Transatlantische Geschäfte

Deutsche Firmen setzen auf Biden

Die amerikanischen Tochtergesellschaften deutscher Unternehmen erhoffen sich von der neuen US-Regierung mehr Planungssicherheit und eine Lockerung der Einreisevorschriften. Trotz Pandemie überwiegt in dem Firmenkreis der Optimismus für das wichtige Geschäft in den Vereinigten Staaten.

Deutsche Firmen setzen auf Biden

nok New York

Die deutschen Unternehmen in den Vereinigten Staaten trotzen der Coronakrise und erhoffen sich vom neuen US-Präsidenten Joe Biden mehr Stabilität für ihr Geschäft. „Wir erwarten transatlantische Gespräche, ein Ende der Tweets und der Überraschungen“, sagte Peter Riehle, US-Vorstandschef (CEO) des deutschen Maschinenbauers Wittenstein. „Für unser Unternehmen ist Planbarkeit wichtig“, betonte Riehle in einem Gespräch mit der Börsen-Zeitung anlässlich einer Umfrage zu den Geschäftsaussichten deutscher Un­ternehmen in den USA.

„Schritt nach vorn“

Auf konkrete Prognosen für gesetzgeberische Initiativen der Biden-Regierung wollte sich Riehle, zuletzt auch Vorsitzender (Chairman) der Deutsch-Amerikanischen Handelskammern (AHK USA) noch nicht festlegen. „Wichtig ist, dass man miteinander spricht. Das ist ein ganz wichtiger Schritt nach vorn.“

Außerdem erwarten deutsche Firmen ein Ende der Handelskonflikte und eine Lockerung bei der Erteilung von Aufenthaltsgenehmigungen für ausländische Fachkräfte. „Viele deutsche Unternehmen hoffen auf einen offeneren Dialog beim Thema Freizügigkeit und Visa“, ergänzte Crispin Teufel, CEO der Linde-Tochtergesellschaft Lincare Holdings in Florida, der Riehle als AHK-USA-Chairman nachfolgt.

Die von Bidens Vorgänger Donald Trump verschärften und häufig von Twittermeldungen flankierten Handelskonflikte sowie der härtere Kurs in der Immigrationspolitik hatten in den vergangenen Jahren für große Verunsicherung bei den deutschen Firmen gesorgt – trotz der generell als positiv erachteten Effekte von Steuersenkungen und Deregulierung.

„Wir sind momentan in einer guten Steuerklasse in den USA und hoffen natürlich, dass es dabei bleibt“, sagte Andreas Fibig, Chairman der Kammer in New York und Vorstandschef des großen amerikanischen Duft- und Aromaherstellers International Flavors & Fragrances. Fibig warnt allerdings vor allzu überzogenen Erwartungen der Europäer an Veränderungen in den transatlantischen Wirtschaftsbeziehungen. „Die Biden-Regierung wird sicherlich die Interessen der amerikanischen Wirtschaft vertreten“, betonte Fibig.

Offener Marktzugang und Visaerleichterungen gelten bei deutschen Unternehmen laut der Umfrage gleichwohl als wichtigste politische Voraussetzungen für weiteres Wachstum, noch vor Investitionen in Infrastruktur und Steuergesetz­gebung.

Die Deutsch-Amerikanischen Handelskammern und die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG hatten für ihre jährliche Umfrage zu den Geschäftsaussichten deutscher Unternehmen in den USA bewusst die Präsidentschaftswahlen Anfang November abgewartet. Angesichts des Wahlergebnisses und einer all­gemeinen Hoffnung auf ein Ende der Corona-Pandemie und wirtschaft­liche Erholung überwiegt der Opti­mismus.

Die große Mehrheit der 166 befragten US-Tochtergesellschaften (92%) rechnet trotz deutlicher Einbußen im vergangenen Jahr für das laufende Geschäftsjahr mit Umsatzwachstum. Zwar ist der Anteil von Unternehmen, die 2021 mit einer Wachstumsminderung rechnen (8%), wegen der anhaltenden, pandemiebedingten Unsicherheit überdurchschnittlich hoch. „Aber auch wenn die Coronakrise für eine wirtschaftliche Eintrübung sorgt, kann sie den generellen Optimismus deutscher Unternehmen in den USA nicht stoppen“, resümierte Andreas Glunz, Bereichsvorstand International Business bei KPMG in Deutschland.

Wichtiger Markt

Gestützt wird der Optimismus auch von der Erkenntnis, dass 90% der befragten Unternehmen im vergangenen Jahr trotz der in den USA besonders starken Auswirkungen der Pandemie profitabel war. Das war ein fast gleich hoher Anteil wie im Vorjahr (93%) wobei das Ergebnisniveau insgesamt etwas nachließ.

Die Bedeutung des amerikanischen Marktes für deutsche Unternehmen ist ungebrochen hoch. Mehr als ein Drittel der befragten Unternehmen erwirtschaftet in den Vereinigten Staaten mehr als ein Fünftel des gesamten Konzernumsatzes. Mehr als vier Fünftel der Firmen wollen im laufenden Jahr zudem ins US-Geschäft investieren, mehr als zwei Fünftel neue Mitarbeiter einstellen.

Die Corona-Pandemie bleibt gleichwohl die größte Herausforderung für die deutschen Firmen in den Vereinigten Staaten – noch vor dem Dauerthema Fachkräftemangel. KPMG-Bereichsvorstand Glunz stellt den US-Töchtern aber ein gutes Zeugnis für den Umgang mit der Krise aus – etwa bei der Umstellung auf das Arbeiten von zu Hause und der allgemeinen Digitalisierung der Geschäftsabläufe.

Viele Unternehmen rechnen wegen des Digitalisierungsschubs zudem mit nachhaltigen Veränderungen – mehr als die Hälfte der befragten Firmen wird auch in Zukunft viele Besprechungen per Videokonferenz abhalten.

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