Handel, Hotels und Gastronomie

Deutsche Wirtschaft erwartet von Fußball-EM nicht allzu viel

Am 14. Juni beginnt die Fußball-Europameisterschaft in Deutschland. So wie Fans mit Blick auf das Abschneiden der deutschen Nationalelf nur mäßig optimistisch sind, so sind auch die Erwartungen von Handel, Hotels und Gastronomie hinsichtlich zusätzlicher Umsätze lediglich verhalten positiv.

Deutsche Wirtschaft erwartet von Fußball-EM nicht allzu viel

Wirtschaft erwartet von Fußball-EM nicht allzu viel

Einzelhandel rechnet mit Zusatzumsatz von 3,8 Mrd. Euro – Hotels und Gastronomie in verhaltener Stimmung – Standort, Betriebstyp und Konzept wichtig

In knapp vier Wochen beginnt die Fußball-Europameisterschaft in Deutschland. So wie Fans mit Blick auf das Abschneiden der deutschen Nationalelf nur mäßig optimistisch sind, so sind auch die Erwartungen von Handel, Hotels und Gastronomie hinsichtlich zusätzlicher Umsätze lediglich verhalten positiv.

md Frankfurt

Anlässlich der bevorstehenden Fußball-Europameisterschaft (14. Juni bis 14. Juli) schätzt der Handelsverband Deutschland (HDE) die zusätzlichen Umsätze im Einzelhandel auf 3,8 Mrd. Euro. Wie eine Umfrage von HDE und des Marktforschers Appinio unter 1.000 Personen im Alter von 16 bis 65 Jahren ergab, sind vor allem Lebensmittel und Fanartikel gefragt. „Im Einzelhandel sorgen große Sportereignisse immer wieder für Umsatzimpulse. Die diesjährige Heim-EM könnte den Konsum in einzelnen Branchen und Warengruppen ankurbeln“, so HDE-Hauptgeschäftsführer Stefan Genth.

Snacks, Grillgut und Getränke

Wie die Umfrage zeigt, sind Lebensmittel zu diesem Anlass besonders beliebt. Über 41% der Befragten planen den Kauf von Snacks, Grillgut, Getränken und anderen Lebensmitteln. Zu Fanartikeln wie Schals, Fahnen und Dekoartikeln greifen demnach 31%. Auch bei Sportartikeln, Produkten aus dem Bereich Wohnen und Garten, Spielwaren sowie Elektronik sei mit einzelnen Umsatzeffekten zu rechnen.

Wenn die deutsche Nationalmannschaft ein neues Sommermärchen erspielt und weit kommt, könnte das die Konsumstimmung spürbar steigen lassen.

Stefan Genth, Hauptgeschäftsführer des Handelsverbands Deutschland (HDE)

Von den Befragten, die zur Fußball-EM Ausgaben tätigen wollen, planen die meisten (32%) zusätzliche Einkäufe von 101 bis 200 Euro. Von Ausgaben zwischen 51 und 100 Euro gehen laut der Erhebung 28% aus, während 8% mehr als 500 Euro ausgeben wollen. „Die Entwicklung der EM-Umsätze im Einzelhandel hängt auch mit dem Turnierverlauf zusammen. Wenn die deutsche Nationalmannschaft ein neues Sommermärchen erspielt und weit kommt, könnte das die Konsumstimmung spürbar steigen lassen“, so Genth.

23 Prozent glauben ans Halbfinale

Die Mehrheit der Befragten zeigt Interesse an der EM. Fast 70% planen gemäß der Studie, möglichst alle oder ausgewählte Spiele des Turniers zu verfolgen. Auf das Abschneiden der deutschen Fußball-Nationalmannschaft blicken die Befragten indes mit gemischten Erwartungen: Jeder Vierte hält das Erreichen des Viertelfinales für wahrscheinlich, fast genauso viele (23%) gehen von einem Halbfinale mit deutscher Beteiligung aus; knapp ein Fünftel rechnet sogar mit dem Einzug ins Finale in Berlin.

Im Gastgewerbe rechnen zwei Drittel nicht mit Auswirkungen auf ihren Umsatz

Auch bei den deutschen Hoteliers und Gastronomen hält sich die Vorfreude auf die Fußball-Europameisterschaft im eigenen Land noch in Grenzen. Nur 15,5% aller gastgewerblichen Betriebe rechnen mit positiven Impulsen durch die Fußball-EM, wie eine Umfrage des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes (Dehoga) bei 1.340 gastgewerblichen Betrieben ergab. Der weitaus größte Teil (67%) erwartet demnach keine Auswirkungen, während 17,4% noch keine Prognose wagt. Jeweils rund drei Viertel der befragten Hoteliers und Gastronomen gehen laut der Studie nicht von mehr Gästen oder Umsatzzuwächsen aus.

Ein Großereignis wie die EM kann zum Teil auch Stammgeschäft verdrängen.

Guido Zöllick, Präsident des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes (Dehoga)

„Ein Großereignis wie die EM kann zum Teil auch Stammgeschäft verdrängen“, erklärte Dehoga-Präsident Guido Zöllick die Zurückhaltung. So würden weniger oder kürzere Kongresse stattfinden, auch kämen weniger Geschäftsreisende.

Die Branche freue sich dennoch auf die Fußball-EM. „Auch wenn nicht alle Gastgeber unmittelbar von einem sportlichen Mega-Ereignis dieser Art profitieren, sind die möglichen positiven Effekte für eine Stimmungsaufhellung im Land und für die Stärkung des Tourismusstandortes Deutschland nicht zu unterschätzen“, sagt Zöllick. Bei der Weltmeisterschaft 2006 hätten Deutschlands Gastgeber bewiesen, dass sie bestens aufgestellt seien. „Das positive, sympathische Deutschlandbild, das wir alle zusammen abgegeben haben, wirkt bis heute.“ Zöllick hoffe, dass auch die Heim-EM 2024 viele Gäste zum Wiederholungsbesuch motiviert.

Mehr Zuversicht an Spielorten

Erwartungsgemäß zuversichtlicher als die Gesamtbranche zeigen sich die Hotels und Gastrobetriebe in den Spielorten. Es sind zehn: Frankfurt, Köln, Dortmund, Düsseldorf, Gelsenkirchen, Hamburg, Leipzig, München, Stuttgart und Berlin; das dortige Olympiastadion wird Austragungsort des Endspiels sein. Hier erhofft sich fast jeder zweite Unternehmer positive Impulse durch die Fußball-EM. Diesen steht allerdings ein Drittel gegenüber, die das verneinen. Ein Fünftel der Befragten gab an, die Auswirkungen noch nicht beurteilen zu können.

Etwas mehr als 42% der Umfrageteilnehmer in einem der zehn Spielorte gehen von mehr Gästen aus, 40,5% sagen keine Veränderung voraus, gut 17% geben noch keine Prognose ab. Auch beim Umsatz ist das Bild zweigeteilt: 39% hoffen auf Zuwächse, etwa 44% rechnen nicht mit einem EM-Schub durch die Fußball-EM, und 17% können die Folgen noch nicht beurteilen.

Viel positiver als der Durchschnitt

Besser gestimmt als der Durchschnitt geben sich auch die Stadt- und Tagungshotels sowie die getränkegeprägte Gastronomie, die sich in den Spielorten befinden: Hier geht laut dem Dehoga fast jeder dritte Betrieb von positiven Effekten aus. Bei den Stadt- und Tagungshotels seien es 30%, bei den Bars, Kneipen und Schankwirtschaften fast 32%.

Dehoga-Präsident Zöllick ist sich indes sicher, dass die Vorfreude auf die Fußball-EM in den nächsten Wochen steigen wird. Viele Gastronomen planten derzeit Fußball-Menüs, EM-Partys und Public-Viewing-Veranstaltungen, um damit bei ihren Gästen zu punkten. Für den Erfolg werde es auch darauf ankommen, ob das Wetter mitspielt und wie gut das deutsche Team abschneidet.

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