GASTBEITRAG

Der neue Leasingstandard rückt näher

Börsen-Zeitung, 27.5.2015 Der International Accounting Standards Board (IASB) und der amerikanische Financial Accounting Standards Board (FASB) haben ihre Beratungen zur erneuten Revision des Entwurfs für eine Neufassung der Bilanzierung von...

Der neue Leasingstandard rückt näher

Der International Accounting Standards Board (IASB) und der amerikanische Financial Accounting Standards Board (FASB) haben ihre Beratungen zur erneuten Revision des Entwurfs für eine Neufassung der Bilanzierung von Leasinggeschäften weitestgehend abgeschlossen. Die erneute Revision war notwendig geworden, weil Unternehmen und die interessierte Öffentlichkeit sowohl die erste Fassung aus dem Jahr 2010 als auch die Überarbeitung dieser Fassung aus dem Jahr 2013 (Re-Exposure Draft) heftig kritisiert hatten.Die Boards werden die neuen Bilanzierungsregeln voraussichtlich noch in diesem Jahr verabschieden. Der Erstanwendungszeitpunkt steht noch zur Diskussion, der 1. Januar 2018 ist aber ein wahrscheinlicher Termin. Unterschiede bleibenDa das FASB und das IASB jedoch nicht in allen Bereichen eine gemeinsame Position finden konnten, werden die künftigen Bilanzierungsregeln (insbesondere für Leasingnehmer) zwischen US-GAAP und IFRS sich auch in Zukunft teilweise unterscheiden. Der neue Leasingstandard wird in der Anwendung deutlich praktikabler sein als die bisherigen Entwürfe – gleichwohl wird die Umsetzung der neuen Regeln zu einem großen Aufwand bei den Unternehmen führen. Denn: die neuen Regeln sind kompliziert und erfordern neben einer umfassenden Analyse jedes einzelnen Leasingvertrages auch eine Anpassung der Buchhaltungssysteme.Der Grundsatz lautet, wie schon in den Entwürfen von 2010 und 2013 – dass künftig sämtliche Leasingverträge von Leasingnehmern bilanziell erfasst werden. Hierbei wird in der Bilanz auf der Aktivseite ein Nutzungsrecht angesetzt, dem auf der Passivseite eine Verbindlichkeit zur Zahlung der künftigen Leasingraten an den Leasinggeber gegenübersteht. Dies ist vergleichbar mit der heutigen Bilanzierung von Finanzierungsleasingverträgen. Bei der Folgebilanzierung wird dann das Nutzungsrecht abgeschrieben.Von dem Grundsatz der Aktivierungspflicht gibt es aber Ausnahmen: kurzfristige Leasingverträge (das heißt Leasingverträge, bei denen nicht mit hoher Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden kann, dass sie länger als ein Jahr andauern werden) und sogenannte “Small Ticket”-Leasingverträge (das heißt Leasingverträge für Fotokopierer, Notebooks und ähnliche Vermögenswerte) können weiterhin “Off-Balance-Sheet” bilanziert werden. Die Aufnahme dieser Ausnahmeregelungen in den finalen Standard wird bei vielen IFRS-Bilanzierern zu deutlichen Erleichterungen führen.Auch müssen die Leasingnehmer künftig eine Vielzahl von neuen qualitativen und quantitativen Angaben zu ihren Leasingverträgen machen, die es den Bilanzlesern ermöglichen soll, die künftigen Zahlungsströme aus Leasingverträgen besser abschätzen zu können.Die Auswirkungen der neuen Regelungen für Leasingnehmer sind erheblich:- Kennziffern wie die Eigenkapitalquote oder das Gearing verschlechtern sich. Das kann Folgen für die Behandlung von Covenances oder Kreditlinien haben.- Die gängigen Multiples, mit denen Banken und Investoren rechnen, funktionieren nicht mehr und müssen angepasst werden.- Die Buchhaltungsprozesse sind anzupassen; dies kostet die Unternehmen Geld.Für die Leasing-Unternehmen bleiben die Bilanzierungsregelungen, anders als in den beiden Exposure Drafts zunächst vorgesehen, nun doch im Wesentlichen unverändert. Auch künftig müssen Leasing-Unternehmen also ihre Verträge als Operating-Leasing oder Finanzierungsleasing klassifizieren und in ihrer Bilanz im Falle eine Operating-Leasing einen Leasinggegenstand bzw. im Falle eines Finanzierungsleasing eine Forderung gegen den Leasingnehmer ausweisen.Dies führt dazu, dass beispielsweise im Falle eine Operating-Lease in der Bilanz des Leasing-Unternehmens keine Forderung gegen den Leasingnehmer ausgewiesen wird, während hingegen in der Bilanz des Leasingnehmers eine Verbindlichkeit gegenüber dem Leasing-Unternehmen zu finden wäre. Diese asymmetrische Behandlung von Leasingverträgen in den Abschlüssen von Leasingnehmern und Leasing-Unternehmen ist konzeptionell nur schwer zu begründen – die Boards haben sie aber in Kauf genommen, da ihrer Auffassung nach die bisherige Leasinggeberbilanzierung (anders als die bisherige Leasingnehmerbilanzierung) gut funktioniere. Abweichender FokusAuch wenn sich die Bilanzierungsvorschriften für Leasing-Unternehmen nicht ändern sollten diese genau beobachten, inwieweit die neuen Regelungen zu einem geänderten “Einkaufsverhalten” der Leasingnehmer führen werden. Es ist davon auszugehen, dass Leasingnehmer bereits heute darüber nachdenken, wie sie künftig Leasingverträge gestalten können, um “ihre” Bilanzeffekte minimieren zu können (zum Beispiel durch kürzere Laufzeiten oder einen höheren Anteil an Eventualleasingzahlungen) – dies könnte eine wesentliche Auswirkung auf das Geschäft der Leasing-Unternehmen haben.Anders als nach IFRS, werden Leasingnehmer, die nach US-GAAP bilanzieren, auch künftig ihre Leasingverträge in Operating-Leasing oder Finanzierungsleasing klassifizieren müssen. Die Bilanzierung für Finanzierungsleasingverträge entspricht dabei dem künftigen Bilanzierungsmodell nach IFRS: Operating-Leasingverträge werden künftig in der Bilanz ebenfalls als Nutzungsrecht und Leasingverbindlichkeit abgebildet werden, die Aufwandserfassung in der Gewinn- und Verlustrechnung hingegen soll grundsätzlich linear erfolgen (so wie man auch heute bei Operating-Leasingverträgen vorgeht).Dieses Modell entspricht dem bereits im Exposure Draft vorgeschlagenen “Typ B” Leasing-Modell, das damals für Immobilienleasingverträge vorgesehen war. Die lineare Aufwandserfassung war offenbar für die Amerikaner, die einen stärkeren Fokus auf die Gewinn- und Verlustrechnung als auf die Bilanz haben, von größerer Bedeutung als das eher auf die Bilanz fokussierte IASB. SpielräumeOutsourcing-Verträge (wie zum Beispiel über Rechenzentren) beinhalten in der Regel sowohl die Nutzung von Vermögenswerten (zum Beispiel der Hard- und Software) als auch die Inanspruchnahme von Dienstleistungen (zum Beispiel für den Betrieb der Hard- und Software). Bei der Überlassung dieser Vermögenswerte handelt es sich häufig um sogenannte verdeckte Leasingverträge, auf die auch die Bilanzierungsregeln für Leasingverträge Anwendung finden.Um die Aktivierung dieser verdeckten Leasingverträge künftig zu vermeiden, könnten Unternehmen die Outsourcing-Vereinbarungen so umstrukturieren, dass diese Verträge künftig als reine Dienstleistungsverträge anzusehen sind, mit der Folge, dass eine Aktivierung unterbleiben würde.Als Alternative zum klassischen Leasen von Fahrzeugen oder Maschinen bieten sich sogenannten Kapazitätsverträge an, bei denen der Kunde einen Anspruch auf ein Nutzungsvolumen nicht aber auf die Nutzung eines spezifischen Vermögenswertes hat – diese Verträge würde als schwebende Geschäfte weiterhin eine “Off-Balance-Sheet” Bilanzierung erlauben. Auch könnten Unternehmen darüber nachdenken, bei bestehenden langfristigen Mietverträgen Nachverhandlungen vorzunehmen und sich nachträglich Kündigungsoptionen einräumen zu lassen, um die Restlaufzeit des Leasingvertrages (und somit die Höhe des zu aktivierenden Nutzungsrechtes) zu reduzieren. GestaltungsmöglichkeitenDie Reform der Leasing-Bilanzierung steht nach jahrelanger Diskussion unmittelbar bevor. Unternehmen die nach IFRS bilanzieren sollten sich frühzeitig mit diesem Standard auseinandersetzen, da fast jedes Unternehmen hiervon betroffen sein wird und die Auswirkungen materiell sein können. Zudem bietet die frühzeitige Analyse des Standards die Möglichkeit Gestaltungsmaßnahmen vorzunehmen, um so das künftige Aktivierungsvolumen zu drücken. Ebenso ist davon auszugehen, dass sich Auswirkungen auf die Geschäftsmodelle von Leasing-Unternehmen ergeben werden.—-Jörg Bösser, Partner bei EY —-Christoph Piesbergen, Director bei EY