Deutsche Start-ups müssen sich strecken
Deutsche Start-ups müssen sich strecken
Finanzierungsvolumina brechen 2023 weiter ein – Deutlich mehr Insolvenzen
ak Düsseldorf
Das Geld der Investoren sitzt nicht mehr locker. Die Finanzierungsvolumina für deutsche Start-ups sind 2023 eingebrochen. Doch nicht alle Branchen hat es gleichermaßen getroffen. Geldgeber verlangen ein gut durchdachtes Geschäftsmodell und realistische Umsatzprognosen sowie die Aussicht auf Gewinn.
Für Start-ups in Deutschland ist es 2023 deutlich schwieriger geworden, an frisches Geld zu kommen. Das Finanzierungsumfeld hat sich weiter verschlechtert. Insgesamt 6 Mrd. Euro flossen in 861 Finanzierungsrunden an Jungunternehmen hierzulande, wie EY in ihrem am Dienstag veröffentlichten Start-up-Barometer schreibt. Das Volumen an Risikokapitalfinanzierungen ist im vergangenen Jahr um 39% zurückgegangen. Es war der zweite deutliche Einbruch in Folge. Im Rekordjahr 2021 hatte das Finanzierungsvolumen mit gut 17 Mrd. Euro noch fast dreimal so hoch gelegen.
„Investoren agieren nach wie vor sehr zurückhaltend und legen ihr Geld selektiv an. Das Umfeld ist geprägt durch Inflation, hohe Zinsen, die schwierige geopolitische Weltlage und eine schwache Konjunkturentwicklung“, analysiert EY-Partner Thomas Prüver. Um auch in diesen schwierigen Zeiten an frisches Kapital zu kommen, reichten für Jungunternehmen gute Ideen allein nicht mehr aus. „Solide und gut durchdachte Geschäftsmodelle in Verbindung mit realistischen Umsatzprognosen und der Aussicht auf Profitabilität sind in den Augen der Geldgeberinnen und Geldgeber aktuell das A und O“, kommentiert Prüver.
Fast 300 Firmen gehen in die Knie
Denn gegenläufig zu den sinkenden Volumina entwickeln sich auch die Insolvenzzahlen. 299 Jungunternehmen sind nach den Angaben der Datenbank Startupdetector im vergangenen Jahr pleitegegangen, 66% mehr als im Jahr zuvor. Eine der aufsehenerregendsten Insolvenzen war die des Solartechnik-Unternehmens Sono Motors, das ein Elektroauto mit Solarmodulen entwickeln wollte. Doch auch andere stark finanzierte Start-ups wie Elinvar oder der Kreditkarten-Anbieter Xpay mussten die Segel streichen.
Die aktuellen schrumpfenden Finanzierungszahlen für Start-ups erklären sich auch durch den Rückgang großer Deals von mehr als 100 Mill. Euro: Waren es im Jahr 2022 noch 19 Mega-Investments, sank deren Zahl auf acht im vergangenen Jahr. 2021 waren sogar 33 derart große Runden gezählt worden. Das mit Abstand meiste Geld sammelte im abgelaufenen Turnus die Heidelberger KI-Hoffnung Aleph Alpha ein, die im November mehr als 500 Mill. Dollar von Lidl-Eigner Dieter Schwarz, Bosch, SAP und anderen Investoren erhielt. Dadurch schoss auch das gesamte Investitionsvolumen für Start-ups im Bereich künstliche Intelligenz in die Höhe und stieg von 220 auf 943 Mill. Euro.
Die größten Finanzierungsrunden 2023 | |
Start-up | Finanzierungssumme in Mill. Euro |
Aleph Alpha | 463 |
Enpal | 215 (Januar) |
1Komma5° | 215 |
Helsing | 209 |
Enpal | 160* (Dezember) |
Isar Aerospace | 155 |
Flink Food | 150 |
Jolt Energy | 150 |
Integrity Next | 100 |
Urban Sports Club | 95 |
In Software und Analytics insgesamt flossen mit gut 2 Mrd. Euro die meisten Mittel, auch wenn das Finanzierungsvolumen trotz des KI-Booms um ein Drittel zurückging. Der Grund: Der Subsektor Software as a Service zog mit 918 Mill. Euro nur noch halb so viele Investorengelder an wie ein Jahr zuvor.
Nachhaltigkeit zieht
Die Entwicklung in anderen Branchen verlief nach Angaben von EY sehr unterschiedlich: Die Finanzierung von Fintechs (499 Mill. Euro) und Mobility-Start-ups (538 Mill. Euro) brach jeweils um rund 60% ein. Dagegen blieben Energie-Start-ups mit Einnahmen von 998 Mill. Euro nur knapp unter dem Niveau des Vorjahres. Ähnlich stabil steht der Bereich E-Commerce da, hier wurden im vergangenen Jahr 633 Mill. Euro investiert und damit nur 2 Mill. Euro weniger als 2022.
Das Investoreninteresse an Nachhaltigkeitsinvestments ist ungebrochen: Jeder vierte Euro und damit 1,5 Mrd. Euro seien 2023 an Start-ups geflossen, die sich ESG-Themen widmen. Das entspricht dem Volumen von 2022. Gut 800 Mill. Euro davon wurden in Unternehmen investiert, die sich mit der Energiewirtschaft befassen. An Climate- oder Green-Tech-Firmen gingen 143 Mill. Euro.