Neue Konzernstrategie

DHL erwägt Übernahmen, um Wachstumsinitiativen mit Leben zu füllen

Mit fünf divisionsübergreifenden Initiativen will DHL das Wachstum stärken. Geplant sind etwa Logistikdienste für Life Sciences & Healthcare, Neue Energien sowie in Wachstumsregionen. Bis 2030 soll der Umsatz gemessen am Wert von 2023 um 50% steigen.

DHL erwägt Übernahmen, um Wachstumsinitiativen mit Leben zu füllen

DHL ist für Übernahmen offen

Logistikkonzern nennt fünf Wachstumsfelder – Umsatz soll bis 2030 um 50 Prozent steigen

md Frankfurt

Der Logistikkonzern DHL (ehemals Deutsche Post) strebt bis 2030 ein Umsatzwachstum von 50% im Vergleich zu 2023 (81,76 Mrd. Euro) an; das wären dann etwa 123 Mrd. Euro. Diese Vorgabe ist Teil der „Strategie 2030 – Nachhaltiges Wachstum Beschleunigen“, die der Dax-Konzern am Dienstag vorstellte. Das avisierte Wachstum entspricht nach Angaben von Vorstandschef Tobias Meyer einem jährlichen Anstieg um 5,9%. Er betonte: „In dieser Strategie geht es primär um Wachstum.“

Dr. Tobias Meyer (Jahrgang 1975), Vorstandsvorsitzender der DHL Group (ehemals Deutsche Post) seit Mai 2023, bestellt bis März 2027. Foto: Christoph Papsch/DPDHL

Gleichwohl äußerte CFO Melanie Kreis die Erwartung, dass sich der erwartete Umsatzanstieg auch im Ebit (Ergebnis vor Zinsen und Steuern) und im freien Cashflow niederschlagen werde. Meyer zufolge gelte es, in den Divisionen Global Forwarding, Freight (Warentransport über Schiene, Straße, den Luft- und Seeweg) und Supply Chain (Kontraktlogistik und Lager-Dienstleistungen) Margenpotenziale zu heben; auch im E-Commerce (inländische Pakettransporte ohne Deutschland) gebe es Verbesserungsmöglichkeiten hinsichtlich der Rendite. In Bezug auf die Sparte Express (zeitgenaue internationale Sendungen) wies der CEO auf die Zyklizität des Geschäft hin; die nicht genutzten Kapazitäten im Netzwerk belasteten derzeit die Marge.

Fünf cross-divisionale Wachstumsinitiativen

„Die DHL Group will ihr volles Wachstumspotenzial durch divisionale und konzernweite Wachstumsinitiativen entfalten“, heißt es. Zusätzlich zu den Strategien der fünf Divisionen konzentriert sich DHL nun auf fünf Wachstumsinitiativen: Life Sciences & Healthcare, Neue Energien, Geografischer Fokus auf Wachstumsregionen, E-Commerce und Digital Sales. Insbesondere für Life Sciences & Healthcare, wo vermehrt spezialisierte Logistiklösungen wie temperaturgeführte Tiefkühl- oder Kryolagerung gebraucht werden, sowie zur Abdeckung von Wachstumsregionen kann sich Meyer Akquisitionen vorstellen. Allein die Initiativen Life Sciences & Healthcare und Neue Energien sollen 5 Mrd. bzw. mindestens 3 Mrd. Euro zum Konzernumsatz 2030 beitragen.

Meyer wies auf die strukturellen Veränderungen auf dem Pharmamarkt hin, die spezialisierte Logistiklösungen nötig machten. Nach seinen Angaben wird der Markt für Biopharma, Zell- und Gentherapien sowie klinische Studien zwischen 2023 und 2030 voraussichtlich im Schnitt jährlich (Compound Annual Growth Rate; CAGR) um mehr als 10% wachsen und sich damit deutlich stärker als das globale BIP-Wachstum entwickeln. Auf diesem Gebiet könne es zu „selektiven Akquisitionen“ kommen, sagte Meyer, da es schwierig und langwierig sei, auf organischem Wege das notwendige Know-how zu erlangen. Bis 2030 soll sich der Umsatz durch Life Sciences & Healthcare laut dem CEO auf 5 Mrd. Euro verdoppeln.

Know-how für Transport von Windradflügeln

Zur Initiative Neue Energien hieß es, die Umstellung auf erneuerbare Energien und die Transformation des Automobilsektors erforderten spezielle Logistiklösungen, z.B. den Umgang mit Windradflügeln oder Batteriespeichersystemen. Ein erwartetes Marktwachstum von jährlich mehr als 15% (CAGR) zwischen 2023 und 2030 biete DHL erhebliches Wachstumspotenzial.

Aufbauend auf ihrer starken globalen Präsenz und lokalen Expertise werde sich die Gruppe auf schnell wachsende Regionen konzentrieren, erklärte Meyer und nannte als Beispiele Indien, Mexiko und Südostasien. Damit nutze der Konzern Chancen, die sich aus den tiefgreifenden Veränderungen im Wachstum von Handelsströmen ergeben, sowie Möglichkeiten, die diversifizierte globale Lieferketten und Anforderungen schnell wachsender Unternehmen weltweit bieten. Um eine Abdeckung dieser Wachstumsregionen zu erreichen, die auf organischem Wege viele Jahre dauern würde, schloss Meyer auch hier Übernahmen explizit nicht aus.

Präsenz im E-Commerce-Markt stärken

DHL will zudem durch die cross-divisionale Initiative E-Commerce – nicht zu verwechseln mit dem Geschäftsbereich E-Commerce – ihre Präsenz im Online-Markt erweitern, indem es die Stärken der Divisionen für integrierte Angebote bündelt, z.B. kombinierte Fulfillment- und Letzte-Meile-Lieferungen. Nach Schätzung des Unternehmens wird der globale E-Commerce-Markt bis 2030 jährlich um 7% (CAGR) wachsen.

Schließlich erwarte DHL, dass digitale Vertriebswege zum Standard werden, um Kunden zu gewinnen und zu binden. Daher werde der Konzern sein digitales Vertriebsprogramm ausbauen, um verbesserte Online-Transaktionen für die Kunden innerhalb des gesamten Konzerns zu schaffen.

Rechtliche werden an Management-Strukturen angepasst

Gleichzeitig plane DHL eine Modernisierung der rechtlichen Struktur, um diese an die Managementstruktur anzupassen und eine schlanke divisionale Aufstellung zu gewährleisten. Dazu soll u.a. eine eigenständige Gesellschaft für das Post- und Paketgeschäft in Deutschland geschaffen werden. Während die Managementstruktur mit fünf Geschäftsbereichen einfach und klar sei, sei die zugrunde liegende rechtliche Struktur des Konzerns viel komplexer und teilweise überlappend, hieß es. „Die Anpassung soll diese Komplexität reduzieren und eine flexiblere und agilere Struktur schaffen.“ Das Unternehmen sei in seiner juristischen Struktur einfach zu komplex; mehr als 870 Gesellschaften seien unter seinem Dach aufgehängt – viele davon seien Akquisitionen gewesen (DHL, Danzas, Exel usw.).

Meyer steht zu Post & Paket Deutschland

Meyer stellte klar, dass es nicht darum gehe, die Abspaltung von Post & Paket Deutschland vorzubereiten. Die Sparte sei ein „Kernbestandteil unseres Portfolios“.

Während das Paketgeschäft der Sparte in den vergangenen Jahren florierte – insbesondere durch den boomenden Online-Handel in Zeiten der Pandemie –, schrumpfen seit langer Zeit die Sendungsmengen bei Briefen und Postkarten.

Der Name Deutsche Post soll weiter für die Aktivitäten von Post & Paket Deutschland verwendet werden. Diese technische Maßnahme soll zu keinen inhaltlichen Änderungen im Konzernportfolio, von Tarifverträgen und Schutzvereinbarungen, Managementverantwortlichkeiten oder anderen rechtlichen Verpflichtungen führen, betonten sowohl Meyer als auch Kreis. Zur Vereinfachung soll neben der Division Post & Paket Deutschland auch der Geschäftsbereich E-Commerce als eigenständige Gesellschaft etabliert werden. Die Umsetzung werde in beiden Fällen etwa ein bis zwei Jahre in Anspruch nehmen.

Melanie Kreis (Jahrgang 1971), Finanzvorstand der DHL Group (ehemals Deutsche Post) seit Oktober 2016, bestellt bis Mai 2027. Foto: Christoph Papsch/DPDHL

DHL hat für 2024 einen operativen Gewinn (Ebit) zwischen 6,0 und 6,6 Mrd. Euro prognostiziert (1. Halbjahr: 2,6 Mrd.). CFO Kreis machte deutlich, dass die Prognose stark vom Geschäftsverlauf im vierten Quartal abhängt. „Wir fühlen uns gut aufgestellt“, versicherte sie.

Kapitalrendite gewinnt an Bedeutung

Die DHL-Finanzchefin erklärte weiter, dass im Konzern künftig ein stärkerer Fokus auf den ROIC – also die Rendite auf das eingesetzte Kapital, gemessen am Ebit – gelegt werde. Ziel sei der Ausbau der langfristigen Wertschöpfungsbilanz durch anhaltende gezielte Investitionen in das Kerngeschäft. Seit der Umsetzung von IFRS 16 habe sich der ROIC von DHL von 11,0% (2018) bis 24,4% (2021) aufwärts entwickelt; die vergangenen zwei Jahre ging es aber bergab auf zuletzt 15,5% (2023). Kreis wies daraufhin, dass ohne Leasing die entsprechenden Werte bei 16,3%, 36,1% und 22,7% gelegen hätten. „Ohne Leasing und Goodwill hätte der ROIC 2023 sogar bei 41,8% gelegen“, sagte sie.

Aktienrückkaufprogramm zu 70 Prozent umgesetzt

Zum 2022 initiierten Aktienrückkaufprogramm im Volumen von 4 Mrd. Euro sagte Kreis, dass bis jetzt 2,8 Mrd. Euro ausgegeben worden seien. Bis Ende des Jahres sollen es 3 Mrd. Euro sein, der Rest werde bis Ende 2025 investiert.

Mit der Strategie 2030 bekräftige das Unternehmen zudem sein Engagement für die Dekarbonisierung. „Nachhaltigkeit“ werde als vierte Zieldimension in das etablierte „3-Bottom-Lines“-Strategierahmenwerk integriert.

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