IM INTERVIEW: ANDREA SALVATO UND LUTZ SCHÜLER

"Die aktuellen Bewertungen sind nicht teuer"

Liberty Global will in Deutschland weiter expandieren - Kartellamt keine "Straßensperre"

"Die aktuellen Bewertungen sind nicht teuer"

– Es sind raue Zeiten im deutschen Markt – der Rücktritt von Jens Schulte Bockum als Vodafone-Chef hierzulande war ohne Zweifel ein Signal dafür. Welche Ziele haben Sie in Deutschland? Steht Liberty Global bei der Konsolidierung auf der Käuferseite oder auf der Verkäuferseite?Schüler: Aus der Sicht von Unitymedia sind die Wachstumsperspektiven unverändert gut. Wir verkaufen erfolgreich breitbandiges Internet und Telefonie in unsere Kundenbasis. Die Durchdringung mit diesen Produkten liegt aktuell bei rund einem Viertel, das heißt, es sind noch drei Viertel übrig – viel Spielraum für Wachstum. Im TV-Bereich ist unsere Video-Plattform Horizon gut eingeschlagen mit 80 000 Neukunden im ersten Quartal. Hier bieten wir eine Plattform, die Videoinhalte aus allen möglichen Quellen – ob nun Fernsehen, on Demand oder Internet – zusammenführt und auf allen denkbaren Endgeräten verfügbar macht.- Dennoch: Die Konkurrenz, die Telekomnetzbetreiber, vollzieht den Schulterschluss – Vodafone und Kabel Deutschland, Telefónica und E-Plus -, die Telekom rüstet das Netz auf, spüren Sie davon nichts?Schüler: Die Konkurrenz schläft nicht, das ist richtig. Dennoch wachsen wir – 6 % im ersten Quartal -, und ich sehe keinen Grund, warum das in Zukunft anders sein sollte. Natürlich müssen wir weiter innovativ sein und Qualität sicherstellen, um unsere Kunden zu überzeugen.- Also steht Liberty Global in Deutschland auf der Käuferseite?Salvato: Deutschland ist ein fantastischer Markt und einer der wichtigsten Wachstumsmotoren in unserem Konzern. Ich würde sagen, wir sind darauf aus, hier mehr zu investieren. Das organische Wachstumspotenzial ist da, die anorganischen Expansionsmöglichkeiten sind limitiert. Wir schauen uns jede Möglichkeit an, um unser Geschäft auszubauen.- Vodafone hat seit längerem durchblicken lassen, dass man an Unitymedia interessiert ist. John Malone sprach nun davon, dass beide Unternehmen sehr gut zusammenpassen. Das klingt nach einem Big Deal. Gehen Sie auf Vodafone zu?Salvato: Bitte haben Sie Verständnis, dass wir den Äußerungen unseres Chairmans John Malone nichts hinzuzufügen haben.- Um das Geschäft in Deutschland zu arrondieren, gibt es auch andere Möglichkeiten. Wettbewerber wie Primacom und auch Tele Columbus gelten als Übernahmeziel. Sind Sie interessiert?Salvato: Tele Columbus ist inzwischen ein börsennotiertes Unternehmen. Die Gesellschafter haben also einen anderen Ausstiegsweg eingeschlagen. Wie ich sagte, wir wollen unser Geschäft in Deutschland ausbauen. Private Gesellschaften schauen wir uns natürlich an. Aber wir investieren auch in unsere Netze, in Aufrüstung und Ausbau dort, wo sich ein Lückenschluss anbietet, wie wir dies zum Beispiel kürzlich in Großbritannien getan haben, wo Virgin Media ihre Reichweite auf weitere vier Millionen Haushalte ausgedehnt hat.- Fürchten Sie Widerstand des Kartellamts, wenn Sie hierzulande zukaufen?Schüler: Was das Kartellrecht betrifft, so sind in der Vergangenheit ja durchaus Transaktionen gebilligt worden. Wir haben nach einem längeren Verhandlungsprozess grünes Licht für die Akquisition von Kabel Baden-Württemberg bekommen. Das war ein großer Schritt, den manche zuvor nicht für möglich gehalten hatten. Es war auch nicht das Kartellamt, das uns damals abgehalten hat, in einen Bieterwettbewerb um Kabel Deutschland (KDG) zu gehen. Zu dem Zeitpunkt kam nur gerade sehr unpassend eine kritische Entscheidung eines Oberlandesgerichts auf Klagen von Deutscher Telekom und Net Cologne. Die ist aber inzwischen durch einen Vergleich auch wieder obsolet geworden. Ich würde also nicht sagen, dass das deutsche Kartellrecht generell eine Konsolidierung des Kabels ausschließt. Jedenfalls ist das für uns keine Hürde wie eine Straßensperre.- Sie haben in Europa insgesamt stark expandiert in den vergangenen Jahren und dabei meist zweistellige Ertrags-Multiples gezahlt. Wie sieht es mit den Synergien aus? Haben Sie Ihre Ziele erreicht?Salvato: Das Kabelgeschäft ist ein Skalengeschäft, und wir konkurrieren mit großen Wettbewerbern, die ihre Geschäfte skalieren. Dazu zählt nicht nur die Deutsche Telekom, die bereits vielfach größer ist als Liberty Global, dazu gehören auch Apple, Google, Netflix. Das wird oft übersehen, dass wir bei den Kunden auch gegen diese US-Internetgiganten antreten. Sie brauchen Größe, um die notwendigen Mittel für Forschung und Entwicklung zu haben, um innovativ zu sein, um gute Einkaufskonditionen zu bekommen …- Sie haben auch relativ kleine Gesellschaften teuer erworben wie etwa Ziggo in den Niederlanden für das 14-fache operative Ergebnis. Ziggo ist im ersten Quartal gerade 1 % gewachsen. Zahlt sich das aus?Salvato: Ein Zukauf innerhalb eines Marktes bringt immer vergleichsweise hohe Synergien in zahlreichen operativen Bereichen, Personal, Einkauf, Netzbetrieb et cetera. Hinzu kommt, dass wir die Plattform für unsere Produkte wie zum Beispiel Horizon ausdehnen und dadurch mehr Kunden gewinnen.- Ist es dafür nötig, die volle Kontrolle zu haben? Werden Sie bei Telenet aufstocken, so wie zuvor bei Ziggo?Salvato: Offensichtlich bevorzugen wir die Kontrolle zu 100 %, denn es erleichtert das Management der Geschäfte. Jedoch profitieren wir bereits davon, dass Telenet zu unserem Konzern gehört. Eines Tages mag es sinnvoll sein, die restlichen Anteile zu erwerben.- Würden Sie Ziggo nochmals kaufen, oder war dieser Zukauf ein Fehlschlag?Salvato: Wir würden Ziggo in jedem Fall wieder kaufen. Die Synergien für diesen Inland-Deal eingerechnet, war das Multiple attraktiv. Es war eine wichtige strategische Transaktion für uns. Ich denke, es gab im ersten Quartal einige Sonderfaktoren, die die Performance beeinträchtigt haben, darunter ein sehr aggressives Preisgebaren von KPN.- Wenn Sie das eher moderate gegenwärtige Wachstum der Branche betrachten – 3 % Umsatzplus für Liberty Global im Quartal -, denken Sie, die Bewertungen am Markt mit zweistelligen Ertrags-Multiples rechtfertigen weitere Akquisitionen?Salvato: Ich denke, unser Geschäft ist eine hervorragende Plattform für Wachstum. Daher glaube ich nicht, dass die aktuellen Bewertungen als teuer zu gelten haben.- Sie haben im Konzern eine Verschuldung in Höhe des 4,4-fachen operativen Ergebnisses vor Abschreibungen (Ebitda), kann das so bleiben oder noch weiter erhöht werden?Salvato: Wir fühlen uns mit Nettoschulden in einem Korridor zwischen dem 4- und 5-fachen Ebitda wohl. Wir haben ein stabiles Geschäft mit Wachstumsperspektiven, wir erwirtschaften einen starken Cash-flow, wir gehen keine Zins- und keine Währungsrisiken ein. Unsere Verbindlichkeiten in Europa sind also zum Beispiel in Euro denominiert, in Großbritannien in Pfund et cetera. Und da wir von Wachstum ausgehen, bildet die Verschuldung einen hervorragenden Hebel für die Wertsteigerung unserer Geschäfte und erhöht den Wert für unsere Aktionäre. Darin haben wir übrigens ein ziemlich einzigartiges Geschäftsmodell für eine börsennotierte Gesellschaft.- Sie sprechen bei Ihren Wachstumsszenarien bisher nur von Triple Play also TV, Internet und Festnetztelefonie als Triebfeder. Was ist mit einem Mobilfunkangebot? In Belgien haben Sie Base hinzugekauft, wird das Beispiel Schule machen?Salvato: Grundsätzlich betrachten wir den Mobilfunk als einen Service mit großem Wachstumspotenzial. Aber wir haben uns entschieden, dass wir im Regelfall Mobilfunkservices als virtueller Netzbetreiber (MVNO) anbieten. Wir kaufen Netzkapazitäten ein und schnüren Angebote für unsere Kunden, aber wir kaufen keine Netzbetreiber. Das MVNO-Modell bevorzugen wir, weil es ein sehr niedriges Risikoprofil hat, insbesondere im Hinblick auf den Kapitaleinsatz. In zwei Märkten, Belgien und Großbritannien, sind wir mit unserem Mobilfunkangebot schon sehr lange am Markt und sehr erfolgreich. Für den Kauf von Base sprach eine Reihe einzigartiger Umstände.- Welche?Salvato: Zum einen war Base ein kleines Asset gemessen an unserem Gesamtgeschäft in Belgien. Wir hatten dort bereits viele eigene Mobilfunkkunden, mit denen wir das Base-Netz auf einen Schlag gut auslasten können, und dabei sparen wir die Gebühren, die wir als MVNO an Mobistar gezahlt haben. Damit ist der Deal von Beginn an positiv ergebniswirksam. Insgesamt über alle Länder wollen wir jedoch bei der MVNO-Strategie bleiben.- Frage: Haben Sie eine solche Vereinbarung in Deutschland, und wie läuft das?Schüler: Wir haben einen MVNO-Vertrag mit Telefónica und streben an, auch unsere Quad-Play-Angebot (TV, Internet, Festnetz und Mobilfunk, Anm. d. Red.) auszubauen. Allerdings setzen wir dabei auch auf unser Netz und den Ausbau von W-Lan-Hotspots. Bisher legen wir den Fokus allerdings noch auf Triple Play, also das Upselling von Internet und Telefonie in unsere Kundenbasis. Wir haben daher erst rund 300 000 Mobilfunkkunden.—-Das Interview führte Heidi Rohde.