Einzelhandel

Die Einschläge kommen näher

Da sich bislang kein Anzeichen dafür erkennen lässt, dass die „vierte Welle“ der Corona-Pandemie in Deutschland an Dynamik verliert, ist wohl mit weiteren Einschränkungen bis hin zu weiteren regionalen Lockdowns zu rechnen. Das wäre für den stationären Einzelhandel ein Desaster.

Die Einschläge kommen näher

Von Martin Dunzendorfer,

Frankfurt

Die Verbreitung des Coronavirus in Deutschland hat in jüngster Zeit dramatisch zugenommen. Zur Eindämmung der Pandemie wurden in einigen Bundesländern strengere Anti-Covid-19-Maßnahmen eingeführt. Zudem sieht das neue Infektionsschutzgesetz bundesweit eine 3G-Regel (Nachweis über Impfung, Genesung oder negativen Test) für Arbeitsplätze und öffentliche Verkehrsmittel vor. Während der Online-Handel von den hohen Infektionszahlen und den Gegenmaßnahmen nicht tangiert wird, sind sie für den Präsenzhandel ein Problem, denn aus Vorsichtsgründen oder um Unbequemlichkeiten aus dem Weg zu gehen, könnten Konsumenten in den nächsten Wochen Bestellungen im Internet einem Einkaufsbummel durch klassische Geschäfte vorziehen.

Da sich zudem bislang kein Anzeichen dafür erkennen lässt, dass die „vierte Welle“ an Dynamik verliert, ist wohl mit weiteren Einschränkungen bis hin zu regionalen Lockdowns zu rechnen. Das wäre für den stationären Einzelhandel, bei dem im Frühherbst gerade erst Hoffnungen auf ein positives Weihnachtsgeschäft aufgekommen waren, ein Desaster.

Anfang des Monats hatte etwa der Handelsverband Deutschland (HDE) mitgeteilt, dass er für das anstehende Weihnachtsgeschäft mit einem Umsatzplus von 2% im Vergleich zum Vorjahr rechnet. Basis dieser Schätzung war eine Umfrage unter Einzelhändlern. Damit lägen die Umsätze im November und Dezember dieses Jahres bei rund 112 Mrd. Euro (vgl. BZ vom 6.Dezember). Doch schon vor knapp drei Wochen hatte der HDE erklärt, dass es auch Risiken gebe – unter anderen die weitere Entwicklung der Corona-Pandemie. Die aktuelle vierte Welle in Deutschland dürfte nun viele Umfrageergebnisse, die auf Befragungen im Handel und von Verbrauchern bis Mitte November basieren, obsolet werden lassen, da sich die Perspektiven deutlich verschlechtert haben.

Eine nun vorgelegte Studie der Prüfungs- und Beratungsgesellschaft EY (Ernst & Young) zeigt, dass den meisten Bürgern ohnehin gar nicht so richtig nach Weihnachten zumute ist. Für 53% sei die Vorfreude auf das Fest und das vorweihnachtliche Shopping dadurch getrübt, dass Weihnachtsmärkte und andere Veranstaltungen gar nicht oder nur mit Einschränkungen stattfinden.

Das schlägt sich in der Kaufbereitschaft nieder: Wie aus der Anfang November durchgeführten repräsentativen Befragung hervorgeht, wollen die Bundesbürger 2021 weniger Geld für Weihnachtsgeschenke ausgeben als in den Vorjahren: Das geplante Budget sinke um 3% auf 273 Euro. Davon entfalle immer mehr auf Online-Händler. Das deckt sich mit der Voraussage des HDE, wonach der Online-Handel der Wachstumstreiber bleibe.

Mehr noch: Obwohl inzwischen die Umsatzerwartung stationärer Händler weiter gesunken sein dürfte, ging schon aus der HDE-Prognose vom Monatsanfang hervor, dass der Präsenzhandel im Vergleich zu 2020 1,3% auf 88,6 Mrd. Euro an Erlösen im Weihnachtsgeschäft einbüßen wird, während der Online-Umsatz in den letzten beiden Monaten des Jahres laut der Prognose um 17,3% auf 23,1 Mrd. Euro steigen soll. Mit anderen Worten: Der erwartete Umsatzzuwachs von 2,2 Mrd. Euro im gesamten deutschen Einzelhandel wird durch Überkompensation der Erlöseinbuße im Präsenzhandel von 1,2 Mrd. Euro durch das Wachstum im Online-Handel von 3,4 Mrd. Euro ermöglicht. Inzwischen dürfte sich aber die Waagschale wie beschrieben noch deutlich stärker dem Handel im Internet zuneigen.

Dazu beitragen werden auch die beiden Sonderverkaufstage Black Friday (26.November) und Cyber Monday (29.November), die sich vor allem an Online-Käufer richten und deren Bedeutung für das Weihnachtsgeschäft gemäß dem HDE mittlerweile auch hierzulande erheblich ist. Der Verband rechnet in diesem Jahr mit einem Umsatzplus von 27% auf rund 4,9 Mrd. Euro an diesen zwei Tagen. Anbieter im Internet hören das gern. Präsenzhändlern ist dagegen nicht zum Lachen zumute.

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