IM INTERVIEW: MIKE HAWES, SMMT

"Derzeit sind wir alles andere als politisch stabil"

Der Chef des britischen Autoverbands über Brexit und den Strukturwandel in der Autobranche

"Derzeit sind wir alles andere als politisch stabil"

– Herr Hawes, wie viel haben die Produktionsverlagerungen von Nissan oder Honda mit dem Brexit zu tun?Der Brexit hilft nicht. Nissan hat eine Entscheidung zum X-Trail getroffen. Wenn man sich ansieht, was mit dem Markt für Diesel passiert ist, nicht nur in Großbritannien, auch in Europa ist er geschrumpft. Und der X-Trail ist vor allem ein Diesel-Modell. Honda hat ihren Schritt damit begründet, dass sie in die Elektrifizierung investieren müssen. Und über all dem liegt die Ungewissheit rund um den Brexit. Der Brexit hat also dazu beigetragen, war aber nicht der einzige Faktor in diesen beiden Fällen. Großbritannien hatte den Ruf, ein politisch stabiles Land zu sein.- Und jetzt?Derzeit sind wir alles andere als politisch stabil. Man weiß nicht, was in den kommenden Wochen und Monaten passieren wird. Und das sorgt dafür, dass von Investitionen eher abgesehen wird. Deshalb müssen wir diese Problem lösen. Sobald wir ein gewisses Maß an Klarheit haben -nicht Gewissheit, nur mehr Klarheit -, müssen wir aus den Vorteilen Großbritanniens das Beste machen.- Wechseln Hersteller wegen des Brexit wirklich die Zulieferer?Das ist keine Entscheidung, die man leichtfertig trifft. Da sieht man sich ganz klar die Kosten an, aber auch Innovationsfähigkeit, Verlässlichkeit und finanzielle Stärke. Wenn, dann würde man es bei einem Modellwechsel tun, wie er alle drei oder vier Jahre stattfinden. Und natürlich will man es mit den Besten und Wettbewerbsfähigsten zu tun haben.- Überlagert das Thema EU-Austritt nicht die strukturellen Veränderungen, vor denen die Branche steht?Es gibt enorme Veränderungen. Die Verbrauchernachfrage verlagert sich von traditionellen Familienautos zu SUVs. Elektrifizierung, neue Eigentumsmodelle – und das ist nur das Hier und Jetzt. Künftig kommen Vernetzung, Digitalisierung und Autonomie hinzu, Mobilität als Dienstleistung. Die Branche steht vor enormen Herausforderungen, vielleicht mehr noch als jede andere.- Warum?Bei uns geht es um die grundlegende Technologie, die das Auto definiert: den Antrieb. Vermutlich gibt es deshalb so viel Zusammenarbeit zwischen Herstellern, die sonst erbitterte Rivalen sind.- Ist die Digitalisierung eine Chance für Großbritannien, das in Telekommunikation und IT immer stark gewesen ist?Ja. Es geht aber nicht nur um die Entwicklung der Technologie, sondern auch um deren Einsatz, die Herangehensweise der Aufsichtsbehörden etwa. Die Regierung hat immer eine “Light Touch”-Regulierung verfolgt und dadurch ein Umfeld geschaffen, in dem Innovationen und neue Technologien florieren. Es ist immer eine Gratwanderung, wenn man eine vergleichsweise lockere Herangehensweise bei der Regulierung pflegt, aber gleichzeitig die Verbraucher schützen will – nicht nur unter Sicherheitsgesichtspunkten, sondern auch ihre Privatsphäre. London hat eine großartige Start-up Community. Von dort kommen viele Ideen.Das Interview führte Andreas Hippin.