Der Ärger um britische Flughäfen wächst

British Airways zweifelt an Ausbau - Easyjet vermisst Planungssicherheit - Heathrow sieht Status in Gefahr

Der Ärger um britische Flughäfen wächst

Von Carsten Steevens, LondonIm britischen Luftfahrtsektor wächst der Ärger. Der Inselstaat hat ein Kapazitätsproblem: Im wirtschaftsstarken Südosten fehlt es nicht nur an Start- und Landebahnen, um den erwarteten Anstieg des Passagieraufkommens in den kommenden Jahrzehnten bewältigen zu können. Es mangelt auch immer noch an einem Plan, wie die Flughafenlandschaft in Zukunft aussehen soll.Eine von der Regierung eingesetzte Flughafenkommission soll bis Mitte 2015 einen Bericht mit Empfehlungen abliefern. Während der Betreiber des größten Flughafens London-Heathrow warnt, Großbritannien könne im Wettbewerb den Status als globaler Luftverkehrsknoten (Hub) verlieren, zweifelt man bei British Airways (BA), der dominierenden Fluglinie in Heathrow, daran, dass die Vorschläge der Kommission überhaupt umgesetzt werden. “Ich befürchte, dass die Ausschussempfehlungen von Politikern nicht befolgt werden”, erklärte Willie Walsh, Vorstandschef der BA-Flugholding IAG, in der ersten öffentlichen Anhörung der Kommission, die bis Freitag kommender Woche Vorschläge aus der Luftfahrtbranche für eine Ausweitung der Flughafenkapazitäten entgegennehmen will. Am LimitDie konservativ-liberale Koalition startete in die bis Frühjahr 2015 laufende Legislaturperiode mit der Ankündigung, den Flughafen Heathrow, der mit rund 470 000 Starts und Landungen pro Jahr knapp unterhalb der erlaubten Höchstgrenze operiert, aus Lärmschutzgründen über die beiden bisherigen Pisten hinaus nicht auszubauen. Auch den beiden nächstgrößeren Flughäfen London-Gatwick und Stansted, die der von BAA in Heathrow umbenannte Betreiber auf Geheiß britischer Wettbewerbshüter verkaufte, wurden keine Wachstumspläne in Aussicht gestellt. Inzwischen hat die Regierung ihre Haltung geändert.Londons Bürgermeister schwebt der Neubau eines Großflughafens an der Themsemündung mit vier Start- und Landebahnen vor – wohl die teuerste Alternative. “Ich kann nicht erkennen, wie ein solcher Bau finanziert werden könnte”, sagte IAG-Chef Walsh nun mit Hinweis auf zu erwartende unzureichende Erlöse. Die Idee, dass Staatsfonds mal eben die benötigten Mittel bereitstellen würden, sei “einfach lächerlich”. Carolyn McCall, Vorstandschefin der vor allem in Gatwick präsenten britischen Billigfluglinie Easyjet, mahnte einen “Fahrplan” für den Kapazitätsausbau an. Es gebe unterschiedliche Vorstellungen, “aber was wir alle brauchen, ist Planungssicherheit”.Easyjet, die mit gut 60 Millionen mehr Passagiere pro Jahr befördert als die britischen Rivalen BA und Virgin Atlantic zusammen, beklagt, dass die heutige Flughafeninfrastruktur das Geschäftsmodell der Airlines vor 30 Jahren abbilde. Die Bedeutung von Hub-Flughäfen mit Zubringerflügen werde zu hoch eingestuft, so McCall. Das erfolgreichste Geschäftsmodell im Luftverkehr der vergangenen Dekade sei das der Festverbindungen (“point-to-point”) gewesen. Der nach Heathrow zweitgrößte Flughafen, Gatwick, hatte sich unlängst für eine zweite Piste in Gatwick und Stansted ausgesprochen, womit auf einen Ausbau von Heathrow verzichtet werden könne. Zukunft für “Hubs”?Der Chef des Heathrow-Betreibers, Colin Matthews, bezeichnete eine Abkehr vom gegenwärtigen Hub-Flughafenmodell hingegen als “äußerst unwahrscheinlich”. Angesichts der Konsolidierung unter den Fluggesellschaften sei aber kaum damit zu rechnen, dass in Europa die derzeit fünf Hub-Flughäfen Heathrow, Paris, Frankfurt, Amsterdam und Madrid auf Dauer Bestand haben. Heathrow profitiere von der Nähe zu einer Weltmetropole und sei Heimat des größten internationalen Luftfahrtbündnisses Oneworld. Bis 2030 könne Heathrow die Zahl der regulären Direktfernverbindungen um 40 fast verdoppeln. In den ersten sechs Monaten dieses Jahres stieg in Heathrow das Passagieraufkommen um 2,4 % auf knapp 34,4 Millionen.