Essenslieferdienst

Delivery Hero vor Einstieg bei Gorillas

Der Essenslieferdienst hat in den ersten sechs Monaten mehr als 900 Mill. Euro Nettoverlust eingefahren. Das hindert Delivery Hero nicht daran, einem Medienbericht zufolge über einen Einstieg beim hochdefizitären Schnelllieferdienst Gorillas zu verhandeln.

Delivery Hero vor Einstieg bei Gorillas

hek Frankfurt – Der Essensdienst Delivery Hero steht vor einem Investment beim deutschen Schnelllieferdienst Gorillas. Das Unternehmen befinde sich in finalen Verhandlungen über einen Einstieg für zunächst rund 200 Mill. Euro, berichtet das „Manager Magazin“ unter Berufung auf Insider. Später sollen demnach weitere 200 Mill. bis 400 Mill. Euro investiert werden. Auch bestehende Geldgeber, da­runter der chinesische Internetgigant Tencent und der US-Hedgefonds Coatue Management, würden sich an der Finanzierungsrunde beteiligen. Bereits an diesem Freitag könne ein Notartermin stattfinden.

Die hochdefizitäre Gorillas, die Lebensmittellieferungen binnen zehn Minuten verspricht, braucht neue Geldgeber. Seit längerem wird über eine weitere Finanzierungsrunde verhandelt. Der US-Essenslieferdienst Doordash, der nach Europa expandieren will, hat aber vor wenigen Tagen von einem Einstieg Abstand genommen. Verhandelt wurde Medienberichten zufolge über ein Investment von 400 Mill. Euro. Ein Deal hätte Gorillas mit 2,5 Mrd. Dollar bewertet (vgl. BZ vom 25. August).

Ein Einstieg von Delivery Hero wäre insofern pikant, als der Konzern unter der Marke Foodpanda gerade in den deutschen Markt zurückkehrt. Dabei bietet er auch die schnelle Lieferung von Waren des täglichen Gebrauchs an und konkurriert direkt mit Gorillas. Nach einer Anlaufphase in Berlin will Delivery Hero im Herbst in Frankfurt, Hamburg und München an den Start gehen. Bis Jahresende sollen weitere Städte folgen. Das ursprüngliche Deutschlandgeschäft hatten die Berliner im Dezember 2018 für knapp 1 Mrd. Euro an die heutige Just Eat Takeaway.com verkauft.

Delivery Hero verfügt über diverse Minderheitsbeteiligungen an Mitbewerbern. Vor wenigen Wochen wurde bekannt, dass das Unternehmen sich mit 5,1% an der britischen Deliveroo beteiligt hat. Auch bei Glovo (Spanien), Rappi (Kolumbien) Zomato (Indien) und Just Eat Takeaway ist Delivery Hero an Bord.

Wie aus dem Halbjahresfinanzbericht hervorgeht, hat sich der Fehlbetrag im ersten Halbjahr im Vergleich zum Vorjahreszeitraum verdoppelt. Unter dem Strich stehen 918 Mill. Euro Nettoverlust. Der konsolidierte Umsatz wird mit 2,46 Mrd. Euro ausgewiesen nach 958 Mill. Euro in der ersten Jahreshälfte 2020. Damit absorbiert der Periodenfehlbetrag 37,4% der Konzernerlöse.

Vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) und bereinigt um Sondereinflüsse verbucht Delivery Hero in den sechs Monaten 351 Mill. Euro Verlust nach 320 Mill. Euro im Vorjahreszeitraum. Das entspricht 2,6% des über die Online-Plattformen abgewickelten Geschäftsvolumens (Bruttowarenwert, GMV). Im ersten Halbjahr 2020 lag diese Relation bei minus 6,2%.

Die tiefroten Ergebnisse zeigen, wie weit das im Dax notierte Unternehmen von schwarzen Zahlen entfernt ist. CEO und Mitgründer Niklas Östberg verfolgt erklärtermaßen einen aggressiven Wachstumskurs und stellt die Profitabilität hinten an.

Prognose bestätigt

Anleger reagierten am Donnerstag verschnupft. Im Handelsverlauf sackte die Aktie 3% ab. Laut der kanadischen Bank RBC haben die Margen in Asien die eigenen Erwartungen übertroffen, während die für die Region Naher Osten/Nordafrika (MENA) darunter lägen. Für die Landesbank Baden-Württemberg lässt sich aktuell nur schwer abschätzen, wann Delivery Hero letztendlich die Gewinnschwelle erreicht und auf welchem Niveau die nachhaltige Rentabilität liegen wird.

Die vor zwei Wochen veröffentlichte Prognose bestätigt das Management. Damals hatte Delivery Hero den Wachstumsausblick angehoben, aber auch einen höheren operativen Verlust angekündigt. Der Gesamtumsatz der Segmente soll auf 6,4 Mrd. bis 6,7 Mrd. Euro klettern und der um Sondereinflüsse bereinigte Verlust auf Ebitda-Basis bei 2% des GMV liegen. Der Bruttowarenwert wird auf 33 Mrd. bis 35 Mrd. Euro veranschlagt. Bei dieser Prognose handelt es sich um Pro-forma-Werte, die von den IFRS-Zahlen abweichen. Insbesondere berücksichtigt sie die am 4. März abgeschlossene Woowa-Übernahme für den gesamten Zeitraum, während Delivery Hero Korea, die verkauft wird, außen vor bleibt.

Der Segmentaufriss zeigt, dass die operativen Verluste in erster Linie aus Amerika und dem neuen Geschäftsfeld „Integrated Verticals“ stammen, das vor allem die Lieferungen von Haushaltswaren und Lebensmitteln aus den eigenen Lagerhäusern, Dmarts genannt, an Kunden umfasst. Schwarze Zahlen erwirtschaftet Delivery Hero in der MENA-Region, wo das Ebitda vor Sondereinflüssen 2,1% des GMV erreicht. Auch das Europageschäft liegt über der Nulllinie. Der Verlust in Asien, der mit Abstand wichtigsten Region des Konzerns, absorbiert in der Pro-forma-Rechnung noch 1,9% des Bruttowarenwerts nach 3,4% im Vorjahreszeitraum. In Amerika ging diese Rate auf minus 9,1% zurück (siehe Grafik), wobei Delivery Hero in den USA nicht unterwegs ist.

In der Gewinn-und Verlust-Rechnung fallen die stark um 93% auf 562 Mill. Euro erhöhten Marketingaufwendungen auf. Sie betreffen in erster Linie die Akquisition von Kunden (242 Mill. Euro) und von Restaurants (208 Mill. Euro). In Relation zum GMV sank der Marketingaufwand aber von 5,7% im Vorjahreszeitraum auf 4,2%. Auf 601 Mill. Euro mehr als verdoppelt hat sich der Verwaltungsaufwand in der ersten Hälfte 2021, was vor allem auf höhere Personalkosten zurückgeht. Der Nettozinsaufwand stieg von 23 Mill. auf 51 Mill. Euro, und das übrige Finanzergebnis drehte aufgrund diverser Bewertungsverluste von plus 60 Mill. auf minus 94 Mill. Euro.

Delivery Hero
Konzernzahlen nach IFRS
6 Monate
in Mill. Euro20212020
Umsatz Segmente 129021389
 Asien 11340682
 MENA685368
 Europa 1286134
 Amerika 122795
 Integrated Verticals 1418114
Bereinigtes Ebitda 1–332–324
Marketingaufwand562291
Periodenergebnis–918–448
Eigenkapitalquote (%)48,620,12
1) pro forma; 2) Ende 2020Börsen-Zeitung