Der Spaltpilz breitet sich aus

Deutsche Konzerne treiben Verkäufe von Aktivitäten voran - Aktivisten und die Digitalisierung sorgen für Welle an Divestments

Der Spaltpilz breitet sich aus

wb Frankfurt – Novartis hat in der Schweiz den Spin-off von Alcon vollzogen, VW tritt bei dem geplanten Börsengang der Lkw-Sparte Traton auf die Bremse. Nestlé steht vor der Trennung von der Hautpflege, und Bayer hat die Tiermedizin ins Schaufenster gestellt: Abspaltungen von Konzernteilen liegen weltweit im Trend. Oft üben aktivistische Investoren Druck aus. Sie gehen davon aus, dass selbständige Einheiten besser performen, weil die Manager mehr Freiheit haben und sich im Geschäft auskennen, und setzen über Aktionen auf den schnellen Dollar für ihre Investoren.Hinzu kommt: Die Digitalisierung treibt die Abspaltung auch von deutschen Konzernen. Der Gesamtwert der Verkäufe stieg 2018 um gut 60 % auf 107,7 Mrd. Dollar. Die Zahl der Transaktionen ging dagegen leicht von 516 auf 480 zurück. Die Steigerung des Volumens in Deutschland fällt damit auch deutlicher aus als auf dem weltweiten M&A-Markt. Nach 1,7 Bill. Dollar im Vorjahr kletterte der Wert um knapp 14 % auf 1,9 Bill. Dollar. Anders als in Deutschland stieg allerdings auch die Zahl der Deals – von 10 145 auf 10 466.Das sind Ergebnisse einer Studie, für die die Prüfungs- und Beratungsgesellschaft EY weltweit 930 Großunternehmen mit einem Jahresumsatz von mindestens 250 Mill. Dollar befragt hat. Global war der Wert lediglich in den USA (663 Mrd. Dollar), China (230 Mrd. Dollar) und Großbritannien (133 Mrd. Dollar) höher als in Deutschland. Allerdings sind in den drei weltweit größten Deals deutsche Parteien involviert (siehe Tabelle). Thyssen, Pfizer, ContiUnter anderem hat Thyssenkrupp die eigene Zerlegung eingefädelt. Und der Trend geht weiter: So zerlegt sich Pharmamulti Pfizer in drei Anbieter für innovative und etablierte Medizin sowie Konsumartikel. Continental will den Antriebsstrang separiert an die Börse bringen. Dass Spaltung nicht immer die beste Therapie ist, beweist das Desaster von Metro/Ceconomy. Der noch nicht abgeschlossene Verkauf der RWE-Tochter Innogy an Eon mit einem Wert von 46,6 Mrd. Dollar ist nicht nur die größte Transaktion in Deutschland, sondern auch die zweitgrößte weltweit – nach dem 60,8 Mrd. Dollar teuren Verkauf von Sprint an T-Mobile USA, der aber noch nicht abschließend genehmigt ist. Hinter T-Mobile steht die Deutsche Telekom.”Neue Technologien befeuern den Markt für Unternehmensverkäufe weltweit”, stellt Carsten Kniephoff, bei EY Leiter Divestment Europa, fest. Dabei gehe es oft nicht nur um neue Produkte oder Dienstleistungen, “sondern um Neuausrichtung oder gar Neuerfindung ganzer Geschäftsmodelle”. Mit dem Verkauf von Sparten können Unternehmen ihr Geschäftsmodell schärfen und sich organisatorisch wie finanziell Luft verschaffen für Investments in neuen Gebieten.Insbesondere die Industrie treibe den Umbau voran und trenne sich deutlich stärker von Teilen ihres Geschäfts als andere Branchen. Während sie weltweit Teile für 309 Mrd. Dollar veräußerte, betrug das Volumen von Technologiekonzernen und Finanzdienstleistern mit 155 Mrd. beziehungsweise 147 Mrd. Dollar nur etwa die Hälfte davon. Und auch quantitativ liegt die Industrie mit nahezu 1 900 Deals vor Konsumgüterherstellern (1 150) und Technologiefirmen (1 140).”Der Umbau der Industriekonzerne hat ein gewaltiges Ausmaß erreicht”, sagt Kniephoff. Umstellung, Flexibilisierung und Beschleunigung von Produktionsprozessen, oft mit Hilfe digitaler Technologien, verlangten hohe Investitionen in neue Produktionsanlagen, aber auch in neue Kompetenzen. Ein Weg, die Mittel dafür zu erhalten, ist der Verkauf von Sparten. Häufig seien damit ein Umbau des Geschäftsmodells und die Umstellung der Produktpalette verbunden.Entsprechend hätten 76 % der Konzerne mit dem eingenommenen Geld in neue Produkte oder Märkte investiert. 62 % verwenden Mittel für ihr bisheriges Kerngeschäft. Bei einem Spin-off fallen allerdings keine neuen Mittel an, die Abspaltung wird den eigenen Aktionären ins Depot gelegt. Die hohe Bereitschaft, sich von Unternehmensteilen zu trennen, hält auch weiterhin an: 82 % der befragten deutschen Unternehmen und 84 % weltweit geben an, dass sie mit einer weiteren Trennung von Sparten in den nächsten zwei Jahren rechnen.