Studie

Deutschland lockt als Standort weniger Kapital an

Der hohe Lebensstandard, die öffentliche Sicherheit und politische Stabilität machen Deutschland nach wie vor zu einem sicheren Hafen für langfristige Investitionen von ausländischen Unternehmen.

Deutschland lockt als Standort weniger Kapital an

kro Frankfurt

− Internationale Konzerne mit deutschen Tochtergesellschaften planen hierzulande laut einer Umfrage in den kommenden Jahren deutlich weniger umfangreiche Investitionen als noch vor vier Jahren. Hatten im Jahr 2017 noch 34 % der damals befragten Finanzchefs der größten deutschen Tochtergesellschaften global agierender Unternehmen angegeben, in den nächsten fünf Jahren mindestens 10 Mill. Euro jährlich in Deutschland in die Hand nehmen zu wollen, trifft das mittlerweile nur noch auf 19 % zu. Dies geht aus der neuen „Business Destination Germany 2022“-Studie hervor, einer Umfrage unter 360 Managern − hauptsächlich CFOs −, die das Meinungsforschungsinstitut Kantar im Auftrag der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG von Mitte Juni bis Mitte August durchgeführt hat. Die Studie konzentrierte sich dabei auf Vertreter deutscher Töchter von ausländischen Mutterkonzernen aus den acht größten Investorenländern USA, China, Japan, Großbritannien, Frankreich, Niederlande, Schweiz und Österreich.

„Das ist schon eine dramatische Verminderung“, sagte Andreas Glunz, Bereichsvorstand International Business bei KPMG, der Börsen-Zeitung. Zwar sei die grundsätzliche Einstellung der Befragten mit Blick auf die Zukunft derzeit sehr positiv. So rechnen 59 % mit einer besseren oder sehr viel besseren Entwicklung der Geschäfte im Jahr 2022 − mittelfristig sind es sogar 70 %. „Die Unternehmen werden dennoch weniger in Deutschland investieren“, sagt Glunz. „Das deutet darauf hin, dass im internationalen Vergleich der Standort Deutschland an Attraktivität verloren hat.“

In der Studie wurden die Finanzchefs nicht nur zu ihren Investitionsplänen an sich befragt, sondern auch zu ihrer Wahrnehmung über insgesamt 16 Standortfaktoren in Deutschland im Vergleich zur restlichen EU. Dabei hat sich gezeigt, dass die Bundesrepublik für bestimmte Stärken wie etwa den hohen Lebensstandard, die öffentliche Sicherheit und die politische Stabilität nach wie vor besonders geschätzt wird. Mehr als 40 % der Befragten zählen Deutschland bei 10 der 16 Faktoren zu den Top-5-EU-Ländern. Deutliche Verbesserungen gab es zudem bei der Verfügbarkeit von qualifizierten Fachkräften.

Zu träge für Transformation

Gleichzeitig hat sich die Einschätzung bei einigen Faktoren im Vergleich zur vorherigen Umfrage aber auch verschlechtert. Demnach habe Deutschland vor allem bei der Arbeitsproduktivität, der logistischen Infrastruktur und der Prozessautomatisierung an Wettbewerbsfähigkeit eingebüßt. Auch mit Blick auf die im internationalen Vergleich hohen Steuern ist die Akzeptanz weiter eher gering. Nur 20 % der Investoren zählen die Bundesrepublik hier zu den fünf attraktivsten Standorten in der EU. Der Anteil derjenigen, die Deutschland in Steuerfragen zu den fünf unattraktivsten EU-Ländern zählen, hat sich leicht von 23 % im Jahr 2019 auf 25 % erhöht. Für die meisten (52 %) rangiert die Bundesrepublik in der Angelegenheit nach wie vor im Mittelfeld.

„Die Schwächen des Standorts aus den vergangenen Befragungen haben sich nicht verbessert“, konstatiert Glunz. „Zugleich haben sich grundlegende Stärken verschlechtert.“ Dabei müssten sich Unternehmen heutzutage vielen großen Herausforderungen gleichzeitig stellen, darunter der Digitalisierung, der Nachhaltigkeit, dem demografischen Wandel und auch geopolitischen Entwicklungen. „In dieser Welt im Umbruch kommt es darauf an, Unternehmen ein Umfeld zu bieten, das es ihnen ermöglicht, innovativ und agil tätig zu sein. Leider ist es so, dass in allen wesentlichen Herausforderungen, die das betrifft, kein Fortschritt erzielt wurde: Digitalisierung, Infrastruktur, Bürokratie, Staatsquote, Arbeitsproduktivität.“

Digitalisierung noch dürftig

Am schwächsten hat Deutschland bei der digitalen Infrastruktur abgeschnitten − nur 13 % bescheinigen dieser im EU-Vergleich eine fortschrittlich-überzeugende Qualität. 9 % sehen Deutschland dagegen in der Angelegenheit als Schlusslicht. Hier kann sich die Bundesrepublik aus Sicht von Glunz vor allem ein Beispiel an China nehmen. „Digitalisierungsweltmeister aus meiner Sicht ist China“, sagt er. Das Land habe in dem Bereich am meisten investiert und nun in vielen Indus­trien, die eigentlich den Kern der deutschen Wirtschaft ausmachen, die Nase vorn. Deutschland müsse sich somit zunehmend auch darauf konzentrieren, Innovationen von China nach Europa zu bringen, und nicht nur darauf, den Technologietransfer in die andere Richtung abzuwehren.

„Chinesischen Unternehmen geht es hierzulande in letzter Zeit nicht ausschließlich um Übernahmen, sondern auch um Greenfield-Investitionen, also die Errichtung komplett neuer Tochterunternehmen“, sagt Glunz. Generell würden chinesische Unternehmen derzeit positiv auf Deutschland blicken. Noch wohlwollender stünden Frankreich und Japan der Bundesrepublik gegenüber. Die kritischsten Äußerungen kämen dagegen aus der direkten Nachbarschaft, also aus den Niederlanden und Österreich.