IM INTERVIEW: LUKA MUCIC

"Die etablierten Unternehmen sollten Start-ups fördern"

Der Finanzvorstand von SAP plädiert vor dem IT-Gipfel auch für steuerliche Anreize, um Unternehmensgründungen attraktiver zu machen

"Die etablierten Unternehmen sollten Start-ups fördern"

– Herr Mucic, Sie vertreten SAP zusammen mit Technologievorstand Bernd Leukert auf dem IT-Gipfel in Hamburg. Was halten Sie eigentlich von der Digitalen Agenda der Bundesregierung?Die Agenda ist gut für unser Land. Je schneller die Bundesregierung den IT-Standort Deutschland voranbringt, umso besser für Wettbewerbsfähigkeit, Wachstum und Beschäftigung.- Wo sollte die Bundesregierung die Schwerpunkte setzen?Den Anschub liefern letztlich moderne Technologien wie Cloud Computing und Big Data. Insbesondere die Cloud bringt uns enorme Innovations- und Wachstumschancen. Um sie voll nutzen zu können, müssen wir in ganz Europa die Beschränkungen für den Datenverkehr vollständig aufheben und die Datenschutzregelungen harmonisieren.- Ist das nicht eher ein Fall für den designierten EU-Kommissar für die Digitale Wirtschaft?Bürger und Unternehmen müssen darauf vertrauen können, dass ihre Daten in der Cloud sicher sind. Deshalb brauchen wir europaweit einheitliche Rahmenbedingungen und vertrauenswürdige Infrastrukturen mit hohen Sicherheitsstandards. Wenn diese eingehalten werden, sollte es unerheblich sein, wo Daten innerhalb der EU gespeichert werden. Dafür sollte sich die Bundesregierung in Brüssel starkmachen.- Sie haben das Stichwort Big Data genannt. Was hat das mit der Digitalen Agenda zu tun?Entscheidend ist, ob der Austausch und die Analyse großer Datenmengen als Wachstumschance akzeptiert werden. Deshalb brauchen wir Regelungen in diesem Bereich. Es geht darum, Vertrauen zu schaffen, anstatt unbegründete Ängste zu schüren. Daten sind die Währung für eine erfolgreiche digitale Wirtschaft. Ihre Nutzung darf nicht aus irrationalen Gründen eingeschränkt werden.- Auch die Digitalisierung der Industrie kommt nicht ohne Big Data aus. Was trauen Sie Deutschland in der “Industrie 4.0” zu?Gerade die deutsche Industrie kann sehr komplexe Technologien beherrschen und deshalb bei der Digitalisierung von Unternehmen eine Führungsrolle einnehmen. Deutschland ist weltweit bekannt für seine herausragenden Ingenieure. Wenn wir deren digitale Kompetenzen erweitern, werden wir eine führende Rolle in der digitalen Zukunft spielen.- Was heißt das konkret mit Blick auf die Digitale Agenda?Wir brauchen erstklassige Dateningenieure, die extrem große Datenmengen intelligent managen können. Wir und andere Unternehmen arbeiten natürlich intensiv auf diesem Technologiefeld, aber wir brauchen die Unterstützung der Bildungsinstitutionen: IT sollte zu einem selbstverständlichen Kernfach für ganz viele Studien- und Ausbildungsgänge werden – auch an den Schulen, denn wir müssen die jungen Menschen für IT interessieren.- Und wie wollen Sie die besten Talente in Europa halten, wenn das Silicon Valley lockt?Die etablierten Unternehmen sollten Start-ups fördern und ihnen Technologie, Kapital und begleitende Experten zur Verfügung stellen. Ein Beispiel: Wir stellen unsere Technologie 1 600 jungen Unternehmen als Plattform für eigene Lösungen zur Verfügung, für die individualisierte Krebsmedizin etwa. Aber auch die Politik muss Unternehmertum fördern – durch bessere Rahmenbedingungen.- Mangelt es deutschen Talenten auch an Unternehmergeist?Am Beispiel Silicon Valley sehen wir, wie wichtig es ist, mutigen Menschen das Gründen von Unternehmen zu erleichtern. Die Region ist nach wie vor Zugpferd der amerikanischen Wirtschaft. Wir können das auch in Deutschland, wie die Berliner Gründerszene zeigt. Aber von kalifornischen Größenordnungen sind wir noch meilenweit weg.- Setzen Sie sich auf dem IT-Gipfel für die Belange von Start-ups ein?Unternehmensgründer sollten hierzulande ebenso gute Voraussetzungen vorfinden wie in den USA. Die Digitale Agenda geht in die richtige Richtung, aber noch nicht weit genug. Leistung und Mut müssen sich lohnen, und ein Scheitern als Start-up darf nicht zu einem Stigma führen.- Was heißt das konkret?Die Bundesregierung macht sich für eine verbesserte Gründungsfinanzierung stark und will die Rahmenbedingungen für Wagniskapital verbessern. Das ist gut, aber ich würde noch einen Schritt weiter gehen: Junge Unternehmen, die Arbeitsplätze schaffen, sollten steuerliche Anreize erhalten, mit denen die persönliche Übernahme von Risiko auch finanziell attraktiver wird.- Gibt es erfolgreiche Beispiele, die zur Orientierung dienen können?Es gibt in der EU und in der OECD gute Beispiele, die zeigen, dass die steuerliche Förderung von Forschung und Entwicklung langfristig sehr positiv wirkt. Konkret denke ich zum Beispiel an eine Steuergutschrift für Aufwendungen in diesen Bereichen. Gerade Forschungsprojekte im Zusammenhang mit Big Data verdienen Unterstützung. Denkbar wäre auch eine steuerliche Begünstigung von Patenten und Lizenzen, wie sie derzeit im Bundesfinanzministerium diskutiert wird. Damit könnte man den IT-Standort Deutschland nachhaltig stärken – und das Abwandern innovativer Unternehmen verhindern.—-Die Fragen stellte Stefan Paravicini.