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Der Charme der Aktienrückkäufe

Börsen-Zeitung, 28.12.2013 Sind Apple, Microsoft, IBM, Novartis oder Siemens als Konzerne bekannt, denen Geschäftsideen fehlen? Als Unternehmen, die Investitionen in die Forschung und neue Produkte vernachlässigen? Wohl eher nicht. Und doch setzen...

Der Charme der Aktienrückkäufe

Sind Apple, Microsoft, IBM, Novartis oder Siemens als Konzerne bekannt, denen Geschäftsideen fehlen? Als Unternehmen, die Investitionen in die Forschung und neue Produkte vernachlässigen? Wohl eher nicht. Und doch setzen sie sich diesem Verdacht aus, da sie Milliardenbeträge über Aktienrückkäufe an ihre Eigentümer zurückzahlen. RekordrückkäufeDie Summen, um die es geht, sind gewaltig: Apple plant Rückkäufe im Volumen von mehr als 50 Mrd. Dollar, bei Microsoft sind es 40 Mrd., bei IBM 15 Mrd., Novartis hat 5 Mrd. sfr für Aktienrückkäufe angekündigt und Siemens will dafür bis zu 4 Mrd. Euro über zwei Jahre verteilt aufbringen – um nur an einige prominente Ankündigungen dieses Jahres zu erinnern. Ob und wann diese angekündigten Beträge tatsächlich ausgekehrt werden, lässt sich oft nicht so genau feststellen, zumal in den USA. Immerhin sind schon 2012 allein durch die zehn größten Rückkaufprogramme von US-Konzernen gut 60 Mrd. Dollar an die Aktionäre geflossen, zusätzlich zur Dividende.In Deutschland, wo es eine Ermächtigung durch die Aktionäre braucht und der Rückkauf ohne vorgegebene Zweckbestimmung auf 10 % des Grundkapitals begrenzt ist, berichten die Unternehmen über die Ausnutzung dieser Ermächtigung – und lassen oftmals eine neue beschließen. Inzwischen gibt es kaum noch ein Dax-30-Unternehmen, das nicht über einen entsprechenden Vorratsbeschluss verfügt.Viele der Rückerwerbankündigungen gehören zum Aktienmarketing und zur Kurspflege. Während Anleger sich über solche Ankündigungen in der Regel freuen, weil das – angeblich auch empirisch belegt – die Aktienkurse treibt, gilt anderen der Aktienrückkauf als Ausdruck beziehungsweise Eingeständnis unternehmerischer Fantasielosigkeit. An diesem Vorwurf ist in einzelnen Fällen gewiss etwas dran. Wenn aber die Rückkäufe im zu Ende gehenden Jahr abermals Rekordsummen erreichen, hat das andere Gründe. Aufgestaute LiquiditätErstens gibt es viele Unternehmen, die seit Jahren beeindruckende Gewinnsteigerungen erzielen, die Kasse voller Geld haben, diese Liquidität in den zurückliegenden Krisenjahren aber aus Vorsichtsgründen nur zögerlich an die Anteilseigner ausgekehrt haben und nun ihre Aktionäre daran teilhaben lassen wollen (oder müssen). In vielen Fällen ist es für die Aktionäre attraktiver, anstelle der Barausschüttung eine Wertsteigerung ihrer Anlage durch Aktienrückkäufe einzufahren. In vielen Ländern wird diese unbare Ausschüttungspolitik sogar steuerlich bevorzugt. Etliche erfolgreiche Unternehmen kombinieren beides: Bardividende und Aktienrückkauf. So hat beispielsweise der Schmierstoffhersteller und MDax-Wert Fuchs Petrolub in der zurückliegenden Dekade nicht nur jedes Jahr die Dividende erhöht, sondern vor einem Monat zusätzlich einen Aktienrückkauf im Volumen von bis zu 100 Mill. Euro angekündigt.Zweitens hat die anhaltende Niedrigzinspolitik der Notenbanken der Attraktivität von Aktienrückkäufen für die Unternehmensfinanzierung einen ordentlichen Kick gegeben. Die Differenz zwischen den Fremdkapitalzinsen, die gut geratete Industrieadressen für klassische Bondemissionen oder Wandelanleihen aufzubringen haben, und den Eigenkapitalzinsen in Gestalt der Bardividenden hat sich enorm geweitet. An Leveraged Buy-backs kommt – zumindest gedanklich – kaum noch ein Finanzvorstand vorbei, wenn der Zinsaufwand für die Anleihen viel niedriger ist als die auf die damit zurückgekauften Aktien theoretisch zu zahlenden Dividenden. Optimierung der Bilanzstruktur ist das Zauberwort, und etliche Finanzchefs halten in diesen Zeiten eine etwas höhere Fremdkapitalquote für vertretbar, zumindest solange sie das Rating nicht gefährden.Drittens ergibt sich für Unternehmen und Aktionäre der schöne Effekt, dass beim Einziehen der zurückgekauften Aktien rechnerisch der Gewinn je Aktie steigt und damit bei unverändertem Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) der Aktienkurs nach oben geht. Der Rückkauf signalisiert dem Markt außerdem, dass der Vorstand die Aktien für unterbewertet hält.Viertens hat die 2013 fortgesetzte Aktienmarktrally zu einer Eigendynamik bei den Rückerwerben geführt. Denn in einem boomenden Markt müssen im Falle von freundlichen wie auch feindlichen Übernahmen dickere Kursaufschläge geboten werden als in vor sich hindümpelnden Märkten. Dadurch verteuern sich in solchen Boomphasen Akquisitionen überproportional. Entsprechend erscheint es vielen Vorständen lohnender, freien Cash-flow oder eine Kriegskasse zum Erwerb eigener Aktien einzusetzen als zum Kauf anderer Unternehmen mit hohem Aufschlag. Zahlen stützen dieses These: Die Zuwächse bei Mergers & Acquisitions (M & A) bleiben sehr deutlich hinter den Kursgewinnen zurück (im S & P 500 in zwei Jahren rund 50 %). Da boomende Aktienmärkte grundsätzlich M & A via Aktientausch anstelle von Bartransaktionen begünstigen, sind Unternehmen daran interessiert, eigene Aktien als Akquisitionswährung einzusammeln. Stärkung des GroßaktionärsFünftens stehen mitunter auch andere strategische Interessen des Unternehmens oder seiner Großaktionäre hinter dem Rückkauf: Entweder erhöht sich beim Einziehen von am Markt zurückerworbenen Aktien der Kapitalanteil von Großaktionären oder die Gesellschaft hält ein Aktienpaket, dessen Stimmrechte faktisch jenen des Großaktionärs zugerechnet werden können. So oder so stärkt der Großaktionär seine Position, wenn der Streubesitz herausgekauft wird. Beispielsweise hat Hochtief vor wenigen Wochen ihren Rückkauf von 4,3 Millionen Stück Aktien abgeschlossen und so den Eigenbesitz auf fast 10 % des Kapitals ausgebaut, einschließlich dessen der spanische Großaktionär ACS auf knapp 60 % Kapitalanteil kommt.Fazit: Für Aktieninvestoren hat die Niedrigzinsphase und damit die Kapitalverbilligung auch ihren Charme.c.doering@boersen-zeitung.de——–Von Claus DöringFremdkapital ersetzt Eigenkapital: Die Niedrigzinsen treiben Aktienrückkäufe auf Rekordhöhe.——-