Lebensmittelkonzern

Der abrupte Nestlé-Chefwechsel wirft Fragen auf

Der abrupte Wechsel des CEOs bei Nestlé hat im Markt für Verunsicherung gesorgt. Die Aktie des weltgrößten Lebensmittelkonzerns gab am Freitag zeitweise 4% nach. Am Vorabend hatte Nestlé mitgeteilt, dass der Franzose Laurent Freixe zum 1. September den Deutsch-Amerikaner Mark Schneider ablöst.

Der abrupte Nestlé-Chefwechsel wirft Fragen auf

Chefwechsel bei Nestlé verunsichert

Aktie zeitweise 4 Prozent schwächer – Abrupter Abgang von CEO Schneider wirft Fragen auf – Freixe will Marketing forcieren

Der abrupte Wechsel des CEOs bei Nestlé hat im Markt für Verunsicherung gesorgt. Die Aktie des weltgrößten Lebensmittelkonzerns gab am Freitag zeitweise 4% nach. Am Vorabend hatte Nestlé mitgeteilt, dass der Franzose Laurent Freixe zum 1. September den Deutsch-Amerikaner Mark Schneider ablöst.

md Frankfurt

Der unerwartete Wechsel an der Spitze von Nestlé hat unter Investoren für Verunsicherung gesorgt. Am Donnerstagabend hatte der größte Lebensmittelkonzern der Welt mitgeteilt, dass CEO Mark Schneider Ende des Monats das Unternehmen verlässt. Sein Nachfolger wird Laurent Freixe, der im Gegensatz zu Schneider, der Ende 2016 als designierter CEO zu Nestlé kam, fast seine ganze berufliche Laufbahn in dem Schweizer Konzern zubrachte. Der 62-jährige Franzose nannte in einem kurzfristig anberaumten Analysten- und Investoren-Call am Freitag die Stärkung des organischen Wachstums und die Gewinnung von Marktanteilen als seine Hauptziele. Als Folge würden sich dann auch höhere Margen ergeben. „Das bedeutet, dass wir in unsere Marken investieren, das bedeutet, dass wir in unsere Wachstumsplattformen investieren, und der Schwerpunkt wird darauf liegen, das aktuelle Portfolio vor allem durch organisches Wachstum voranzutreiben“, erklärte Freixe.

An der Schweizer Börse gab die Nestlé-Aktie, deren Kurs seit Anfang 2022 von rund 130 sfr auf derzeit weniger als 90 sfr gesunken ist, am Freitag nach Handelsbeginn um 4% auf 85,80 sfr nach, erholte sich aber im Verlauf auf 89,54 sfr (+0,1%).

Fragezeichen hinter den Zielen

„Wir tun uns schwer mit diesem plötzlichen Führungswechsel“, erklärte Bernstein-Analyst Bruno Monteyne. Nach seiner Einschätzung dürfte Schneider, der noch vor zwei Jahren als bester CEO der Branche gegolten habe, nicht aus freien Stücken gegangen sein. Sein Abgang werfe viele Fragen auf. Viele Analysten und Investoren setzen nun Fragezeichen hinter die Finanzziele für 2024 und 2025.

Sowohl Nestlé als auch Schneider, der sich in dem Call in einem 42-sekündigen Statement bei den Investoren für ihr Vertrauen und bei Nestlé für eine großartige Zeit bedankte, nannten keinen konkreten Grund, wieso der frühere Vorstandschef des Gesundheitskonzerns Fresenius nach knapp acht Jahren das Schweizer Unternehmen verlässt.

Mark Schneider, seit Anfang 2017 CEO von Nestlé, verlässt den weltgrößten Lebensmittelkonzern Ende des Monats; Foto: Nestlé

Verwaltungsratspräsident Paul Bulcke sagte, Schneider habe einen „exzellenten Job“ gemacht. Gleichwohl deutete der Vorgänger Schneiders als CEO an, dass er zu wenig für das Marketing der Produkte unternommen habe. Tatsächlich hatten sich Wettbewerber wie Danone und Unilever in der jüngeren Vergangenheit besser entwickelt als der Branchenprimus. Zudem soll Schneider nach Informationen aus unternehmensnahen Kreisen intern an Rückhalt eingebüßt haben.

Weitere signifikante Preiserhöhungen verbieten sich

Ende Juli hatte Schneider die Wachstumsprognose für dieses Jahr eingedampft – eine Folge der Entwicklungen seit dem Beginn des Ukraine-Krieges. In den vergangenen Jahren hatten die Nahrungs- und Getränkeproduzenten ihre Preise mit Verweis auf die Kostensteigerungen bei Rohstoffen, Energie, Verpackung und Transport kräftig erhöht. Das führte zwar – trotz im Schnitt leicht rückläufiger Verkaufsmengen – zu starkem Umsatzwachstum. Doch spätestens im zweiten Halbjahr 2023 wurde klar, dass die Preise Niveaus erreicht hatten, bei denen eine größere Zahl von Verbrauchern auf günstigere Produkte auswich. Viele Anbieter, auch Nestlé, vollzogen daraufhin einen Strategieschwenk.

Nach den tendenziell zurückgehenden Verkaufsvolumina in den Vorjahren sind die Absatzmengen im ersten Halbjahr 2024 wieder gestiegen. Doch die Zuwächse sind überschaubar und haben auf den Umsatz nicht annähernd die positive Wirkung wie die früheren Preiserhöhungen. Daher fielen die Erlöse zuletzt enttäuschend aus.

Jean-Philippe Bertschy von der Bank Vontobel erklärte, Nestlé werde ihre Probleme nicht kurzfristig lösen können. Der Konzern müsse seine Marken wieder in Schwung bringen, um Marktanteile zurückzugewinnen und die Effizienz weiter zu steigern. Nach Meinung mehrerer Analysten sei Freixe dank seiner Marketing-Expertise hierfür besser geeignet als Schneider.

Patrik Schwendimann von der Zürcher Kantonalbank würde es laut seiner Einschätzung nicht überraschen, wenn Nestlé die Gesundheitssparte, wo Schneider mit milliardenschweren Übernahmen keine glückliche Hand gezeigt habe, mittelfristig verkaufen würde.

Paul Bulcke, seit 2017 Verwaltungsratspräsident (Chairman of the Board of Directors) von Nestlé; davor von 2008 bis 2016 CEO des Lebensmittelkonzerns; Foto: Nestlé

Hindsight Capital kritisierte neben dem operativen Management auch Bulcke, der strategische Fehltritte mitgetragen habe. Zudem habe er mit der Neubesetzung des CEO-Postens zu lange gewartet und präsentiere jetzt eine mutlose Wahl. Freixe könne nur eine vorübergehende Lösung sein. „Bulcke ist Teil des Problems.“

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