Im Interview Michael Heckmeier

Der neue Siltronic-CEO: Zeigt, dass ihr es könnt

Der neue Vorstandsvorsitzende des Waferherstellers gibt seinen Mitarbeitern Spielraum für Entscheidungen, fordert aber auch gute Leistungen. Für eine Belebung des Geschäfts erkennt Heckmeier erste Anzeichen.

Der neue Siltronic-CEO: Zeigt, dass ihr es könnt

Im Interview: Michael Heckmeier

„Zeigt, dass ihr es könnt“

Der neue Vorstandsvorsitzende von Siltronic fordert seine Mitarbeiter und erkennt Anzeichen für eine Belebung der Nachfrage

Von Joachim Herr, München

Michael Heckmeier ist seit Mai Vorstandschef des Münchner Waferherstellers Siltronic. In seinem ersten Interview spricht er über seinen Führungsstil und Ansatzpunkte für Verbesserungen im Unternehmen. Und er erklärt, warum die Talsohle der Nachfrage wohl erreicht ist.

Herr Heckmeier, welche Schwachstellen haben Sie in Ihren ersten drei Monaten im Unternehmen entdeckt?

Siltronic hat viele Stärken. Eine sind die Beschäftigten mit ihrem großen Engagement. Im Durchschnitt sind sie seit 15 Jahren im Unternehmen, manche schon seit 20 oder sogar 30 Jahren. Die Kehrseite dieser langjährigen und vertrauensvollen Zusammenarbeit ist, dass es an der einen oder anderen Stelle an neuen Ideen, frischem Wind und Querdenken im positiven Sinn fehlt. Das zu fördern ist eine meiner Aufgaben.

Welche Ideen haben Sie?

Eine ist die Geschäftsentwicklung über die Kerntätigkeit hinaus.

Kern ist die Entwicklung und Produktion von Wafern, den Siliziumscheiben als Rohstoff für die Halbleiterindustrie. Was ist darüber hinaus möglich?

Wir überlegen uns zum Beispiel, Wafer anders zu beschichten, um uns neue Potenziale im Markt zu erschließen. Und ob wir das Geschäft noch stärker segmentieren, unsere Ressourcen mehr fokussieren können.

Mit welchem Führungsstil gehen Sie Ihre Aufgabe an?

Ich bin von der Kraft und der Kreativität von Teams überzeugt. Die Zeiten, in denen ein CEO im Kämmerchen sitzt und von oben herab einsam Entscheidungen fällt, sind vorbei. Offene Diskussionen sind notwendig. Für mich als Physiker ist es immer wieder ein Vergnügen, mit den Mitarbeitern hier zu diskutieren. Und ich bin ein großer Fan von Empowerment.

Das heißt?

Entscheidungen sollen im Unternehmen dort getroffen werden, wo die Kompetenz ist. Dafür ist Entscheidungsspielraum notwendig. Ich gebe den Teams deshalb mehr Verantwortung. Das stärkt auch die Motivation.

Sie tun sich also nicht schwer mit dem Delegieren?

Nein. Dazu gehört aber auch das Einfordern von Leistung: Zeigt, dass ihr es könnt.

Ihr Vorgänger Christoph von Plotho war zwölf Jahre lang CEO, Rainer Irle zehn Jahre Finanzchef. Da ist bestimmt vieles eingespielt und Änderungen sind schwerer durchzusetzen.

Mein Vorgänger und Rainer Irle haben einen Superjob gemacht. Die Bilanz von Siltronic ist stark. Und mit einer Ebitda-Marge von 30,2% im ersten Halbjahr ist Siltronic trotz des Konjunkturabschwungs in einer robusten Situation. Darauf können wir gut aufbauen. Noch vor einigen Jahren war die Marge in solchen Marktsituationen nur halb so hoch. Investitionen von 1,3 Mrd. Euro in diesem Jahr kann sich Siltronic finanziell leisten, vor allem für unsere neue Fabrik in Singapur. Wenn der Markt anspringt, sind wir bereit.

Bevor wir zum Markt kommen, eine Frage zum gescheiterten Zusammenschluss mit dem taiwanischen Konkurrenten Global Wafers. Das Bundes­wirtschaftsministerium hatte Anfang 2022 nicht zugestimmt, dass Siltronic übernommen werden kann. Hat sich das als Nachteil fürs Unternehmen herausgestellt?

Aus der Ferne fand ich damals die Industrielogik überzeugend, dass sich die Nummer drei und vier im Wafermarkt verbünden, um ganz vorn mitzuspielen. Das war ein schlüssiges Konzept. Siltronic zeigt seitdem aber, dass wir auch Stand Alone sehr gut können. Unsere Eigenständigkeit funktioniert. Wir rüsten uns für die Zukunft und haben starke Beziehungen zu unseren Kunden.

Sie meinen die langfristigen Lieferverträge und Anzahlungen?

Ja. Zwei Drittel unserer Geschäfte sind langfristig abgesichert. Unsere Kunden sind zu einem echten Commitment bereit.

Womit erklären Sie sich die Zusagen und Verpflichtungen der Kunden?

Die Halbleiterhersteller haben während der Engpässe gelernt, wie wichtig die Lieferung von Wafern ist – in einer ausreichenden Menge und rechtzeitig. Da helfen langfristige Verträge.

Sind deswegen die Preise für Wafer stabil, obwohl Nachfrage und Volumen deutlich zurückgegangen sind?

Waferproduzenten sind ein strategischer Partner für die Wertschöpfung der Halbleiterindustrie. Die will man nicht vergraulen, auch wenn es mal schwieriger wird. Über Preise wollen die Kunden derzeit nicht einmal diskutieren. Allenfalls geht es darum, einen Teil der vereinbarten Lieferungen auf einen späteren Zeitpunkt zu verschieben.

Für wann rechnen Sie mit einer Belebung der Nachfrage?

Wann der Markt genau anzieht, weiß niemand. Die Lager sind noch ziemlich voll. In den vergangenen zwei Jahren wurde alles gekauft, was auf den Markt kam. Der Markt an sich ist übrigens fast stabil.

Inwiefern?

Für das Marktvolumen wird in diesem Jahr mit einem Rückgang von gerade mal 1% gerechnet. Nur einschließlich der Bestandskorrekturen ergibt sich ein Minus von circa 15%.

Wann rechnen Sie mit dem Tiefpunkt?

Die Talsohle sollte in diesem Jahr im dritten Quartal erreicht sein. Wir haben zwar keine Kristallkugel, aber es gibt einige positive Indikationen.

Welche?

Die Lager für Speicherchips sind noch weit über dem normalen Niveau. Das liegt auch daran, dass ein großer Produzent erst vor wenigen Monaten im Einkauf gebremst hat.

Ich vermute, es geht um Samsung.

Zu einzelnen Kunden äußern wir uns nicht. Positiv ist, dass sich im Logiksegment die Lage zunehmend entspannt. Auch wenn der Bestand noch nicht ganz auf dem normalen Niveau einer Bevorratung in der Größenordnung von 100 Tagen ist. Die Lager für Power-Chips, also Leistungshalbleiter, sind gar nicht so in die Höhe gegangen, da zum Beispiel das Geschäft mit der Autoindustrie relativ stabil ist.

Was bedeutet das für Siltronic?

Da wir alle drei Segmente bedienen, sind wir diversifizierter und robuster als Produzenten, die sich auf nur eines konzentrieren. Alle drei haben fast den gleichen Anteil an unserem Konzernumsatz.

Die Produktion in Ihrer neuen Fabrik in Singapur soll Anfang des kommenden Jahres starten. Was machen Sie, wenn die Nachfrage dann nicht anzieht?

Das Hochfahren unserer Fab Next können wir an die Nachfrage anpassen. Zunächst hatten wir vorgesehen, bis Ende 2024 bei 150.000 Wafer im Monat zu landen. Jetzt lautet unser Plan 100.000 plus. Zudem ist die Abnahme von 80% der Produktionskapazität mit langfristigen Verträgen mit unseren Kunden schon gesichert.

Und falls sich der Markt im nächsten Jahr schnell und stark belebt?

Wenn es notwendig ist, könnten wir in unserer neuen Fabrik in Singapur mehr Gas geben und die Kapazität schneller hochfahren.

Haben Sie Pläne, wie Sie Siltronic noch widerstandsfähiger gegen Schwankungen der Nachfrage machen könnten?

Die Volatilität in unserer Industrie ist nicht mehr so hoch wie früher, die Unternehmen und auch wir sind flexibler geworden. Aber es wird auch wegen der Investitionszyklen unserer Kunden weiterhin ein Auf und Ab geben. Das können wir abschwächen, indem wir unser Kerngeschäft noch stärker segmentieren.

Wie zum Beispiel?

Indem wir Markttrends wie künstliche Intelligenz in unserer Produktentwicklung früh antizipieren und mit Qualifikationen, den richtigen Ressourcen und technischen Voraussetzungen herangehen, um die Anforderungen der Kunden zu erfüllen. Ein anderes Beispiel für ein Untersegment sind spezielle Transistoren für die Elektromobilität.

Das Interview führte Joachim Herr.

Über Preise wollen die Kunden derzeit nicht einmal diskutieren.

Für mich als Physiker ist es immer wieder ein Vergnügen, mit den Mitarbeitern hier zu diskutieren.