Der Klimawandel kommt vor Gericht

Global rollt eine Welle von 1000 Klagen gegen Konzerne und Regierungen an - In den Niederlanden schon erfolgreich

Der Klimawandel kommt vor Gericht

cru Düsseldorf – Rund um den Erdball rollt eine wachsende Welle von Klimawandel-Prozessen auf die Gerichte zu, die Unternehmen und Regierungen unter Druck setzt. Nach Angaben der Kanzlei White & Case, die in Deutschland unter anderem über den Energierechtsanwalt Peter Rosin in Düsseldorf agiert, handelt es sich um weltweit rund 1 000 Rechtsstreitigkeiten, bei denen Schäden aus dem Klimawandel oder Verstöße gegen den Pariser Klimavertrag oder gegen die Menschenrechte von Einzelpersonen, Stiftungen oder Nichtregierungsorganisationen in teils spektakulären Verfahren gegenüber Unternehmen wie Ölkonzernen oder Stromversorgern und Regierungen eingeklagt werden.Am bisher erfolgreichsten agierten Klimaschützer in den Niederlanden. In der vielzitierten Klage der Urgenda-Stiftung gegen den niederländischen Staat akzeptierte das Gericht, die Ansprüche von hunderten Bürgern und der Urgenda-Stiftung, dass die niederländische Regierung gemäß der Verfassung des Landes die Pflicht habe, die Bürger vor dem Klimawandel zu beschützen. Die Regierung wurde angewiesen, ehrgeiziger zu handeln und die Kohlendioxidemissionen um mindestens 25 % bis 2020 zu reduzieren. Die Regierung ging gegen das Urteil in Berufung, aber am 9. Oktober 2018 erging ein Urteil des Obersten Gerichtshofes der Niederlande, der das erste Urteil aus dem Jahr 2015 bestätigte, demzufolge der Staat ungesetzmäßig handele, insofern er mit einer zu wenig ehrgeizigen Emissionsreduktion gegen die Artikel 2 und 8 der europäischen Menschenrechtskonvention verstoße. Verfassungsklage in KarlsruheIn Deutschland haben die Umweltverbände BUND und SFV sowie elf Einzelkläger gerade beim Bundesverfassungsgericht eine Klage eingereicht wegen der angeblich unzureichenden Klimapolitik des Bundestags. Auch ein Unternehmen ist hierzulande schon betroffen: Großemittenten von Treibhausgasen wie RWE können grundsätzlich für Schutzmaßnahmen gegen Klimaschäden verantwortlich gemacht werden. Das bestätigte das Oberlandesgericht (OLG) Hamm am 30. November 2017 im Fall “Saúl Luciano Lliuya gegen RWE”, der das Überlaufen eines Gletschersees in Peru verhandelt. Das Oberlandesgericht Hamm entschied den Eintritt in die Beweisaufnahme und schrieb damit Rechtsgeschichte. Die vom Gericht im September 2018 ernannten Sachverständigen werden ein Gutachten zur ersten Beweisfrage erstellen, ob eine ernsthaft drohende Beeinträchtigung des Hausgrundstücks des Klägers besteht. Wird diese positiv beantwortet, so bestellt das Gericht Sachverständige für die zweite Beweisfrage, inwieweit der Klimawandel und die von den Kraftwerken der Beklagten (RWE) freigesetzten CO2-Emissionen zu dieser Beeinträchtigung beigetragen haben.Vor allem der Erfolg der Klage der Urgenda-Stiftung gegen den niederländischen Staat inspirierte zahlreiche ähnlich gelagerte Klagen. Die irische Umweltorganisation “Friends of the Irish Environment” klagte 2017 gegen die irische Regierung. Erstmals in Irland soll damit die Regierung in Dublin verantwortlich gehalten werden für vermeintliche Verstöße gegen ihre eigenen Klimaschutzgesetze und Ziele aus dem Jahr 2015 sowie gegen die Verfassung und gegen die Menschenrechte ebenso wie gegen den Pariser Klimavertrag. Im Januar 2019 soll es zur Anhörung der Konfliktparteien kommen.Neben solchen Verfassungsklagen nehmen die Prozesse im Verwaltungsrecht und zu Planungsverfahren zu. Im Zivilrecht gab es unter anderem eine Klage der Bewohner der vor Alaska gelegenen Insel Kivalina gegen den Ölkonzern ExxonMobil. Diese Klage wurde vom Gericht abgewiesen, weil die Effekte des Klimawandels politisch zu verantworten seien und die Kläger nicht hätten nachweisen können, welche Emissionen genau die Ursache für die von ihnen benannten Schäden sind. Fossile Brennstoffe ächtenNach Einschätzung von White & Case zeichnen sich bei den Klimawandel-Klagen mehrere Trends ab: So sollen in den meisten Fällen Regierungen zur Einhaltung ihrer eigenen Klimaschutzgesetze gezwungen werden. Außerdem werde in den Prozessen die Verbindung hergestellt zwischen der Förderung fossiler Brennstoffe und dem Klimawandel. Zudem würden Beweise dafür gesammelt, dass bestimmte Emissionen die Ursache für klar benennbare negative Klimawandeleffekte seien. Eine weitere Stoßrichtung seien unterlassene Anpassungen an den Klimawandel.