Deutsche Bahn steht vor einem finanziellen Kraftakt
mic München – Die Deutsche Bahn rechnet mit einem hohen Finanzbedarf zur Umsetzung ihrer neuen Dachstrategie “Starke Schiene”. “Die Finanzierung der Starken Schiene ist ein Kraftakt”, sagte Vorstandsvorsitzender Richard Lutz nach dem ersten Halbjahr, dessen Ergebnisse er erstmals telefonisch statt auf einer Präsenzpressekonferenz vorstellte. Es gehe um eine grundlegende Transformation des Eisenbahnsystems.Bereits Ende Juni wurde mit 21,1 Mrd. Euro die Schuldenobergrenze gerissen. Der Eigentümer Bund hatte sie ohne Leasing-Schulden auf 20,4 Mrd. Euro festgelegt. Inklusive der Leasingverpflichtungen in Höhe von 4,3 Mrd. Euro, die gemäß dem Rechnungslegungsstandard IFRS 16 seit Januar eingerechnet werden müssen, kletterten die Finanzschulden auf 25,4 Mrd. Euro. Ende des Jahres erwartet die Bahn 24,4 Mrd. Euro.Finanzvorstand Alexander Doll begründet die Entlastung in der zweiten Jahreshälfte mit der saisonalen Entwicklung. Er rechne daher ohne IFRS-16-Effekte mit nur leicht gestiegenen Nettofinanzschulden von rund 20 Mrd. Euro – die damit unter der Schuldenobergrenze bleiben: “Wir behalten unsere Verschuldung im Blick.” Doll verwies auch auf die Schuldensenkung durch die geplante Trennung von der britischen Tochter Arriva, die im Bus- und Schienennahverkehr tätig ist. “DB Arriva bringt keine operativen Synergien für uns, insbesondere nicht für DB Regio”, begründete Doll die Pläne eines Verkaufs oder eines Börsengangs, die im März vorgestellt worden waren. Schenker bleibt im KonzernIn seiner Präsentation sprach der Finanzvorstand fast ausschließlich über einen Verkauf, ein IPO spielte praktisch keine Rolle. “Bei den Vorbereitungen für den Verkauf von DB Arriva kommen wir gut voran”, sagte er beispielsweise. Erst auf Nachfrage präzisierte er, man könne nicht einschätzen, ob ein IPO oder ein Verkauf letztlich erfolgreich sein werde: “Wir treiben beide Stränge voran.” Im September werde die Entscheidung im Aufsichtsrat fallen. Für einen Verkauf gebe es eine Reihe von Interessenten, sagte Doll. Darunter seien Strategen sowie Private-Equity- und Infrastruktur-Investoren.Die Umsätze von Arriva schrumpften im ersten Halbjahr um 1 % auf 2,7 Mrd. Euro. Dies ist der einzige Rückgang aller Sparten. Der Konzern erhöhte den Umsatz um 2,2 % auf 22,0 Mrd. Euro. Das bereinigte Ebit von Arriva sank um 5 % auf 101 Mill. Euro. Die Nettofinanzschulden verdoppelten sich fast auf 1,7 Mrd. Euro.An der Logistiktochter hält die Deutsche Bahn vorerst fest, stellte erneut Doll klar: “Ein Verkauf von DB Schenker ist nicht geplant.” Man könne das Wachstum von Schenker sehr gut finanzieren. Allerdings könne es zu einer Situation kommen, in der die Tochter Wachstumsmöglichkeiten in den globalen Logistikmärkten wahrnehmen müsse. Dann sei es vorstellbar, dass man zur Kapitalgewinnung ein Minderheitspaket abgebe. Schenker erhöhte den Umsatz im ersten Halbjahr um 2,3 % auf 8,5 Mrd. Euro. Das bereinigte Ebit sprang um 10 % auf 238 Mill. Euro.Die Deutsche Bahn hielt an ihren wesentlichen Zielen 2019 fest, obwohl sie nun einen schwächeren Anstieg der Verkehrsleistung im Güterverkehr und in der See- und Luftfracht erwartet als ursprünglich kalkuliert. Der Umsatz soll auf mehr als 45 (i.V. 44) Mrd. Euro zulegen und das bereinigte Ebit mindestens 1,9 (2,1) Mrd. Euro betragen.Im ersten Halbjahr sank das Ebit allerdings um 22 % auf 757 Mill. Euro, so dass in der zweiten Jahreshälfte eine Aufholjagd notwendig ist – von Juli bis Dezember müssen 1,14 Mrd. Euro erwirtschaftet werden. Dies entspricht einem unveränderten operativen Gewinn im Vergleich zum zweiten Halbjahr 2018 trotz schlechterer Konjunkturbedingungen.Doll begründete das Festhalten an der Prognose damit, dass die zweite Hälfte traditionell stärker sei, während die erste Hälfte nur 45 % des Ebit bringe. Im ersten Halbjahr 2019 wurden allerdings nur 40 % von den angepeilten 1,9 Mrd. Euro erreicht.