Sinneswandel

Deutsche Firmen in Großbritannien zuversichtlicher

Seit dem Regierungswechsel in London und der Einigung mit der EU zu Nordirland hat sich die Stimmung unter den Unternehmen der deutsch-britischen Wirtschaft deutlich aufgehellt. Fast ein Drittel will mittelfristig mehr investieren.

Deutsche Firmen in Großbritannien zuversichtlicher

Deutsch-britische Firmen zuversichtlicher

Unternehmen hoffen auf ein besseres Verhältnis zwischen London und Brüssel

hip London

Die Frühlingsumfrage der Deutsch-Britischen Industrie- und Handelskammer hat gezeigt, dass mehr als zwei Fünftel der daran beteiligten Unternehmen für die kommenden zwölf Monate mit einer Verbesserung ihrer Geschäftsaussichten rechnen. „Bei den Firmen ist die Stimmung für das eigene Geschäft besser als die Erwartungen an die britische Wirtschaft insgesamt“, sagte Hauptgeschäftsführer Ulrich Hoppe der Börsen-Zeitung. Fast ein Drittel (32%) will mittelfristig mehr investieren und knapp die Hälfte (46%) will binnen zwölf Monaten neue Mitarbeiter einstellen. Im Herbst vergangenen Jahres erwartete nur knapp ein Viertel (24%) eine positive Entwicklung ihres britischen Geschäfts. Mit einer besseren Entwicklung der Gesamtwirtschaft rechneten lediglich 23% der befragten Firmen, 37% erwarten eine weitere Eintrübung der Lage.

Fachkräftemangel, zum Teil Folge von aufenthaltsrechtlichen Restriktionen, Handelsbarrieren und andere durch den britischen EU-Austritt verursachte administrative Mehraufwendungen sowie gestiegene Energiekosten stellen derzeit die größten Herausforderungen für die Unternehmen dar. Lieferkettenprobleme sind im Vergleich zu vor sechs Monaten nicht mehr ein so großes Problem, denn die Unternehmen fokussieren sich mittlerweile bei ihren Diversifizierungsbemühungen eher auf die Erschließung neuer Märkte. Sie wurden aber immer noch von 28% der Firmen zu den größten Herausforderungen gerechnet.

Lediglich 2% gehen davon aus, dass ihr britisches Geschäft infolge der Einigung zwischen London und Brüssel über die Ausgestaltung des Nordirland-Protokolls der EU-Austrittsvereinbarung wesentlich wachsen wird. „Die meisten halten die Auswirkungen der Nordirland-Einigung für nicht so groß für das eigene Unternehmen“, sagte Hoppe. „Aber alle erwarten, dass sich das Verhältnis zur EU bessert.“ Lediglich 23% der Befragten gingen nicht von einer Verbesserung aus. Die rigide Auslegung der Bestimmungen zur Tier- und Pflanzengesundheit hatte zu erheblichen Behinderungen des innerbritischen Handels geführt, was insbesondere unter nordirischen Unionisten Unmut hervorrief. „Mittelfristig sind das alles keine wirklichen Probleme“, sagte Hoppe. „Wenn das nötige Vertrauen da ist, sind sie lösbar.“ Für einen wesentlichen Schritt voran hielten die vom britischen Premier Rishi Sunak und EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen getroffene Windsor-Rahmenvereinbarung allerdings nur 4% der befragten Unternehmen. Hätte man sich nicht geeinigt, sähen die Umfrageergebnisse aber vermutlich ganz anders aus, gab Hoppe zu bedenken.

Auch der Regierungswechsel dürfte zur Verbesserung der Stimmung beigetragen haben. Noch herrscht allerdings Vorsicht vor. „Großbritannien befindet sich immer noch in einem gewissen Grundpessimismus, aus dem es sich befreien muss“, sagte Hoppe. Als größte geopolitische Herausforderungen der kommenden fünf Jahre wurden die Inflation, die zunehmende politische Beeinflussung der Beschaffungsketten durch Handelshemmnisse und Gesetze sowie Cybersicherheit genannt. Der Klimawandel rangierte erst an neunter Stelle. Bei der Diversifizierung ihrer Lieferketten und der Erschließung neuer Märkte nannten die Firmen Großbritannien an erster Stelle, gefolgt von Deutschland und anderen EU-Ländern. Für die Studie wurden 57 webbasierte Interviews mit Unternehmen der deutsch-britischen Wirtschaft, die in Großbritannien tätig sind, durchgeführt.