Deutsche Biotech kommt mit Krebstherapien voran
Deutsche Biotech-Firmen kommen in der Krebsforschung voran
Impfstoffpionier Biontech forciert zulassungsrelevante Studie – Rekordfinanzierung für Radiopharmaziefirma ITM
swa Frankfurt
Deutsche Biotechfirmen senden ermutigende Signale für neue Krebstherapien. Der Corona-Impfstoffpionier Biontech hat jüngst im Rahmen der ASCO-Jahrestagung, dem weltweit wichtigsten Kongress in der klinischen Onkologie, vielversprechende Daten für eine Therapie gegen Lungenkrebs präsentiert. Das Mainzer Biotechunternehmen plant nun nach eigenen Angaben schon im dritten Quartal 2023 den Start einer zulassungsrelevanten Phase-3-Studie.
Die US-Gesundheitsbehörde FDA hat Biontech und dem Entwicklungspartner OncoC4 den Fast-Track-Status für den Antikörper BNT316/ONC-392 als Monotherapie zur Behandlung von Immuntherapie-resistentem nicht kleinzelligem Lungenkarzinom erteilt, was dem Produkt ein beschleunigtes Zulassungsverfahren ermöglicht.
Das Biontech-Management setzt hohe Erwartungen in die Krebstherapie. „Patienten mit metastasiertem nicht kleinzelligem Lungenkarzinom haben mit einer 5-Jahres-Überlebensrate von nur 9% eine sehr schlechte Prognose“, sagt Özlem Türeci, Chief Medical Officer und Mitgründerin des Unternehmens. Die neuen Daten unterstreichen nach Angaben von Türeci „das Potenzial von BNT316/ONC-392, einen neuen Behandlungsansatz für Patienten mit dieser Art von schwer behandelbaren Tumoren im fortgeschrittenen Stadium bieten zu können“.
Lungenkrebs sei nach wie vor eine der am häufigsten diagnostizierten bösartigen Krebsarten und die häufigste krebsbedingte Todesursache weltweit, wobei das nicht kleinzellige Lungenkarzinom etwa 85% dieser Krebsart ausmache. Risikofaktoren wie Rauchen, Asbestexposition und Lungenfibrose begünstigen laut Biontech eine Erkrankung. Die Behandlungsmöglichkeiten seien gegenwärtig begrenzt. Die relative 5-Jahres-Überlebensrate liege in den USA auf Basis von Daten aus den Jahren 2012 bis 2018 bei 23%. Die derzeitige Standardbehandlung beinhalte die chirurgische Entfernung des Tumors sowie Strahlentherapie in Kombination mit Chemotherapie.
Strüngmanns bei ITM am Ball
Während Biontech dank der Milliardenerträge aus dem Corona-Impfstoffgeschäft finanziell aus dem Vollen schöpfen kann, hat sich die Garchinger Radiopharmaziefirma ITM Isotope Technologies Munich gerade in einer der größten Finanzierungsrunden in Europa 255 Mill. Euro gesichert. Mit dem Geld will das Unternehmen die Produktpipeline voranbringen und die Kapazitäten erweitern.
Das 2004 gegründete Unternehmen, das inzwischen in der Rechtsform der SE steckt, entwickelt und produziert Krebstherapien, in denen radioaktive Isotope mit tumorspezifischen Zielmolekülen kombiniert werden, sowie dazu passende Diagnostika. Diese zielgerichtete Radionuklid-Therapie gilt als neue Klasse von Krebstherapeutika, die darauf abzielt, den Tumor direkt zu bestrahlen und gleichzeitig die Strahlenbelastung des normalen Gewebes zu minimieren.
Die aktuelle Finanzierungsrunde wird angeführt von Singapurs Staatsfonds Temasek, der Investoren wie Blackrock, Nextech, Carbyne und den Staatsfonds des Emirats Katar im Schlepptau hat. Erstmals engagiert haben sich die Brüder Strüngmann über ihr Investmentvehikel Athos – die Hexal-Gründer sind auch nennenswert an Biontech beteiligt und haben die Biotechfirma mit aus der Taufe gehoben. Das Family Office der Strüngmanns zählt zu den aktivsten Investoren in der Biotechbranche.
Kleinere Tickets
Die aktuelle Finanzierungsrunde der ITM ist im Volumen beachtlich, da die Summen nach dem Hype mit den Sonderfinanzierungen von Covid-19-Impfstoffen zuletzt wieder auf Normalmaß geschrumpft sind. So erreichte die größte Risikokapitalfinanzierung in der deutschen Biotech 2022 nach Angaben im Biotech-Report der Prüfungs- und Beratungsgesellschaft EY 67,5 Mill. Euro; Nutznießer war Resolve Bioscience. In Europa sammelte die französische DNA Script mit 177 Mill. Euro den höchsten Betrag ein. In Summe aller Venture-Capital-Finanzierungen liegt traditionell Großbritannien vorn, so auch 2022.
Im vergangenen Jahr hatte ITM in Summe knapp 60 Mill. Euro an Kapital eingesammelt, wozu der strategische chinesische Partner Grand Pharma 25 Mill. beisteuerte. Mit der an der Hongkonger Börse notierten Grand Pharma hat ITM Ende 2021 eine Vereinbarung zur Vermarktung von Radiopharmazeutika in Großchina bekanntgegeben, die der deutschen Firma bis zu 520 Mill. Euro aus Meilensteinzahlungen einbringen kann, zusätzlich zu Lizenzgebühren.