Deutsche Autobauer geben sich einen Ruck in China
Deutsche Autobauer geben sich einen Ruck in China
Technologische Aufholjagd in vollem Gange – VW setzt auf neue Modelle – Chance bei Plug-in-Hybriden – Mercedes landet beim rollenden Wohnzimmer
Die tradierten globalen Autokonzerne sind mit der stürmischen Entwicklung der Elektromobilität auf dem weltgrößten Fahrzeugmarkt China ins Hintertreffen geraten. Deutsche Markenanbieter nagen am Verlust der einstigen Vormachtstellung, sehen aber Chancen für ein Comeback mit neuer technologischer Aufstellung.
nh Schanghai
Die Volkswagen-Gruppe hat für die am Mittwoch begonnene weltgrößte Branchenmesse Auto Shanghai 2025 eine Produktoffensive vorgestellt, von der man sich verspricht in Zukunft wieder stärker an der von New Energy Vehicles (NEV) getriebenen Wachstumsdynamik in China teilzuhaben. Es geht um eine ganz auf chinesische Kundenbedürfnisse ausgerichtete Modellpalette. Konzernchef Oliver Blume spricht vom „Liefermodus“ in dem man nun übergewechselt ist. „Mit einer neuen Generation von Fahrzeugen richten wir uns auf die digitale smarte Welt aus, in der sich unsere chinesischen Kunden bewegen."
Strategiewechsel
Modellseitig befindet man sich insofern auf einem neuen Weg, als nun erstmals elektrische Fahrzeuge rein für den chinesischen Markt konzipiert worden sind. Dahinter steht ein Strategiewechsel von einiger Tragweite mit einer Verlagerung der Design- und Entwicklungskompetenz weg von Wolfsburg und hin zu den chinesischen Partnern FAW, SAIC sowie das in Volkswagen Anhui eingebundene Tech-Start-up Xpeng.
Die auf der Messe vorgestellten neuen Fahrzeuge muten in Design, Ausstattungsmerkmalen und Fokus auf elektronische Unterhaltungsbedürfnisse tatsächlich wesentlich chinesischer an, als die bislang im Reich der Mitte verkauften Elektroautos der VW-Gruppe. Sie laufen als „Showcars“, die mit einigen Modifizierungen im kommenden Jahr Serienreife erlangen werden. In Sachen Software-Kompetenz wähnt man sich mit einem hauseigen entwickelten Fahrassistenzsystem, das auf die komplexen Verkehrsbedingungen in China ausgerichtet ist, auf dem richtigen Weg, um im Wettbewerb technologiegetrieben mithalten zu können.
Forciertes Tempo
Die chinesische Regierung hat sich in den Bemühungen zur konsumgeleiteten Konjunkturanregung mit forcierten Verbrauchersubventionen hervorgetan. Damit wurden die NEV-Verkäufe noch einmal gewaltig angeschoben. Sie kletterten 2024 um fast 36% auf 12,9 Millionen E-Autos. Das Tempo konnte im ersten Quartal nochmals leicht gesteigert werden. Der Platzhirsch BYD und der stark aufholende Geely-Konzern verzeichnen weitere Absatzrekorde. Der Anteil von Elektrofahrzeugen an den gesamten Pkw-Verkäufen ist mit der Offensive wieder über die Schwelle von 51% gegangen.

Bei VW rechnet man damit, dass der Anteil von NEV an den Gesamtverkäufen auf etwa 80% anwächst. Völlig offen ist dabei allerdings, wie sich das Verhältnis von reinen Batteriefahrzeugen zu den alternativen Antriebssträngen vom Plug-in-Hybrid bis zu sogenannten Range Extendern darstellt. In China ist die Nachfrage nach Plug-in-Hybriden besonders schwungvoll. Sie haben im vergangenen Jahr 40% der NEV-Verkäufe ausgemacht. Entscheidend ist damit flexible Plattformen für alle Elektrovarianten parat zu haben.
Bei Mercedes-Benz schenkt man dieser Entwicklung ebenfalls Beachtung. Der verstärkte Rückgriff auf Plug-ins, mit denen Verbrennermotoren im Spiel sind, steigert die Chancen, im Premium- und Luxussegment am Ball zu bleiben, betonte Vorstandschef Ola Källenius bei einem Round-Table-Gespräch mit deutschen Journalisten. Der Absatz von Plug-in-Hybriden ab der C-Klasse aufwärts sei sogar deutlich gewachsen.
Mercedes spürt zwar auch die Avancen chinesischer Hersteller bei Premium-Fahrzeugen, die mit Preisvorteilen und auf jüngeres Publikum ausgerichteten Entertainment-Features glänzen. Källenius betont, dass man sich hier weiterhin nur sehr vorsichtig bewege. Man sei nicht bereit mit sprunghaften Preisanpassungen Marktanteile zu kaufen.
Geräumigkeit ist Trumpf
In Sachen Messe-Premiere lanciert Mercedes eine China-Version des Kompakt-SUV CLA, die mit einer grundlegend neu entwickelten Software und digitalen Features ein Ausrufezeichen setzen soll. In der Ansprache der Luxuskundschaft verbürgt sich das Konzeptmodell „Vision“ für eine künftige neue V-Klasse mit Serienreife ab 2026. Hier geht man mit Extra-Geräumigkeit im Stile eines hoch digitalisierten Wohnzimmers auf chinesische Kundenbedürfnisse zu. Die V-Serie ist zwar für den Weltmarkt konzipiert, dürfte aber nach Einschätzung von Källenius in China den höchsten Absatz finden.