Deutscher Flugverkehrsmarkt wird neu sortiert
Mit der Übernahme des Chefsessels bei Air Berlin durch einen Lufthanseaten stellt sich die Frage, ob der nach der Zerschlagung übrig gebliebene Rest der Berliner an die Lufthansa geht.ge Berlin – Die Frage hat über kurz oder lang angestanden: Was passiert mit der verbleibenden Hälfte von Air Berlin, nachdem Deutschlands einstmals zweitgrößte Fluggesellschaft erst ihr Tourismusgeschäft ausgegliedert und dann 38 Jets samt Besatzung in einem Wet Lease mit der Deutschen Lufthansa abgespalten hat? Dass die verbleibenden 75 Flugzeuge als Netzwerkcarrier – quasi als kleine Lufthansa – mit einem deutlich ausgebauten Langstreckenverkehr in die USA profitabel fliegen könnten, glaubt kaum ein Luftfahrtexperte – zumal die USA-Strecken schon heute als überbesetzt gelten.Dass sich die Frage der Air-Berlin-Zukunft aber so schnell stellt, überrascht dann doch: Mit dem am Wochenende erfolgten Austausch der Air-Berlin-Spitze, wobei Lufthanseat Thomas Winkelmann Stefan Pichler ersetzt, steht die Frage im Raum, ob das mutmaßlich ohnehin zum Scheitern verurteilte restliche Air-Berlin-Geschäft nicht gleich komplett zur Lufthansa wandert. Die leidgeprüften Aktionäre klammerten sich gestern an diesen Hoffnungsschimmer und bescherten der anämischen AB1-Aktie einen selten gesehenen Steigflug. In der Spitze lagen die Papiere von Air Berlin mit 72 Cent um ein Viertel über dem Schlusskurs am Freitag. Der höchste Stand liegt fast zehn Jahre zurück, als das Papier 21,50 Euro kostete. Wie Ryanair abblocken?Für die Lufthansa ist die Überlegung, was mit dem Air-Berlin-Geschäft geschieht, deutlich gewichtiger als der Sprung um ein paar Cent nach oben. Der Kranich-Airline geht es dabei weniger um den lange bekämpften Konkurrenten aus Berlin, sondern – viel wichtiger – um das Abblocken der weit aggressiveren Wettbewerber Ryanair und Easyjet, die jede Möglichkeit nutzen, einen Fuß in den hiesigen Markt zu setzen. Und als europäische Airlines haben beide freien Zugang zu jedem EU-Markt – was sie schon heute reichlich nutzen.Während aus Regierungskreisen verlautete, die Politik würde eine deutsch-deutsche Lösung durchwinken, verweigerten Lufthansa und Air Berlin jeglichen Kommentar. Das Bundeskartellamt vermutet in einer ersten Reaktion, dass ein Zusammengehen beider Gesellschaften eher ein Fall für die Europäische Wettbewerbsaufsicht wäre. Bonn wie Brüssel prüfen in ähnlichen Fällen aber jede einzelne Strecke, jeden einzelnen der an begehrten Flughäfen raren Slots, also Start- oder Landerechte. Hier könnten Lufthansa gerade an wichtigen Airports wie ihren Drehkreuzen in Frankfurt und München deftige Auflagen von den Wettbewerbshütern als Gegenleistung für eine mögliche Übernahme von Air Berlin drohen.Auch wenn es heißt, erste Gespräche zwischen Lufthansa und Etihad, dem Air-Berlin-Großaktionär mit seinen gut 29 % Anteilen, würden bereits geführt, bleibt nicht zuletzt die Frage, wer den milliardenhohen Schuldenberg der chronisch defizitären hauptstädtischen Airline mit ihrem negativen Eigenkapital von ebenfalls gut 1 Mrd. Euro übernimmt. Die Lufthansa fühlt sich dafür nicht zuständig. Die Kranich-Airline muss gleichwohl Interesse daran haben, dass die Berliner am Leben bleiben, haben sie mit ihnen doch erst am Freitag einen Wet-Lease-Vertrag über 38 Maschinen vereinbart, die für die Tochter Austrian und die konzerneigene Billigfluglinie Eurowings fliegen sollen.—– Personen Seite 12