auch die Empfehlung, die mögliche Maximalvergütung der Manager auszuweisen, wird das in der Breite umgesetzt?Diese Empfehlung wird erst für nach dem 31. Dezember 2013 beginnende Geschäftsjahre zwingend, so dass es hier noch zu früh für eine abschließende Bewertung ist. Allerdings kann ein Blick auf die Empfehlung betragsmäßiger Höchstgrenzen in Ziffer 4.2.3 helfen: Diese wird zwar von 37 % abgelehnt, im Umkehrschluss aber auch bereits von 63 % akzeptiert. Werden diese Unternehmen nun die Maximalvergütung konkret benennen? Einige Unternehmen, insbesondere aus dem Dax, tun dies bereits jetzt. Schlussendlich kann aber erst in 2015 bewertet werden, inwieweit dieser Empfehlung entsprochen wird.- Ist das Diversity-Thema unterdessen in den Aufsichtsräten verinnerlicht?Das vom Kodex seit 2009 aufgegriffene Thema “Diversität” wird von den Unternehmen weiterhin sehr heterogen behandelt. Der von uns konstruierte Diversity-Index stagniert gegenüber dem Vorjahr, und es finden sich weiterhin Unternehmen, die nur mit einem Drittel der relevanten Kodex-Empfehlungen konform gehen. Es darf aber die Frage erlaubt sein, ob dies die tatsächliche Entwicklung in den Unternehmen abbildet.- Lässt sich von Unternehmenseigenschaften auf spezifisches Kodex-Verhalten schließen?Grundsätzlich ist zu beobachten, dass große Unternehmen und Unternehmen mit hohem Streubesitz sich in ihrer Governance stark an den Kodex anlehnen, während kleinere Unternehmen und Unternehmen mit Paketaktionären eher geneigt sind, Teile des Kodex abzulehnen. Insbesondere Letzteres trifft unter anderem auch auf Familienunternehmen zu und dürfte von der Kommission als positives Indiz für die von ihr gewünschte “Abweichungskultur” interpretiert werden.- Was schreiben Sie nach Ihrer Auswertung der Kodex-Kommission für die Zukunft ins Pflichtenheft?Der steigende Anteil an Abweichungen durch “vorsorgliche” Nichtentsprechungen stellt aus unserer Sicht eine Herausforderung für die Kommission dar. Als heikel erweist sich dabei neben der Vorstandsvergütung der Themenkomplex Aufsichtsrat, und dabei insbesondere Interessenkonflikte. Hier zeichnet sich – ich möchte sogar sagen dringender – Handlungsbedarf ab.—-Das Interview führte Sabine Wadewitz.