"Der Nebel des Krieges lichtet sich"

Anleger, Anwälte und Berater hoffen in Großbritannien auf ein gutes Jahr für Übernahmen und Fusionen sowie Börsengänge

"Der Nebel des Krieges lichtet sich"

Nach dem erdrutschartigen Sieg von Boris Johnson und seinen Tories im Dezember hoffen Anleger, Anwälte und Berater auf ein gutes Jahr für M&A-Deals und Börsengänge. “Der Nebel des Krieges lichtet sich”, schrieb Duncan MacInnes, Investment Director beim Vermögensverwalter Ruffer, seinen Kunden.Von Andreas Hippin, LondonDer Rüstungskonzern BAE Systems hat das M&A-Jahr mit einem Paukenschlag eröffnet. Die FTSE-100-Gesellschaft kündigte vergangene Woche an, sich für 1,93 Mrd. Dollar zwei Geschäfte zu sichern, von denen sich Raytheon und United Technologies im Zuge ihrer Fusion trennen müssen. Londoner Investmentbanker rechnen mit weiteren Zukäufen europäischer Firmen jenseits des Atlantiks, nachdem sich diese in den vergangenen Jahren zurückgehalten hatten. Dahinter stecke die Suche nach Wachstum, seien die Aussichten dafür in Europa doch nicht gerade rosig. Manche hoffen, dass es bei US-Transaktionen noch etwas Aufholbedarf gibt (siehe Grafik).In Großbritannien wird sich zeigen müssen, ob die im Dezember eingekehrte politische Stabilität dieses Jahr mehr ausländische Firmenjäger auf den Plan rufen wird. Eine der ersten Amtshandlungen der neuen Regierung war, den Erwerb des britischen Rüstungsunternehmens Cobham durch den US-Finanzinvestor Advent abzusegnen. “Der Ausblick für Rüstungsunternehmen hat sich in den vergangenen Jahren verbessert”, sagt Larry Slaughter, Executive Vice Chairman Global Corporate & Investment Banking bei Bank of America. “Dieses Jahr beobachten wir Auktionen mit starkem Wettbewerb für Unternehmen, deren Margen zu den besten der Branche gehören.” Das Vereinigte Königreich ist so offen für Übernahmen und Fusionen wie nur wenige andere Länder. Nur wenn es um die nationale Sicherheit geht, greift die Regierung zuweilen ein. Pragmatisches HerangehenGeorge Knighton, Partner bei Skadden, Arps, Slate, Meagher & Flom, hat Anzeichen dafür ausgemacht, dass die britischen Wettbewerbsbehörden beginnen, eine strengere Position einzunehmen. Allerdings habe das Land bislang über das Thema nationale Sicherheit hinaus keinen allgemeinen Überprüfungsprozess für “strategische Assets” auf den Weg gebracht, was es als Investitionsziel attraktiver mache. Die Regierung Johnson mache zudem dem Anschein, dass sie ihre Befugnisse pragmatisch einsetzen werde.”Der Nebel des Krieges lichtet sich”, schrieb Duncan MacInnes, Investment Director beim Vermögensverwalter Ruffer, seinen Kunden. Die Beschäftigung befinde sich auf Rekordniveau, die Löhne stiegen und die Inflation sei niedrig. Die Gefahr einer Labour-Regierung sei für mindestens fünf Jahre gebannt. Es gebe Anzeichen dafür, dass die vielzitierte “Wall of Money” – 1 Bill. Dollar Private-Equity-Gelder, die auf der Suche nach Anlagemöglichkeiten sind – Großbritannien zugutekommen könnte. “Die Angebote für Sophos, Greene King, Hansteen, Shire, Just Eat, Inmarsat, Entertainment One und Cobham fangen an, nach einem Trend auszusehen”, schrieb MacInnes. Hatten Kaufinteressenten bislang keine Eile, so hätten sie nun das Gefühl, ein Gebot abgeben zu müssen, bevor es ein anderer tut. Investmentbanker halten bei britischen Deals das “Interloper Risk” für das größte Risiko. Damit ist das Risiko gemeint, dass ein anderer dazwischenfunken könnte. Der opportunistische Deal von BAE Systems kam für viele aus heiterem Himmel. Dabei ist es der bedeutendste Zukauf von BAE seit dem Erwerb von Sanders von Lockheed Martin für 1,7 Mrd. Dollar im Jahr 2000. Chinesische Käufer fehlenDie Hoffnung, dass Käufer aus der Volksrepublik China verstärkt Unternehmen in Europa, Nahost und Afrika aufsammeln würden, bestätigte sich dagegen nicht. “Es gab einen Mangel an chinesischen Käufern, die nach Europa kommen”, sagte Eamon Brabazon, Co-Head of EMEA M&A bei Bank of America. “Wir haben nicht viel davon gesehen.” Die Zahl solcher Deals ging Dealogic-Daten zufolge von 271 im Jahr 2016 auf 161 im vergangenen Jahr zurück. Das Volumen der Transaktionen schrumpfte in diesem Zeitraum von 114 Mrd. auf 20 Mrd. Dollar.Unter den Londoner Börsenkandidaten tummeln sich derweil die üblichen Verdächtigen. Für den weltgrößten Einzelhändler Walmart sei ein Initial Public Offering (IPO) der britischen Tochter Asda eine attraktive Option, wenigstens einen Teil davon zu Geld zu machen, nachdem der Verkauf an den Supermarktbetreiber J Sainsbury an den Wettbewerbshütern gescheitert sei, sagt Nicholas Hyett, Analyst beim Vermögensverwalter Hargreaves Lansdown. Ein Börsengang noch in diesem Jahr sei nicht auszuschließen. Er gehe alles in allem davon aus, dass 2020 ein besseres Jahr für Börsengänge werde als 2019, in dem die politische Ungewissheit rund um den Brexit die Stimmung belastete.Der Bringdienst Deliveroo könnte ebenfalls den Sprung aufs Parkett wagen. Darüber hinaus steht immer noch der Mobilfunker O2 auf der Liste der Börsenanwärter. Weitere Kandidaten sind das Formel-1-Unternehmen McLaren sowie Jaguar Land Rover. Dann ist da noch der Kinobetreiber Vue. Und die chinesische SDIC Power könnte mit ihrem IPO die Börsenverbindung nach Schanghai wiederbeleben.