Deutschlands größter Aluhersteller drosselt Produktion
Von Antje Kullrich, Düsseldorf
Wie reagiert einer der größten deutschen Energieverbraucher, wenn die Preise für Strom plötzlich durch die Decke schießen? Der Aluminiumhersteller Trimet benötigt für die Produktion des Leichtmetalls jährlich etwa 6 Terawattstunden Strom – das sind 6 Mrd. Kilowattstunden oder rund 1% der deutschen Bruttostromerzeugung. Die hohen Preise haben Trimet zu einer drastischen Reaktion veranlasst: Der Konzern habe die Elektrolyseproduktion um durchschnittlich 30% zurückgefahren, wie Vorstandschef und Eigner Philipp Schlüter im Gespräch mit der Börsen-Zeitung erläutert. Den eingesparten Strom, den sich Trimet über Terminkontrakte längst gesichert hatte, kann das Unternehmen jetzt weiterverkaufen. „Der Erlös ist höher, wenn wir derzeit nicht produzieren“, sagt Schlüter. „Die Entscheidung haben wir getroffen, als die Strompreise zum ersten Mal über ein ganzes Quartal hinaus bei mehr als 300 Euro je Megawattstunde standen“, sagt Schlüter. Trimet sah sich mit der verrückten Situation konfrontiert, dass der Preis für die 14,5 Megawattstunden Strom, die für die Herstellung von einer Tonne Aluminium benötigt werden, teilweise höher lag als der Preis für die Tonne Alu.
„Wir haben an allen drei Standorten die Produktion gedrosselt. Die Haltelinie waren die physischen Verträge, die wir in den Büchern und zu erfüllen haben“, führt Schlüter aus. Doch auf die fehlende Nachfrage aus der Automobilindustrie, deren Bänder wegen des Chipmangels teilweise stillstehen, kann das Aluproduzent jetzt gut reagieren. Eine der Anlagen für Hüttengusslegierungen, die fast ausschließlich für die Fahrzeugbranche produziert, wird bis auf Weiteres aus der Produktion genommen.
Zu der Strompreis-Problematik gesellte sich kürzlich jedoch noch eine weitere Krise: Ein weiterer wichtiger Rohstoff für Aluminium ist Magnesium. Da mehr als 85% der Weltproduktion aus China kommt, aber die Produktion dort vor Wochen von der Regierung wegen Energieengpässen nahezu eingestellt worden war, schoss der Preis ebenfalls in die Höhe und das Material wurde weltweit knapp. Eigentlich hatte Trimet die Produktion abgesichert, doch dann drohten einige der Lieferanten die Verträge mit Trimet nicht zu erfüllen. „Es war eine angespannte Situation“, sagt Schlüter. „Aber es bestand nie die Gefahr, unsere Kunden nicht beliefern zu können.“
Die Lage beim Magnesium hat sich inzwischen wieder entspannt. Doch für den Unternehmer steht fest: „Wir haben nicht nur große Verwerfungen, wir haben sie auch in immer kürzeren Abständen.“
Kein Traum vom IPO
Für Schlüter ist deshalb eine gewisse Distanz zum Kapitalmarkt erwünscht: „Wir sind glücklich, nicht an der Börse notiert zu sein.“ Für Trimet, die auch mal einen Schuldschein begibt, hätte ein Going Public laut Schlüter wesentliche Nachteile. „Mir reißt jetzt keiner den Kopf ab, wenn wir in einem Quartal das Working-Capital-Ziel nicht erreichen. Um mit solchen Risiken umgehen zu können, haben wir teilweise erhebliche Bestände. Wir können es uns nicht leisten, in Situationen wie in diesem Jahr 12000 Dollar für eine Tonne Magnesium zu zahlen.“ Und Schlüter sagt auch: „Wir fahren jetzt mehr Bestände, um mit der volatilen Situation umzugehen.“
Trimet ist der größte deutsche Hersteller von Primäraluminium. Dennoch spielt der Konzern, der 1985 von Heinz-Peter Schlüter gegründet wurde, im Weltmaßstab nur eine ganz kleine Rolle. Im abgelaufenen Geschäftsjahr 2020/21 (30. Juni) lag der Umsatz bei knapp 1,2 Mrd. Euro, der Jahresüberschuss bei 17 Mill. Euro. Denn angesichts grundsätzlich hoher Energiepreise ist Deutschland als Standort für die Produktion des Leichtmetalls, bei dem Strom 40% der Vorprodukte ausmacht, eigentlich nicht besonders geeignet. Trimet als Hersteller gefragter Spezialitäten kommt auf weniger als 1% der weltweiten Produktionsmenge.
Absatz ganz regional
In der Pandemie allerdings, als Lieferwege plötzlich schwierig wurden, hat sich die Nähe zu den Kunden bewährt. Denn hier agiert Trimet äußerst lokal: 90% der Produkte aus dem Werk am Hauptstandort Essen gehen laut Schlüter an Kunden in einem Umkreis von nur 200 Kilometern.
„Ich glaube, es wird sich im Markt etwas verändern“, meint der Trimet-Chef. „Viele Unternehmen in unserer Branche werden sich, was die Lieferanten angeht, stärker diversifizieren wollen. An eine große europäische Produktion glaube ich aber nicht.“
Die aktuellen Marktverwerfungen bei den Rohstoffen hält Trimet noch eine Weile aus: „Wir haben unsere Sicherungsgeschäfte getätigt, auch für länger als ein Jahr. Aber wir brauchen immer noch Fenster, in denen die für uns relevanten Preise – für Strom, Tonerde, Anoden – zueinander passen.“ Im Moment sei das nicht der Fall.
Philipp Schlüter setzt für die Zukunft auf die Flexibilität, mit der Trimet schon immer agiert hat. „Wir passen unsere Strategie ständig unserem Umfeld an.“
„Ich schließe nicht aus, dass wir – um mit unseren Risiken umzugehen – in andere Assets investieren.“ Als Beispiele nennt Schlüter Anteilserwerbe an Tonerde-Raffinerien oder Offshore-Windparks. Tonerde ist industriell hergestelltes Aluminiumoxid. Trimet würde damit die Wertschöpfungskette hochwandern und sich einen besseren Zugang zu den beiden wichtigsten Vorprodukten sichern.
Gleichzeitig ist grüner Strom für Trimet essenziell auf dem Weg zur Reduzierung von CO2-Emissionen. Der Familienkonzern und Energiefresser will bis 2045 klimaneutral werden. Deutlich kurzfristiger ist ein anderer Plan: Die nächste Finanzierung würde Schlüter gern mit dem Thema Nachhaltigkeit verbinden.