Der wankelmütige Kapitän
Aktionäre sind wankelmütige Kreaturen. Noch vor wenigen Jahren wollten nicht wenige bei SAP Aufsichtsratschef Hasso Plattner von Bo(a)rd jagen. Nur 73 % stimmten 2014 für die Vertragsverlängerung des Mitgründers, drei Jahre später wurde der Aufsichtsrat aus Unmut über die Vergütung nur von gut 50 % des anwesenden Kapitals entlastet. Ein Schuss vor den Bug, der auch Plattner nicht kalt ließ und ihn zu einigen Änderungen veranlasste. Mittlerweile, nach dem zweiten Wechsel an der Konzernspitze binnen sieben Monaten und in Anbetracht der Coronakrise, scheinen die Anleger erleichtert, dass sich der alte Kapitän nicht vom Deck jagen ließ und SAP womöglich sogar über 2022 hinaus helfen will, durch die raue See zu navigieren.Doch Plattner muss sich selbst Fragen zu seiner Wankelmütigkeit gefallen lassen. Wieso etwa hat sich das “ideale Führungsmodell” der Doppelspitze aus Jennifer Morgan und Christian Klein nach nur wenigen Monaten schon wieder überholt? Der Aufsichtsratschef spricht von kulturellen Gräben, die es zwischen amerikanischen und deutschen Konzernteilen noch immer gebe. Die eine Seite wolle größtmögliche Autonomie für die zugekauften Konzerntöchter, die andere stelle die bessere Integration der Software in den Mittelpunkt. Plattner hat sich nun für die deutsche Sicht und die Trennung von Morgan entschieden – nach gut einem Jahrzehnt mit CEO Bill McDermott und stärkerer US-Prägung.Das dürfte jenseits des Atlantiks Schockwellen auslösen, die Klein und seine überwiegend deutschen Vorstandskollegen nun glätten sollen. Ryan Smith, CEO und Mitgründer des milliardenschweren Zukaufs Qualtrics, hatte etwa explizit erklärt, ein wesentlicher Grund, warum er der Transaktion trotz bevorstehendem IPO zugestimmt habe, sei das Versprechen weitgehender Autonomie innerhalb des Weltkonzerns gewesen. Derartige Freiräume soll es künftig nicht mehr geben, hat Plattner nun klargestellt. Die Zeit der langen Leine ist vorbei. Die Zügel sollen künftig straffer geführt werden.Dem neuen, alleinigen CEO Klein, der auf der Hauptversammlung seinen ersten Auftritt vor den Aktionären hatte, hat der 76-Jährige damit einen Bärendienst erwiesen. Gleich zu Beginn der Amtszeit des 40-Jährigen kommt die Frage auf, wer bei den Walldorfern strategisch wirklich das Sagen hat. Zumal Plattner betont: “Wir können es uns nicht leisten, uns durch interne Differenzen zu lähmen.” Der Kapitän bleibt an Bord und hat einen neuen Kurs gesetzt. Klein darf diesem als Steuermann vorerst folgen.