Der Weckruf

Deutsche Konzerne ziehen mit Übernahmen nach - Volle Kassen, günstige Finanzierungsbedingungen und steigende Risikobereitschaft

Der Weckruf

Von Walther Becker, FrankfurtDiesmal hat Bayer nicht zurückgezuckt. 2014 hat sich Reckitt-Benckiser zurückgezogen aus dem Gefecht um Consumer Care des US-Konzerns Merck & Co. Ende 2012 hatte hingegen der Dax-Konzern im Bieterstreit mit dem britischen Konsumgüterriesen um den amerikanischen Vitaminhersteller Schiff Nutrition einen Rückzieher gemacht. Die Briten boten bis zu 1,4 Mrd. Dollar, die Leverkusener 1,2 Mrd. Dollar. Doch als Reckitt das höhere Gegenangebot vorlegte, strichen sie die Segel. Ein Bieterwettkampf würde zu einem überteuerten Preis führen, hatte Bayer den Rückzug begründet. Für den Dax-Konzern ist es die zweitgrößte Transaktion: Nur die Akquisition von Schering 2006 war mit 19,3 Mrd. Dollar größer. Vor 13 Jahren hatte Bayer von Aventis das Cropscience-Geschäft für 6,6 Mrd. Dollar erworben, und 2006 die Diagnostika an Siemens für 5,3 Mrd. Dollar veräußert. Der Spin-off von Lanxess kam 2004 auf 3,3 Mrd. Dollar. Größter Deal des JahresMit dem 14-Mrd.-Dollar-Ding, bei dem BoA Merrill Lynch Bayer berät und Morgan Stanley Merck &Co., meldet sich die deutsche Industrie im global heftig anziehenden M & A-Geschehen zurück. Es ist der größte angekündigte Deal eines deutschen Unternehmens in diesem Jahr. Bislang können es sich die Konzerne mit ihren vollen Kassen und so günstigen Finanzierungsbedingungen wie kaum je zuvor leisten, Fusionen und Übernahmen von der Seitenlinie aus zuzuschauen. Ob in Telekommunikation, Medizin und Pharma oder Baustoffen – Stichworte Time Warner Cable, Vivendi, AstraZeneca, Biomet, Allergan und Lafarge/Holcim – die Welle schien an der deutschen Industrie vorbei zugehen. Investoren unterstützen die Dealmaker – Pharmakonzerne mit M&A-Plänen haben im April 24 Mrd. Dollar an Marktkapitalisierung gewonnen.Nun ist Bayer aufgewacht und Siemens macht mit dem Interesse an Alstom einen defensiven Schachzug – lieber selbst bieten, als das Feld dem Rivalen GE zu überlassen. Lange gaben sich Investmentbanker jeweils zu Jahresbeginn unverdrossen optimistisch, um am Ende einzuräumen, dass sich wieder wenig getan hat.Angekündigt wurden laut Dealogic 2014 bisher 589 Deals mit deutscher Beteiligung im Volumen von 60,9 Mrd. Dollar, gegenüber 34,2 Mrd. Dollar in der Vorjahreszeit. Nur 2006 und 2007 waren es mit 93,2 Mrd. bzw. 125,5 Mrd. Dollar mehr. Europaweit sind es 2014 543,3 Mrd. Dollar, so dass die größte Volkswirtschaft der Region auf gerade 11 % kommt. Bei deutschen Käufern geht es mit 42,6 Mrd. Dollar zwar um ein doppelt so hohes Volumen wie in der Vergleichszeit 2013, doch der Anteil in Europa beträgt nur 12 %.Nun werden Manager munter und auch Aufsichtsräte sind zu mehr Risiko bereit. Investmentbanker rechnen mit mehreren Transaktionen in der Größenordnung von 5 Mrd. Euro, “transformatorische” Deals in der Dimension wie die Zementfusion von 40 Mrd. Euro sind kaum in Sicht – trotz des Rückstaus. Einige wie Linde, Post oder VW (nach Scania) haben keinen Bedarf (mehr), sich extern zu verstärken. Andere wie Henkel, Beiersdorf oder Conti wollen es wissen. Die Börsenbewertungen sind noch nicht so ausgereizt wie 2007.