Der dunkle Schatten von 5G
Die vor der Telekombranche liegenden Milliardenausgaben für neue Netztechnik und Lizenzen beunruhigen weniger die Investoren der Netzbetreiber als vielmehr die der Service Provider. Unter diesen haben die Anleger im bisherigen Jahresverlauf ein wahres Blutbad angerichtet. Es besteht die Sorge, dass Anbieter ohne eigenes Netz oder Newcomer beim neuen Standard 5G schlechte Voraussetzungen haben. Tatsächlich kümmern die Politik diese Belange erkennbar kaum. Von Heidi Rohde, FrankfurtDie Telekombranche ist dieser Tage nicht auf Rosen gebettet. Die Netzbetreiber stehen vor einem monströsen Investitionsberg in Glasfaser und neue Mobilfunktechnik samt den dazugehörigen Lizenzen, die im Frühjahr versteigert werden sollen. Telekomchef Tim Höttges wird nicht müde, die widrigen Bedingungen für Investitionen in Deutschland und Europa zu beklagen, die die Anleger so beunruhigen, dass sie den Papieren des Sektors samt und sonders und der T-Aktie im Speziellen den Rücken kehren. Das Papier hat seit Mai 2017 rund ein Fünftel an Wert verloren. Die Titel von Telefónica Deutschland stehen ebenfalls unter Druck. Differenzierteres Bild Im laufenden Jahr zeigt sich allerdings ein differenziertes Bild: Hier erweist sich die T-Aktie als Bollwerk in der Brandung, mit einem Kursrückgang von gerade mal rund 6 %, weit weniger als die beiden anderen Netzbetreiber hierzulande. Telefónica Deutschland ist seit Jahresbeginn um 17 % abgerutscht, Vodafone um 35 % – wobei bei den Briten die Situation in Deutschland nicht die allein tragende Rolle für den Aktienkurs spielt.Indes können sich die Aktionäre der Netzbetreiber allesamt glücklich schätzen, wenn sie nicht bei den Mobilfunk-Service-Anbietern engagiert sind. Bei den vor Jahresfrist als “vierte Kraft” im deutschen Telekommunikationssektor angetretenen einstigen Wettbewerbern Drillisch und United Internet ist es seit Jahresbeginn zu einen wahren Blutbad gekommen. Die neue 1&1-Drillisch-Aktie hat die Hälfte an Wert verloren, die Mutter United Internet fast 40 %. Der größte unabhängige Mobilfunkanbieter Freenet mutet seinen Investoren bisher einen Kursrückgang von satten 42 % zu. Bei den Hamburgern kommt der missglückte Einstieg bei der schwer gebeutelten Media-Saturn-Mutter Ceconomy als schwerwiegender Sonderfaktor hinzu (vgl. BZ vom 10. Oktober), aber die Aktie hatte auch zuvor bereits kräftig nachgegeben.Es scheint so, als ob die für die Netzbetreiber anstehenden Milliardenausgaben in die neue Mobilfunktechnik 5G sowie die dazugehörigen Lizenzen und der nötige Glasfaserausbau die Anleger bei weitem nicht so erschrecken, wie die Unternehmen selbst befürchtet hatten. Seit die Bundesnetzagentur (BNetzA) ihr Eckpunktepapier für die Ausschreibung und Vergabebedingungen der neuen 5G-Lizenzen veröffentlicht hat, sind die Netzbetreiber mehr oder minder Sturm gelaufen gegen die geplanten Auflagen. Dabei geht es nicht nur um die in den Vergabebedingungen vorgesehenen Ausbauverpflichtungen, die auf Betreiben aller politischen Parteien sehr umfassend sein und die Schere zwischen Stadt und Land schließen sollen, sondern auch um die Auflagen, die den Lizenznehmern gemacht werden, um Diensteanbietern ohne eigenes Netz oder Neueinsteigern im Netzbetrieb Zugang und eigene Angebote zu ermöglichen. ParadigmenwechselGegen eine verbindliche sogenannte Diensteanbieterverpflichtung sträuben sich die Netzbetreiber ebenso wie gegen National Roaming, das 5G-Newcomern den Weg bereiten würde. Auch eine gemeinsame Nutzung von 5G-Infrastruktur wurde namentlich von Telekom-Vorstand Dirk Wössner als “Enteignung” gegeißelt. Tatsächlich wäre die Vermeidung paralleler Netze aus Kostengründen ein Paradigmenwechsel. Bisher galt Infrastrukturwettbewerb als Mittel der Wahl, um Investitionen voranzutreiben. Berechtigte SkepsisDie anfangs laute Gegenwehr der Netzbetreiber hat ihre Wirkung an der Börse nicht gänzlich verfehlt. Vor allem breitet sich berechtigte Skepsis aus, ob die Politik Druck auf die Bundesnetzagentur ausübt, um eine verbindliche Diensteanbieterverpflichtung und bundesweite Roaming-Auflagen in die Vergaberichtlinien aufzunehmen. Im Gegenteil: Aus politischen Kreisen in Berlin, insbesondere aus der CDU-CSU-Fraktion, ist zu hören, dass diese Frage dort kaum diskutiert, sondern eher vernachlässigt wird. Im Vordergrund stehen quer durch die Parteien vor allem die Versorgungsauflagen, auch gerade in der Fläche und entlang der Verkehrswege.Die Telekom hat hier punktgenau die Flucht nach vorn angetreten und verspricht eine lückenlose Versorgung von Autobahnen, Bundesstraßen und Schienenwegen mit 5G sowie eine 99-prozentige Bevölkerungsabdeckung mit dem Standard bis 2025. Konzernchef Tim Höttges möchte ausdrücklich “kein Junktim” setzen, das diese Zusagen an Bedingungen knüpft. Es hat daher den Anschein, dass der Konzern zum Ablauf der Konsultationsfrist der BNetzA Entgegenkommen signalisiert, um unliebsame harte Auflagen in anderen Bereichen zu vermeiden. Was insbesondere auch die Diensteanbieter- und Roamingverpflichtung betrifft. Denn beides hat die Behörde bisher nur recht wachsweich formuliert: Ein Verhandlungsgebot für die Netzbetreiber mit den Diensteanbietern und gegebenenfalls – wenn es Streit über Konditionen gibt – ein Schiedsspruch der BNetzA sollen ausreichen, um den Wettbewerb möglichst vieler Anbieter auf den Netzen zu sichern. Kaum belastbarDie Investoren der Mobilfunk-Service-Provider sehen darin wohl ebenso wenig wie die Unternehmen eine belastbare Grundlage für künftige Geschäftsmodelle. Das setzt den Aktienkursen stark zu. Ob allerdings die Titel von United Internet zur Erholung ansetzen, wenn klar wird, dass Großaktionär und CEO Ralph Dommermuth Ernst macht mit der Ersteigerung einer Lizenz für ein eigenes 5G-Netz, ist eher fraglich. Bisher herrscht unter Beobachtern nämlich einhellig die Meinung, der gewiefte Unternehmer wolle nur viel Lärm machen, um für Zugangsbedingungen auf allen Netzen das Beste herauszuholen.