RECHT UND KAPITALMARKT

Der Insolvenzrechtsexperte als Mediator

Reform schafft Position des Verfahrenskoordinators

Der Insolvenzrechtsexperte als Mediator

Von Steffen Schneider *)Insolvenzverfahren, auch solche in Eigenverwaltung, bedeuten grundsätzlich einen Einschnitt in das geschäftliche Leben eines jeden Unternehmens. Der Einschnitt stellt sich bei der Insolvenz von mehreren Gesellschaften einer Unternehmensgruppe (Konzerninsolvenz) noch gravierender dar. Häufig handelt es sich bei dem Geflecht der Gesellschaften um langjährig gewachsene Strukturen: Viele, wenn nicht alle Konzerngesellschaften sind in die Konzern-Finanzierung durch Kreditinstitute eingebunden – sie haften mit ihrem Vermögen für die Darlehen der Gruppe. Sie sind Teil einer Innenfinanzierung, sei es durch Cashpooling, sei es durch individuelle Darlehensvergaben. Häufig bestehen Gewinn- und Ergebnisabführungsverträge, steuerliche Organschaften und operative Verflechtungen durch gegenseitigen Leistungsaustausch. Konflikte programmiertIn der Insolvenz einzelner oder aller Konzerngesellschaften werden diese Verhältnisse aus unterschiedlichen rechtlichen Gründen nicht mehr bzw. nur sehr eingeschränkt fortgesetzt. Dadurch und durch die besondere Insolvenzsituation sind im Sanierungsprozess Konflikte zwischen den unterschiedlichen Beteiligten (beispielsweise Geschäftsführer, Gesellschafter, Kreditinstitute, Lieferanten, Finanzämter, Arbeitnehmer) innerhalb der Unternehmen, aber auch unternehmensübergreifend programmiert. Dazu treten potenzielle Interessenkollisionen zwischen (personenverschiedenen) Sachwaltern/Insolvenzverwaltern, den unterschiedlichen Insolvenzgerichten und den unterschiedlichen Gläubigerausschüssen. Die Bewältigung einer Konzerninsolvenz ist also eine Herkulesaufgabe.Am 21. April 2018 tritt in Deutschland erstmalig ein Konzerninsolvenzrecht in Kraft. Verankert ist das Konzerninsolvenzrecht in der Insolvenzordnung von 1999, und zwar in Form von ergänzenden Vorschriften. Diese Vorschriften ermöglichen die Bestimmung eines einheitlichen Konzerngerichtsstandes und die Bestellung eines personengleichen Insolvenzverwalters. Sie enthalten eine Kommunikationsverpflichtung für (personenverschiedene) Insolvenzverwalter untereinander und für unterschiedliche Insolvenzgerichte sowie die Möglichkeit, einen Gruppengläubigerausschuss zu bilden. Sie ermöglichen schließlich die Einleitung eines Koordinationsverfahrens und die Bestellung eines Verfahrenskoordinators. Der Verfahrenskoordinator soll als Mittler zwischen allen Beteiligten in den Insolvenzverfahren und damit als Koordinator/Mediator für die insolvente Unternehmensgruppe fungieren. Er soll die Kommunikation verbessern, Treffen und Telefonkonferenzen organisieren, er kann Arbeitsgruppen für Sachthemen anregen, er kann an Gläubigerversammlungen und Gläubigerausschusssitzungen teilnehmen, er soll bei Konfliktlösungen helfen.Der Verfahrenskoordinator kann auch einen Koordinationsplan, also einen Sanierungsplan für den Konzern erstellen. Dieser Koordinationsplan soll nach dem Willen des Gesetzgebers im Wesentlichen Vorschläge enthalten (a) zur Wiederherstellung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Konzernunternehmen und des Konzerns, (b) zur Lösung von Konflikten und (c) zu vertraglichen Vereinbarungen zwischen Insolvenzverwaltern. Die gesetzlichen Vorgaben für einen Koordinationsplan nehmen damit das auf, was auch die bisherige Bewältigung einer Konzerninsolvenz zu einer großen Herausforderung macht, nämlich im Rahmen der Sanierung eines Konzerns der Auflösung entgegenzuwirken und zwischen den Beteiligten zu vermitteln: Die Kreditinstitute müssen gegebenenfalls zur späteren Fortfinanzierung und zum Stillhalten bewegt werden, was die Vollstreckung in den nichtinsolventen Teil eines Konzerns angeht. Die Innenfinanzierung im Konzern ist zwar kaum noch möglich, kann aber in Ausnahmefällen gleichwohl vereinbart werden. Die konzerninternen Leistungsbeziehungen müssen im Rahmen der Sanierung notfalls neu verhandelt und vertraglich neu fixiert werden. Alle Beteiligten sollten an einem gemeinsamen Sanierungsziel für den Konzern (oder für einen Kernbereich) arbeiten. LösungsmöglichkeitenBei all dem helfen mediative Techniken: Die Mediation besteht darin, die Probleme von dem Menschen zu trennen (aufgestaute Emotionen aus dem Zeitraum vor der Insolvenz, die eine Problemlösung behindern, sind keine Seltenheit). Mediation strebt ferner an, die Interessen der Parteien herauszuarbeiten (und sie von ihren Positionen wegzuleiten), eine möglichst hohe Zahl an Lösungsmöglichkeiten zu erarbeiten und eine Einigung zu erzielen. Ein Verfahrenskoordinator muss daher genau diese Fähigkeiten besitzen. Der Einsatz eines versierten und in Mediationstechniken erfahrenen Insolvenzrechtsexperten als Verfahrenskoordinator ist daher überaus sinnvoll. Dieser hat die Aufgabe, die Interessenkonflikte zu moderieren, zwischen den einzelnen Beteiligten zu vermitteln und Lösungsvorschläge zu erarbeiten, immer mit dem Ziel, Konzernverflechtungen – soweit sinnvoll – zusammenzuhalten und Einigungen im Sinne einer bestmöglichen Sanierung herbeizuführen.—-*) Steffen Schneider ist Partner der Kanzlei BBL Bernsau Brockdorff & Partner.