Der Senior und sein Adlatus
Von Walther Becker, FrankfurtHeinz Hermann Thiele will es noch einmal wissen. Der kantige Patriarch, seines Zeichens Gesellschafter von Knorr-Bremse, lässt sich im angestammten Geschäft des Münchner Konzern von ZF Friedrichshafen nicht das Wasser abgraben. Und in seinem Vorstandschef Klaus Deller (55), der weithin bekannt wurde, als er beinahe Chef des Zulieferers Schaeffler geworden wäre, hat der 75-Jährige einen kampfbereiten Adlatus. Schon mit seiner unabhängig von Knorr-Bremse aufgebauten Beteiligung von 41 % an Vossloh hatte Thiele allen gezeigt, wo der Hammer hängt. Jetzt bietet er einen Schnaps mehr als ZF für die schwedische Haldex, doch ist das Gebot von Knorr unsicherer und wird sich auf jeden Fall länger hinziehen als die Offerte von ZF, die 21 % an Haldex hält, während Knorr auf 11 % kommt. Drunter und drüberIn Thieles Reich ist es vielfach drunter und drüber gegangen – 2015 hatte sein Sohn Henrik gar überraschend das Unternehmen “aus persönlichen Gründen” verlassen. Neues Personal musste sich der Senior auch für die Sparte Nutzfahrzeuge suchen – und fand es mit Peter Laier in einem früheren Osram-Vorstand. Deller hatte geplant, von Knorr zu Schaeffler zu wechseln, durfte dort aber gar nicht erst antreten. Seit Anfang 2015 ist Deller zurück bei Knorr und offenbar einer der wenigen, die mit “dem Alten” auskommen.Thiele gilt als langfristig orientierter und strategisch denkender Investor. Als ehemaliger Angestellter baute er den Konzern zur heutigen Weltmarktführung auf. In Mainz 1941 geboren, begann Thiele seine Laufbahn 1969 bei Knorr in der Patent- und Rechtsabteilung. Seit 1975 mit dem Ausbau des Nutzfahrzeugbereichs betraut, wurde er 1979 in den Vorstand berufen, dem er 28 Jahre angehörte. 1984 wurde er Chef der Unternehmensgruppe, deren Gesellschaftsanteile er von 1985 an sukzessive erwarb. Seit April 2007 ist Thiele ein sehr, sehr aktiver Aufsichtsratschef, der neben strategischen Fragen auch operative Schwerpunktthemen aufgreift. Seit diesem Jahr ist er Ehrenvorsitzender des Aufsichtsrates, den mit Hans-Georg Härter ausgerechnet der frühere ZF-Chef führt. Zwischen ihm und Thiele bestehe eine langjährige vertrauensvolle und persönliche Verbindung, hieß es; Dr. Bernd Bohr, der erst im November 2015 die Position einnahm und einst Thiele-Vertrauter war, musste jüngst weichen. Thiele verkörpert die Firma.Mit dem Erwerb der Mehrheit hatte Thiele Knorr neu ausgerichtet. Zahlreiche Aktivitäten wurden eingestellt, er trieb die Konzentration auf Bremssysteme voran. Knorr wurde damit als Systemlieferant positioniert. Infolge der früh initiierten Internationalisierung entwickelte er den mittelständischen Zulieferer mit 250 Mill. Euro Umsatz 1985 zum Weltmarktprimus mit 5,84 Mrd. Euro Umsatz und 24 000 Beschäftigten. Und: Knorr ist schuldenfrei.Das Unternehmen hat laut Deller in 30 Jahren nahezu 100 Akquisitionen getätigt – anders als im aktuellen Versuch Haldex geräuschlos – und Thieles Adlatus will nun das Meisterstück mit dem Schwedenhappen abliefern. Deller strich 2014 etwa 11 Mill. Euro von Schaeffler als Kompensationszahlung dafür ein, dass er seine Stelle bei dem Zulieferer aus Herzogenaurach gar nicht erst antrat. Mutter und Sohn Schaeffler hatten ihrem Interims-CEO Dr. Klaus Rosenfeld (50) den Vorzug gegeben.Anfang 2015 kehrte Deller zu seinem früheren Arbeitgeber Knorr-Bremse nach München zurück. Er löste dort Dr. Michael Buscher ab, dem von Oerlikon kommend nur ein kurzes Gastspiel in Thieles Imperium vergönnt war. Deller war von Mai 2009 bis Ende Juni 2014 Vorstand von Knorr-Bremse und verantwortete das Nutzfahrzeuggeschäft. Er ist seit 2009 bei Knorr-Bremse und war zuvor Vize bei Brose Fahrzeugteile in Coburg. Dorthin kam der Maschinenbau-Diplom-Ingenieur von Bosch, wo er 1999 eingetreten war. Der in Zweibrücken geborene Deller ist verheirateter Vater von drei Kindern.