Deutsche Autobauer fertigen immer mehr im Ausland

Bantleon und Deutsche Bank warnen vor den Folgen einer stagnierenden Inlandsproduktion für die heimische Wirtschaft

Deutsche Autobauer fertigen immer mehr im Ausland

sck München – Die Autoindustrie hat sich in den vergangenen Jahren als Zugpferd des verarbeitenden Gewerbes erwiesen. BMW, Daimler und Volkswagen bauten ihre Fertigungskapazitäten aus und erhöhten ihre Investitionen deutlich. Damit stellten sie sich an die Spitze der deutschen Industrie.Diese Dominanz hat aber eine Kehrseite, wie die Fondsgesellschaft Bantleon und die Deutsche Bank in Studien herausarbeiten. Der Aufschwung der deutschen Autoindustrie nach dem Krisenjahr 2009 hat auf andere Industriesektoren nur in einem überschaubaren Umfang ausgestrahlt, meint Bantleon in ihrer Analyse mit dem Titel “Die deutsche Industrie und der Fahrzeugbau: Fluch oder Segen?”. So kam ein Großteil der Nachfrageimpulse für den Fahrzeugbau nicht aus dem Inland, sondern aus dem Ausland, wie der Autor der Studie, Daniel Hartmann, anmerkte. China ist mittlerweile für VW und BMW zum größten Einzelmarkt aufgestiegen. Das starke Wachstum der Hersteller außerhalb des Heimatmarktes hat Folge für die Fertigung und die Investitionsneigung. Während laut Bantleon die Automobilfertigung in Deutschland seit Jahren bei 5,5 Millionen Pkw per annum stagniert, konzentrierte sich die gesamte Mehrproduktion fast ausschließlich auf das Ausland. Von 2009 bis 2014 wuchs die Pkw-Fertigung deutscher Hersteller um die Hälfte auf 15 Millionen Stück. Damit folgt die deutsche Autoindustrie einem Trend, der auch im Maschinenbau, in der Chemiebranche und im Metallgewerbe zu verzeichnen ist: Die Ausweitung der Produktion im Ausland bei gleichzeitiger Stagnation dieser im Inland. “Erosion der Industriebasis”Bantleon bezeichnet diese Entwicklung als ein großes Problem für die deutsche Wirtschaft. Auch in Deutschland habe “die Erosion der industriellen Basis schon eingesetzt.” Nur der “außergewöhnliche” Aufschwung der Autohersteller habe dies “überdeckt”, schreibt Hartmann. Eric Heymann von der Researchabteilung der Deutschen Bank merkte an, dass die Nettoanlageinvestitionen der deutschen Autoindustrie seit 2009 jener aller anderen Branchen zusammen übertroffen hätten. Die umfangreichen Investitionen vieler Branchen (darunter auch der Autohersteller) im Ausland deuteten darauf hin, dass “Investment Leakage” bereits stattfindet. Eine Trendumkehr sei derzeit “nicht in Sicht”. Die Industriekonjunktur laufe schon seit 2012 nur wenig dynamisch. “Man sollte sich (…) nicht zu sehr vom relativ kräftigen Zuwachs des Bruttoinlandsprodukts in Deutschland in Sicherheit wiegen lassen, denn dieses basiert vor allem auf der guten Entwicklung des privaten Verbrauchs”, schlussfolgert Heymann. “Multiplikatoreffekt von 1,5″Der Studie von Bantleon zufolge haben sich die Pkw-Bestellungen bei deutschen Autobauern seit 2009 vor allem aus den USA, China und Großbritannien verdoppelt. Von dieser Belebung der deutschen Schlüsselindustrie hätten zum Teil auch anderen Sektoren profitiert (siehe Grafik). So bezögen die Autohersteller bei der Fertigung eines Pkw mehr als drei Viertel der Leistung von außen. Dabei wird ein Großteil der Vorleistungen allerdings importiert. Hinzu kommt, dass die wichtigsten Fahrzeuglieferanten aus der eigenen Branche (Autozulieferer) stammen. Diese beiden Punkte relativieren die Ausstrahlungskraft des Aufschwungs der Autobauer auf andere Sektoren. “Im Endeffekt dürfte der Multiplikatoreffekt der Fahrzeugindustrie bei 1,5 liegen”, so der Bantleon-Analyst.