"Der Euro schneidet bislang besser ab als die D-Mark"

Unternehmer fordern Teamgeist - Rösler: Wie kann man deutsche Wirtschaft nach Griechenland mitnehmen?

"Der Euro schneidet bislang besser ab als die D-Mark"

swa Frankfurt – Vertreter aus Wirtschaft und Politik haben sich auf dem Deutschen Wirtschaftsforum in Frankfurt für eine Stärkung Europas ausgesprochen. In der Staatsschuldenkrise seien die Errungenschaften der europäischen Idee zu sehr in den Hintergrund gerückt, monierte der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertages, Hans Heinrich Driftmann. “Das Gute wird leider zu oft als selbstverständlich angesehen”, sagte der Familienunternehmer vor einem Publikum aus Vertretern überwiegend mittelständischer Firmen. “Der Euro schneidet bislang besser ab als die D-Mark”, sagte Driftmann. In den ersten zehn Jahren der EU-Währung habe die Inflation im Schnitt jährlich 1,6 % betragen, in den letzten Jahren der D-Mark habe dieser Wert 2,2 % erreicht. Solidarität mit AthenDie Reformbemühungen von Ländern wie Spanien oder Portugal werden aus seiner Sicht nicht genügend gewürdigt. “Erste Erfolge sind sehr wohl sichtbar”, meinte der Manager. Er appellierte daran, Griechenland “Solidarität und Unterstützung” zu leisten. Würde man das Ausmaß der Einsparungen in Hellas auf die Größe Deutschlands umrechnen, käme ein Betrag von 180 Mrd. Euro zusammen. Das entspräche der Aufgabe sämtlicher Verwaltungsausgaben hierzulande oder aus Unternehmersicht aller privaten Investitionen. “Europäischer Teamgeist ist das Mindeste, was wir uns vornehmen müssen”, resümierte Driftmann. Der Manager hält es für notwendig, Grundlagen für eine europäische Identität zu legen. “Die schlechten Daten der Nachbarn sind unser aller schlechte Daten”, sagte der Manager und erwähnte die hohe Jugendarbeitslosigkeit in vielen Ländern.Auch Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler würdigte die Bemühungen Athens. Die Regierung habe mehr Reformen angegangen als vor einem halben Jahr erwartet. Es sei richtig, so der FDP-Politiker, dass sich die EU-Länder zum Fiskalpakt zusammengefunden haben. Nun müsse man Zeit einräumen, bis Reformen und Schuldenabbau wirkten: “Wir brauchen deutlich mehr Geduld.” Es dauere “viel länger, als wir es uns erhofft und wir es den Menschen gesagt haben”, räumte Rösler ein. Die neuen Strukturen müssten mit realwirtschaftlichem Leben gefüllt werden. “Wie kann man die deutsche Wirtschaft nach Griechenland mitnehmen?”, fragte der Vizekanzler. HandelsblöckeDer Präsident des Europäischen Parlaments, Martin Schulz, unterstrich den Zusammenhalt in Europa als entscheidend, um im internationalen Wettbewerb der Weltregionen zu überleben. Den globalen Handel bezeichnete der Sozialdemokrat als eine der zentralen Herausforderungen für das 21. Jahrhundert. Es werde keine binationalen Warenbeziehungen mehr geben, sondern einen Austausch zwischen Weltregionen. “Europa kann in dem Wettbewerb nur bestehen, wenn die 500 Millionen Einwohner und 27 Staaten einen eigenen Wirtschaftsblock bilden”, sagte Schulz. Der Politiker betonte das Risiko politischer Umstürze: “Wenn autoritäre Regime ökonomisch erfolgreicher sind als Demokratien, wenn ein Mangel an unseren Werten zum globalen Wettbewerbsvorteil wird, gerät die Demokratie in Gefahr.” Föderalismus als ModellDer deutsche Föderalismus kann aus Sicht des EU-Parlamentspräsidenten in einer reformierten Form Modell für die Europäische Union stehen. Die “Verfasstheit” eines einheitlichen Europas müsse in Angriff genommen werden. “Die EU ist in einem bejammernswerten Zustand”, sagte Schulz. Es werde dauerhaft nicht funktionieren, immer mehr Souveränitätsrechte auf EU-Ebene zu übertragen und gleichzeitig die Entscheidungen in den nationalen Hauptstädten zu treffen: “Wir brauchen eine europäische Regierung.”Schulz regte an, erneuerbare Energie zum Investitionsschwerpunkt in Griechenland zu machen, um den dort produzierten Strom in den europäischen Binnenmarkt einzuspeisen. Auch Rösler sprach sich für einen europäischen Strombinnenmarkt aus. Es sei jedoch schon schwierig, die Interessen der Bundesländer hierzulande unter einen Hut zu bringen. Wenn die eine Hälfte Strom importieren und die andere sich selbst versorgen wolle, lande man energiepolitisch im “Postkutschenföderalismus”. Das habe es noch nie gegeben, dass sich ein Bundesland selbst versorgt, und dies werde es auch nicht geben, sagte Rösler.