"Die Faktenlage ist auf unserer Seite"
Von Andreas Heitker, DüsseldorfDer Vorstandsvorsitzende des Energiekonzerns RWE, Peter Terium, rechnet nicht damit, dass eine milliardenschwere Aufstockung der Atomrückstellungen für sein Unternehmen nötig wird. “Die Faktenlage ist auf unserer Seite”, sagte der Niederländer am Rande des Deutschen Betriebswirtschafter-Tags in Düsseldorf im Gespräch mit der Börsen-Zeitung.Nach seinen Angaben setzt RWE bei ihren Rückstellungsberechnungen einen Realzins von knapp 1 % an. Dies sei keine unrealistische Größe, betonte Terium. Es gebe bereits Erfahrungswerte, was der Rückbau von Atomkraftwerken koste, und auch die Kosten der Atommülllagerung seien absehbar. Verglichen mit anderen europäischen Ländern würden die Atomrückstellungen in Deutschland zudem deutlich konservativer verbucht. Versorger aus anderen Ländern setzten zum Teil wesentlich höhere Zinssätze an.Terium äußerte sich damit ähnlich wie Eon-Finanzvorstand Michael Sen in der vergangenen Woche (vgl. BZ vom 16. September). Auch Eon setzt einen Realzins von knapp 1 % an. Eon hat Atomrückstellungen von 16,6 Mrd. Euro in der Bilanz; bei RWE sind es 10,4 Mrd. Euro. Aktuell werden diese Rückstellungen durch einen Stresstest von einem unabhängigen Wirtschaftsprüfer überprüft. In Medienberichten war unter Verweis auf erste Ergebnisse dieses Stresstests schon von einer Lücke bei den Rückstellungen von bis zu 30 Mrd. Euro die Rede gewesen.Terium kritisierte scharf, dass “Teilkomponenten und Extremszenarien” in die Öffentlichkeit gelangt seien und damit eine seit Jahren richtige und geübte Praxis bei den Rückstellungen komplett in Frage gestellt werde. Es gebe aktuell in der Branche eine massive, von der Politik ausgelöste Verunsicherung. “Wen wundert es da, dass der Aktienkurs so abstürzt?” “Der Markt übertreibt”Den aktuellen Kursverfall der RWE-Aktie bezeichnete Terium als “dramatisch”. Der Wert des Unternehmens werde damit aber nicht widergespiegelt. “Der Markt übertreibt”, sagte er.Der RWE-Chef monierte zugleich, dass der Energiebranche ein umfassender, von der Politik vorgegebener Innovations- und Investitionsrahmen fehle und dass es keine langfristige Planbarkeit gebe. “Es mangelt uns nicht an Veränderungswillen, aber es fehlt uns die betriebswirtschaftliche Planungsgrundlage”, monierte Terium. Um strategische Chancen auch nutzen zu können, müsse es ein Minimum an Berechenbarkeit und Konsistenz in der Energiepolitik geben.Der Vorstandsvorsitzende unterstützte auch eine mögliche Wahl des früheren SAP-Finanzvorstands Werner Brandt zum Nachfolger von Manfred Schneider als Aufsichtsratschef. Es werde ein Kandidat gebraucht, der in den Themen drin sei, zitierte die Nachrichtenagentur Reuters Terium. “Einer, der schon drei Jahre den Prüfungsausschuss leitet bei uns, der kennt alle Themen bis ins Detail”, sagte der RWE-Chef und fügte hinzu: “Nennen Sie mir einen besseren Kandidaten. Ich kenne keinen.”Am letzten Freitag hatte sich der amtierende Aufsichtsrat bereits öffentlich für Brandt starkgemacht. Der neue Aufsichtsratsvorsitzende wird nach der nächsten Hauptversammlung im April 2016 gewählt.