Die Krux staatlicher Förderung

Das Beispiel erneuerbare Energien zeigt die Risiken - Nach Spanien gerät auch Norwegen ins Zwielicht

Die Krux staatlicher Förderung

Die Förderung der erneuerbaren Energien durch garantierte Zuwendungen steht in der Kritik. Mancherorts nutzen Regierungen die Gelegenheit und belasten Investoren nachträglich.Von Michael Flämig, MünchenWie hält der Gesetzgeber es mit dem Fördern der erneuerbaren Energien? Dies wird die Gretchenfrage im Jahr 2014 für viele Unternehmen. Denn die Prüfung der Hilfe für stromintensive Betriebe, die die Europäische Kommission in Deutschland eingeleitet hat, hängt wie ein Damoklesschwert über einigen Branchen.Die Frage reicht jedoch weit über die Grenzen der industriellen Produktion hinaus. Denn einzelne Staaten könnten auf die Idee kommen, ihre Förderungspraxis zu bereuen und nachträglich einzuschränken. Dies hätte gravierende Auswirkungen für Investoren. Die Beispiele Spanien und Norwegen zeigen, welche Überraschungen möglich sind. Nachträgliche UmsatzsteuerSpanien legte schon 2012 vor: Die Regierung verhängte eine Umsatzsteuer auf erneuerbare Energien – und zwar rückwirkend, so dass die Rentabilitätsberechnungen von Investoren einem spürbaren Stresstest unterzogen wurden. Der positiv formulierte, aber unmissverständliche Kommentar von Thomas Kabisch, dem Vorsitzenden der Meag, der Kapitalanlagegesellschaft von Munich Re und Ergo, in dieser Zeitung: Die Vermeidung der nachträglichen Besteuerung sei eine Voraussetzung dafür, den Weg frei zu machen für den Umbau der Energiewirtschaft.Doch da war das Kind für manchen schon in den Brunnen gefallen. Ein Beispiel: die Edisun Power, aufgrund ihrer begrenzten Größe wenig auffällig. Die Schweizer Firma musste im ersten Halbjahr 2013 ihre Anlagen auf der Iberischen Halbinsel wertberichtigen. Begründung: die Anpassung der Gesetze zur Förderung erneuerbarer Energie. Zwar summierte sich die Wertkorrektur auf nur 1 Mill. sfr. Doch bei einem operativen Ergebnis von 2 Mill. sfr ist das dennoch ein Schlag ins Kontor.Wesentlich tiefer musste Siemens schon Ende 2012 in die Tasche greifen. Vermögensgegenstände eines Solarprojekts in Spanien wurden um 115 Mill. Euro (vor Steuern) abgeschrieben. Die Veränderung der Förderung spiele dabei eine untergeordnete Rolle, beeilte sich der damalige Siemens-Finanzvorstand Joe Kaeser zwar Anfang vergangenen Jahres zu versichern. Doch auch für den heutigen Konzernchef ist die Lehre klar. “Es liegt mir fern, mein Geschäft mittel- oder langfristig von staatlichen Förderungen abhängig zu machen, weil Wahlen sowohl Meinungen als auch politisches Personal ändern”, erklärte er im Juli 2013 im Gespräch mit Analysten mit Blick auf die Windenergie. Schließlich könne er die Rotorenfertigung nicht mehr verlagern, sobald die entsprechende Fabrik gebaut sei.Spanien ist am Kapitalmarkt angesichts seiner hohen Staatsschulden schon des Öfteren als unsicherer Kantonist eingeschätzt worden. Norwegen blieb von derlei Argwohn bisher verschont. Umso überraschender ist, dass die dortigen Politiker nun parteiübergreifend die Förderung für ein Gaspipeline-Netz so gravierend verändern, dass ein Investorenkonsortium mit der Allianz an Bord sogar eine Klage vorbereitet.Was ist passiert? In den Jahren 2001/2011 kauften sich die Investoren in das größte Hochseegastransportnetz der Welt ein. Die rund 8 000 Kilometer langen Leitungen verbinden die Hochseegasfelder in Norwegen mit Terminals in Kontinentaleuropa und Großbritannien. Die Logik des Deals: Eine Lizenz bis zum Jahr 2028 zu erwerben, die zum Kassieren von Durchleitungsentgelten berechtigt – und zwar zu staatlich festgelegten Konditionen. Kurz und gut: Norwegen bot ein klassisches reguliertes Anlagegut mit inflationsgeschützter Rendite.Dafür nahmen die Investoren viel Geld in die Hand. Insgesamt 45 % von Gassled erwarb das Trio Solveig Gas Norway (25,5 %), Silex Gas Norway (6,4 %) und Njord Gas Infrastructure (8 %). Die Allianz investierte 800 Mill. Euro, der Silex-Anteil ging mit gut 600 Mill. Euro komplett auf ihr Konto. Der weitere Eigenkapital-Anteil für 30 % an Solveig Gas betrug 200 Mill. Euro – ein kanadischer Pensionsfonds und Abu Dhabi halten die übrigen Anteile. In der Summe legten allein die beiden Vehikel, an der die Allianz beteiligt sind, 22 Mrd. nkr auf den Tisch in Oslo – immerhin 2,8 Mrd. Euro.Der heutige DeutscheBank-Aufsichtsratschef Paul Achleitner, der damals die Allianz-Investments dirigierte, rechnete eine laufende Verzinsung von 8 % bis 10 % aus. Er frohlockte auf der Bilanzpressekonferenz für 2011, das Projekt sei “ein gutes Beispiel dafür, welche Art von Investments wir in der Zukunft suchen”. Überraschung aus OsloDies erwies sich als Irrtum. Schon im Januar 2013 kündigte die norwegische Regierung an, die Tarife für die Durchleitung von Gas um 90 % kürzen zu wollen. Der Investorengruppe, die insgesamt gut 5 Mrd. Euro investierte, würden dadurch nach eigener Rechnung ebenfalls gut 5 Mrd. Euro an Gewinnen entgehen. Zwar hatten Oppositionspartien vor den Neuwahlen im Herbst erklärt, die Regelung zu überprüfen, doch wollen sie nach ihrem Wahlsieg nichts mehr davon wissen. Die Argumentation: Erstens sei die Gewinnmarge höher als geplant. Zweitens werde durch sinkende Transportkosten die Förderung des Gases aus dem Meeresboden attraktiver gemacht – und zu diesem Zweck dürften die Tarife gesenkt werden.—– Wertberichtigt Seite 8