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Deutsche Firmen lassen in Afrika weiter viel Potenzial liegen

Von Sebastian Schmid, Frankfurt Börsen-Zeitung, 29.9.2020 In der Coronakrise haben viele Unternehmen ihren Investitionsradius reduziert. Um Liquidität zusammenzuhalten, wurden nichtessenzielle Aktivitäten eingefroren. Die in den vergangenen beiden...

Deutsche Firmen lassen in Afrika weiter viel Potenzial liegen

Von Sebastian Schmid, FrankfurtIn der Coronakrise haben viele Unternehmen ihren Investitionsradius reduziert. Um Liquidität zusammenzuhalten, wurden nichtessenzielle Aktivitäten eingefroren. Die in den vergangenen beiden Jahren gestiegenen Engagements in Afrika sind dabei besonders oft durch den Rost gefallen. “Vor der Coronakrise war Afrika eigentlich auf einem guten Weg. Deutsche Investitionen auf dem Kontinent haben 2018 und 2019 Rekordniveau erreicht. In einem Jahr hatten wir sogar ein höheres Handelsvolumen mit Afrika als Frankreich, was man kaum annehmen würde”, erklärt der Vorsitzende des Afrika-Vereins der deutschen Wirtschaft, Stefan Liebing, im Gespräch mit der Börsen-Zeitung. In Bezug auf Direktinvestitionen liegen deutsche Unternehmen auf dem südlichen Kontinent meilenweit hinter anderen führenden Industrienationen zurück (siehe Grafik).Der Trend eines Anstiegs des Engagements in den vergangenen Jahren sei von der Krise gestoppt worden. “Unternehmen, die neu nach Afrika schauen wollten, sind momentan meist abgelenkt und krisenbedingt mit anderen Themen beschäftigt. Unternehmen, die aktuell selbst in Schwierigkeiten geraten sind, können derzeit kaum in Afrika investieren.” Aber natürlich sei die Lage in Afrika gerade schwierig. “Experten glauben, dass der Peak der Pandemie in Afrika noch gar nicht erreicht ist, sondern dass dieser erst im Oktober, November oder Dezember sein wird”, sagt Liebing. “Wir hoffen, dass das nächste Jahr besser wird, wissen es aber natürlich noch nicht definitiv.” Ein Problem sei auch, dass Afrika bei den möglichen Impfstoffen sicher nicht in der ersten Reihe stehe.Thomas Festerling hat sich als Finanzvorstand und Mitgründer von Greentec Capital Partners auf Investitionen auf dem südlichen Kontinent spezialisiert. Gemeinsam mit Mitgründer und CEO Erick Yong investiert er in afrikanische Start-ups. “Wir investieren meist in einer frühen Phase und helfen den jungen Unternehmern, indem wir nicht nur Geld, sondern auch Kontakte und Management-Expertise beisteuern und ihnen beim skalieren helfen”, erläutert Festerling. “Der operative Support kommt vor einem potenziellen Cash Investment – aber das Prinzip ist ähnlich: Für unseren operativen Support beteiligen wir uns an attraktiven Start-ups und helfen ihnen nachhaltig zu wachsen.”In der Krise sei es für viele afrikanische Unternehmen – “nicht nur Start-ups” – sehr schwer, an Kapital zu kommen. “Allerdings hat der Kontinent relativ viel Pandemie-Erfahrung und ist daher in vielen Ländern auch vergleichsweise gut auf die Situation einer Pandemie eingestellt”, erklärt er. Liebing unterscheidet in der Pandemie drei Kategorien von Ländern. “Erstens gibt es Länder, die wieder aufmachen mussten und in denen die Zahlen in den vergangenen Wochen stark gestiegen sind. Das beste Beispiel dafür ist Südafrika. Zweitens gibt es Länder, die sehr gut durch die Krise kommen und sehr geringe Infektionszahlen aufweisen, weil sie aus meiner Sicht schon wenig Mobilität innerhalb des Landes haben und sie zudem schlecht international angebunden sind.” Beispiele seien sehr arme Länder wie Burkina Faso. “Die dritte Kategorie sind Länder, bei denen ich mir unsicher bin, ob die Zahlen stimmen. Die sind zwar niedrig, aber es gibt auch ein starkes politisches Interesse, die Zahlen niedrig zu halten.” Unabhängig davon, wie die individuelle Lage ist, gibt es derzeit kein Land in Afrika, das nicht auf der Reisewarnliste steht. “Ich denke, wir müssten da viel differenzierter vorgehen. Ich selbst war seit März nicht mehr in Afrika”, erklärt Liebing. Beteiligen statt GründenDen Kontakt halten Festerling und Liebing digital. Die technologische Entwicklung sei teils weit fortgeschritten. “Wenn Sie durch Nairobi spazieren, ist das Mobilfunknetz sicher besser als in Berlin beispielsweise.” Allerdings hätten große Teile der Bevölkerung noch immer kein ein internetfähiges Telefon, schränkt Liebing ein. Er empfiehlt Unternehmen, statt der Eröffnung eigener Niederlassungen in Afrika auch Beteiligungen vor Ort zu erwägen. “Faszinierend ist, dass es viele auch international gut ausgebildete Unternehmer gibt, die ihre Ideen dann in Afrika umsetzen. Und diese unternehmerische Kraft machen sich europäische Unternehmen aus meiner Sicht noch immer viel zu wenig zunutze.”Festerling zufolge werden viele smarte Ideen an Greentec Capital herangetragen. Der Name, der Investitionen in grüne Technologien suggeriert, ist dabei nur noch bedingt Programm. “Wir investieren inzwischen in Start-ups in den Bereichen Landwirtschaft, Digitalisierung und nachhaltiges Wirtschaften”, sagt Festerling. Eine Namensänderung sei aber nicht in Betracht gekommen aufgrund des gegenüber den Anfängen verbreiterten Investitionshorizonts. “Dafür sind wir mittlerweile in dem Bereich zu bekannt.”Ein Investitionshemmschuh für viele deutsche Investoren in Afrika sei die zu negative Sichtweise auf den Kontinent, so Liebing. Die politischen Risiken in Afrika würden oft überschätzt, so Liebing. Länder wie Marokko zählten laut Weltbank zu den reformstärksten der Welt. “Wir konzentrieren uns in Deutschland derzeit sehr auf die Binnenkonjunktur und zu wenig darauf, wie wir unsere Handelsbeziehungen zu anderen Staaten wieder hochfahren können. Rettungsschirme für die deutsche Wirtschaft sind nicht nur in Deutschland, sondern auch in Afrika angebracht.”