Deutschlands Autobauer auf Expedition ins Neuland
Von Sebastian Schmid, FrankfurtDie Coronakrise hat die Automobilindustrie schwer getroffen. Die Absatzzahlen brechen ein. An den fundamentalen Trends hat die Krise allerdings nichts geändert und beschleunigt diese eher noch. So sehen es auch die derzeitigen Konzernchefs in Deutschlands Vorzeigebranche. Wenn man die aktuelle Entwicklung verfolgt, muss man allerdings fürchten, dass die Autobauer auch nach Jahren intensiver Forschung und Entwicklung bei der Digitalisierung weit hinterherhinken. So hat Volkswagen die Auslieferung des Golf 8 wegen Softwareproblemen gestoppt. Statt eines Updates aus der Ferne verspricht den Golf-Kunden derzeit nur die Fahrt in die Werkstatt eine Lösung ihrer Probleme.Das von Konzernchef Herbert Diess ausgegebene Ziel bleibt damit vorerst ein Wolfsburger Wunschtraum. Der ID.3 muss indes dem Vernehmen nach mit weniger Funktionen als geplant ausgeliefert werden, um das Ziel für den Verkaufsstart nicht zu verfehlen.Derweil offenbarte Daimler-CEO Ola Källenius am Montag in einem Interview mit dem “Handelsblatt”, wie weit Wunsch und Wirklichkeit auch bei dem Stuttgarter Autobauer noch auseinanderliegen. So soll das eigene Betriebssystem von Mercedes eine Art Windows fürs Auto werden. Mit einem globalen Pkw-Marktanteil von knapp 3 % kommt man derweil nur auf einen halb so hohen Anteil wie etwa Apples Mac-Rechner im PC-Geschäft. Windows liegt bei mehr als 90 % – ein entscheidender Faktor für dessen überlegene Auswahl an Drittanbietersoftware. Eine vergleichbar mächtige Plattform wie Windows dürfte MB.OS daher kaum werden können.Das heißt nicht, dass der Ansatz falsch wäre. Sowohl Volkswagen als auch Daimler haben erkannt, dass Software in Zukunft eine wesentliche Einnahmequelle sein kann. Der US-Wettbewerber Tesla macht es längst vor. Das Fahrassistenzmodul Autopilot ist bereits nachträglich als Software-Update zu haben – für aktuell 6 300 Euro. Wird dieses künftig weiter verbessert, behält sich Tesla vor, den Preis anzuheben, und hat dies in der Vergangenheit auch schon mehrfach getan. Auch Upgrades für ein effizienteres Batteriemanagement, sportlicheres Fahrverhalten oder das neueste Infotainment-System hatten die Kalifornier schon im Angebot – und kostenlose Updates gibt es obendrauf.Die beschleunigte Digitalisierung kommt für die deutschen Autobauer offenbar zu früh. Sie reden derzeit noch über das Neuland, das sie gerne betreten würden. Unbesiedelt ist dieses aber nicht. Tesla hat sich dort schon längst breitgemacht und auch Google und Apple warten schon mit anderen Autobauern als Partner.——Die Coronakrise beschleunigt die Digitalisierung auch in der Automobilindustrie.——