Der Softbank Vision Fund hat eine Schwachstelle
Von Martin Fritz, TokioDer Warren Buffett des Technologiesektors wird Masayoshi “Masa” Son gern genannt. Gemeint ist: Der Gründer und CEO der Softbank Group habe einen ähnlich guten Riecher für Investitionen wie der Aktienguru aus Omaha, nur eben in der New Economy. Das mag sein, doch der Vergleich führt in die Irre. Zwar stuft die Ratingagentur Moody’s sowohl Berkshire Hathaway von Buffett als auch die Softbank Group von Son jeweils als Investmentgesellschaft ein. Aber die Anlagestrategie des Japaners ist so speziell, dass sie bei näherem Hinsehen eine große Schwachstelle aufweist.Buffett kauft sich bei etablierten Unternehmen mit funktionierendem Geschäftsmodell ein und verdient überwiegend an den Dividenden. Dagegen beteiligt sich der Softbank Vision Fund, das Hauptvehikel von Sons Softbank Group, mit extrem hohen Summen an schnell wachsenden Start-ups mit negativem Cashflow. Sie verbrennen das Kapital ihrer Investoren, um einen Markt zu entwickeln und darin die Führung zu übernehmen. Dann wird das verlorene Geld über einen Börsengang auf einen Schlag wieder hereingeholt, idealerweise mit fürstlichem Ertrag für Altinvestoren.Daher verfolgt der Vision Fund eine Königsmacher-Strategie. Ein aussichtsreiches Unternehmen erhält eine so massive Kapitalspritze, dass es mögliche Rivalen dominieren oder verdrängen kann. “Im Technologiebereich erhält der Sieger alles, die Erfolgschance der Nummer 2 ist sehr gering”, begründet Son sein Vorgehen. Zugleich sorgen seine Milliarden für den erwünschten Nebeneffekt, die Bewertung des Start-ups zu erhöhen und so den späteren Börsengang lukrativer zu machen.Jedoch leidet die Strategie unter einem Manko: Softbank und der Fonds können als Großaktionäre kaum aussteigen. Zum einen dürfen sie ihre Aktien nach der Sperrzeit nur schrittweise verkaufen. Zum anderen erwirtschaften viele ihrer Start-ups selbst nach dem IPO keine Erträge. Also muss Softbank bis zu schwarzen Zahlen weiter Kapital aufbringen. Ein Exit und damit die zentrale Komponente im Geschäftsmodell eines Beteiligungsfonds findet nicht statt. Geringe EinnahmenBeispiel Uber Technologies: Für das Geschäftsjahr 2018 verbuchte Softbank Group für ihren Uber-Anteil von 16,3 % einen Wertanstieg von 418 Mrd. Yen (3,4 Mrd. Euro) für die investierte Summe. Aber der Vision Fund machte beim IPO nur 5,5 Millionen seiner fast 217 Millionen Aktien zu Geld. Das brachte nur 247,5 Mill. Dollar ein. Dann knickte die Aktie um bis zu 17 % ein. Fallen zudem so hohe operative Verluste an wie bisher, ist die IPO-Einnahme von 8,1 Mrd. Dollar bis 2021 weg. Daher droht Softbank schon im laufenden Geschäftsjahr ein Buchverlust. Die Königsmacher-Strategie bringt selbst dann keinen Gewinn, wenn der Börsengang eine Erfolgsgeschichte ist. So kletterte der Aktienkurs des Pharmaunternehmens Guardant Health, das zu 33 % Softbank gehört, seit dem IPO im Oktober 2018 um das Vierfache. Auch in diesem Fall kann Softbank ihren Gewinn kaum realisieren, weil zu dieser hohen Bewertung niemand mehr kauft.Eine weitere Gefahr resultiert daraus, dass der Fonds nur im Technologiesektor investiert, davon 44 % in den Bereichen Verkehr und Logistik. Kein normaler Investor legt so viele Eier in einen Korb. Das Rätsel ist schnell gelöst: Fondschef Son versteht sich nicht als Investmentbanker, sondern verwirklicht seinen Traum, Softbank-Gene in möglichst viele Unternehmen zu pflanzen. Das gab er selbst zu. Ungewöhnliche KonstruktionAuch die Konstruktion des 98,6 Mrd. Dollar schweren Vision Fund ist ungewöhnlich (siehe Grafik). Das Fondskapital setzt sich aus 58,6 Mrd. Dollar an Stammaktien und 40 Mrd. Dollar an Vorzugsaktien zusammen. Softbank hält 48 % der Stammaktien. Darüber werden die Wertveränderungen der Beteiligungen verbucht. Im Unterschied dazu erhalten die Vorzugsaktionäre eine jährliche Dividende von 7 %. Die Struktur hat für Softbank mehrere Vorteile: Son kontrolliert den Fonds, obwohl er nur 28,1 Mrd. Dollar investiert. Zudem streicht Softbank eine Verwaltungsgebühr sowie eine Leistungsprämie von 20 % auf Wertgewinne von mehr als 7 % ein.Hier kommt erneut die Illiquidität des Fonds ins Spiel: Die Gebühr, die Prämie und die Dividende der Vorzugsaktionäre sind schwer auszuzahlen, da die Wertzuwächse keinen direkten Cash-flow verursachen. Daher muss der Fonds diese Zahlungen entweder aus seinen Barmitteln oder über Kredite finanzieren. Die Zwangslage erklärt Berichte, wonach der Fonds einen Kredit von 4 Mrd. Dollar mit seinen Anteilen an Uber, Guardant Health und Slack abgesichert haben soll.Dieses Dilemma ließe sich zumindest teilweise lösen, indem der Fonds selbst oder seine Verwaltungsgesellschaft ein IPO unternimmt. Auf diesem Weg ließen sich die illiquiden Anteile an meist unprofitablen Wachstumsfirmen in Cash verwandeln. Ein solcher Schritt ergibt so großen Sinn, dass sich das Gerücht über einen Börsengang hartnäckig hält.Dazu äußerte sich Son bei seiner letzten Präsentation vor Investoren zwar nicht. Ein Fonds-Börsengang würde nämlich die Ära seiner unbeschränkten Entscheidungsmacht über jede Investition beenden. Aber ihm bleibt womöglich kaum eine andere Wahl. Ansonsten kommt der von ihm angekündigte Vision Fund II vielleicht nicht zustande. Investoren zögernNach Informationen des “Wall Street Journal” wollen die bisherigen Anteilseigner des ersten Fonds sich nicht erneut engagieren. Auch andere Staats- und Pensionsfonds zögern angeblich. Dies kann kaum überraschen: Inzwischen haben alle potenziellen Kapitalgeber die Schwachstelle der Königsmacher-Strategie durchschaut.