Der Mut zum Börsengang wächst
Auch in Coronazeiten können Unternehmen frisches Eigenkapital aufnehmen. Das zeigt die Welle der Kapitalerhöhungen in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Nach den kleineren Börsengängen des Videokonferenzanbieters Pexip und der Datenbankfirma Exasol testet der Kaffeekonzern JDE Peet’s den Markt.cru Frankfurt – Trotz Coronakrise nimmt der Mut der Unternehmen, an die Börse zu gehen oder sich frisches Kapital zu besorgen, langsam wieder zu. Beweise dafür sind die erfolgreiche Erstnotiz der Nürnberger Datenbankfirma Exasol, deren Aktien am Montag in den Handel starten, und das geplante Milliarden-IPO des Kaffeekonzerns JDE Peet’s in Amsterdam. Zudem gab es in den vergangenen Monaten zahlreiche, wenngleich kleinere Kapitalerhöhungen deutscher Unternehmen.”Die jüngsten Transaktionen liefen durchaus erfolgreich. Viele Unternehmen nehmen vorsorglich frisches Eigenkapital auf. Dahinter steckt die Erwartung, dass sich die Stimmung am Kapitalmarkt durch die Coronakrise bald eintrüben könnte”, sagte Thorsten Pauli, der bei der Bank of America das Equity-Capital-Markets-Geschäft im deutschsprachigen Raum und somit die Bereiche Börsengänge und Kapitalerhöhungen verantwortet.Anders als im Rest von Europa gab es in Deutschland allerdings nur vergleichsweise kleine Transaktionen. Hierzulande hat die Verwässerung der Anteile der Altaktionäre immer einen negativen Beigeschmack.Die beiden größten Deals waren insofern mit der Finanzierung von Übernahmen verbunden. Der österreichische Sensorspezialist AMS sammelte mit einer Kapitalerhöhung 1,65 Mrd. Euro für die Übernahme von Osram ein – und der Online-Lieferdienst Delivery Hero besorgte sich mit Bonds und neuen Aktien insgesamt 2,3 Mrd. Euro für den Kauf des südkoreanischen Rivalen Woowa Brothers.Jetzt schauen alle auf JDE Peet’s. Gelingt der milliardenschwere Börsengang des Kaffeekonzerns aus dem Imperium der Reimann-Familie in Amsterdam, dann dürften sich auch weitere Unternehmen in Deutschland an die Börse trauen. “Insbesondere Unternehmen aus den Bereichen Healthcare und Software, die nicht von der Coronakrise betroffen sind oder sogar von den Entwicklungen profitieren, haben gute Chancen”, sagte Pauli. Zudem befindet sich der Rüstungskonzern Hensoldt, der auf die Enttarnung von Tarnkappen spezialisiert ist, in Wartestellung. Kaum noch Chancen gibt es dagegen für den Ölkonzern Wintershall. Pexip als VorreiterJDE Peet’s folgt dem norwegischen Videokonferenzanbieter Pexip und der deutschen Datenbankfirma Exasol auf dem Weg an die Börse, die die beiden einzigen anderen europäischen IPOs waren, die seit Februar auf den Markt gekommen sind. Der Börsengang von Pexip wurde erfolgreich abgeschlossen, die Aktien werden um 50 % über dem IPO-Preis gehandelt, und Exasol sieht so aus, als würde sie das Gleiche erreichen, aber es waren eher kleinere Deals mit Marktkapitalisierungen von einigen hundert Millionen Euro.Bei JDE Peet’s geht es nun um bis zu 2 Mrd. Euro – und damit um Europas bisher größten Börsengang in diesem Jahr. Wie bei Pexip und Exasol dürfte auch der Kaffeekonzern auf eine weitgehend virtuelle Roadshow mit Video-Investorenkonferenzen setzen – auch wenn es ausgesuchte persönliche Treffen geben dürfte. Leitende Mitglieder des Syndikats erwarten nur sieben Arbeitstage für das Pre-Marketing, gefolgt von einem ähnlichen Bookbuilding.Insgesamt zweieinhalb Wochen bedeuten, dass JDE den Preis bereits in der ersten Juniwoche festsetzen könnte. Doch selbst drei Wochen sind in diesem schwierigen Markt eine lange Zeit – auch wenn es verglichen mit Börsengängen in normalen Zeiten deutlich schneller geht.BNP Paribas, Goldman Sachs und J.P. Morgan sind globale Koordinatoren. Sie werden als Bookrunner von Bank of America, Citigroup, Crédit Agricole CIB, Deutsche Bank, HSBC, ING, MUFG, Santander und Unicredit unterstützt.Trotz der Coronakrise hat Exasol es als erstes Unternehmen in diesem Jahr an die Frankfurter Börse geschafft. Der Börsengang im Wachstumssegment Scale erreichte ein Platzierungsvolumen von insgesamt 87,45 Mill. Euro. Rund 9,2 Millionen Aktien einschließlich Mehrzuteilungs- und Aufstockungsoption wurden zu 9,50 Euro je Anteilschein platziert. Damit lag der Ausgabepreis in der Mitte der Preisspanne von 8,50 bis 10,50 Euro. Am Montag sollen die Aktien erstmals an der Frankfurter Börse gehandelt werden. Exit für die KfWExasol beschäftigt gut 150 Mitarbeiter und bietet eine Analysedatenbank an. Nach eigenen Angaben zählen Konzerne wie Adidas, Dell, Vodafone und Zalando zu den Kunden. 2019 machte die im Jahr 2000 gegründete Technologiefirma bei einem Umsatz von 21,6 Mill. Euro einen Verlust von 14 Mill. Euro. Von dem Gesamterlös des Börsengangs gehen 48,45 Mill. Euro an das Unternehmen selbst, mit denen Exasol das weitere Wachstum finanzieren will. Der Rest geht an die Alteigentümer, zu denen unter anderem die staatliche Förderbank KfW gehört.