Die neue chinesische Wette von Stellantis
Die neue chinesische Wette von Stellantis
Die Automobilgruppe steigt für 1,5 Mrd. Euro bei dem Elektroautobauer Leapmotor ein – Ersatzlösung nach Ausstieg aus China-Joint-Ventures
Stellantis ist eigentlich dabei, die Verbindungen mit seinen früheren chinesischen Partnern Dongfeng und GAC zu kappen. Doch jetzt vollzieht die von Carlos Tavares gelenkte Automobilgruppe eine strategische Kehrtwende und geht eine neue Partnerschaft mit dem E-Auto- Start-up Leapmotor ein.
nh/wü Schanghai/Paris
Stellantis wagt in China nach dem Scheitern seiner bisherigen Strategie einen Neuanfang. Die Automobilgruppe setzt dabei auf den chinesischen Elektroautobauer Leapmotor, bei dem sie für 1,5 Mrd. Euro ins Kapital einsteigt und eine Beteiligung von rund 21% übernimmt. Zusätzlich dazu wollen die beiden Unternehmen unter dem Namen Leapmotor International ein Joint Venture für Produktion, Export und Verkäufe der Produkte des chinesischen Start-ups außerhalb von China gründen. Stellantis wird daran 51% halten.
Ihre Partnerschaft habe zwei Ziele, erklären die beiden Unternehmen. Sie solle zum einen die Verkäufe von Leapmotor in China ankurbeln und zum anderen die internationale Präsenz von Stellantis nutzen, um die Verkäufe von Leapmotor in anderen Regionen voranzutreiben, allen voran Europa. Mit Stellantis setzt erneut ein westlicher Konzern auf eine Partnerschaft mit einem chinesischen E-Auto-Start-up. Im Juli hatte sich VW für 700 Mill. Dollar mit 5% bei Xpeng eingekauft.
Dabei war die Opel-Mutter PSA, die sich 2021 mit Fiat Chrysler zu Stellantis zusammengeschlossen hat, eigentlich einer der ersten europäischen Autobauer, die sich auf den chinesischen Markt gewagt hatten. Ohne Erfolg, denn mit einem Marktanteil von weniger als 1% spielt Stellantis so gut wie keine Rolle. „Stellantis muss auf dem chinesischen Markt stärker vertreten sein“, sagt denn auch Konzernchef Carlos Tavares.
Alte Bande gekappt
Dennoch ist die Gruppe, zu der 14 Marken gehören, gerade dabei, die Verbindungen mit seinen früheren Partnern in China zu kappen. So verringert Dongfeng nach und nach seine Beteiligung am Kapital von Stellantis. Der chinesische Autobauer, der PSA 2012 zu Hilfe geeilt war und mit 12,3% in das Kapital eingestiegen war, hält nur noch rund 3% an der fusionierten Gruppe.
Das Gemeinschaftsunternehmen von Stellantis und Dongfeng erinnert immer mehr an eine leere Hülle, denn der westliche Automobilriese hat gerade die letzten drei Standorte des Joint Ventures an Dongfeng verkauft. Das Gemeinschaftsunternehmen, das Chrysler 2010 zusammen mit GAC für die Marke Jeep gegründet hatte, wurde bereits Ende letzten Jahres liquidiert.
Stellantis-Chef Tavares ist dennoch überzeugt, dass es mit Leapmotor besser laufen wird. „Bei unseren früheren Partnerschaften hat Stellantis die Entwicklung der chinesischen Marken im Ausland nicht gefördert“, erklärt er. „Wenn wir Leapmotor im Ausland entwickeln, wird das auch die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens in auf dem chinesischen Markt verbessern.“
Break-even weit entfernt
Für den Nischenelektroautobauer Leapmotor, der auch nach seinem Börsengang im September vergangenen Jahres unter Mittelknappheit für einen forscheren Expansionskurs litt, ist der Eintritt eines westlichen Autokonzerns ein wesentlicher Schritt für eine langfristige Existenzsicherung. Leapmotor ist von den Verkaufszahlen her gesehen ein Winzling und stand zuletzt gerade einmal auf Platz 36 im Absatzranking des chinesischen Pkw-Markts.
Dabei ist die 2015 gegründete Gesellschaft – wie auch ihre wesentlich bekannteren, der Start-up-Szene entsprungenen Konkurrenten Nio, Xpeng und Li Auto – noch einiges vom Erreichen eines Break-even entfernt. Leapmotor hat seit Aufnahme der Produktion kontinuierlich steigende Verluste geschrieben, die im vergangenen Jahr vor allem wegen steigender Vertriebskosten auf 5,1 Mrd. Yuan (rd. 650 Mill. Euro) in die Höhe geschnellt waren.
Im laufenden Jahr gab es diesbezüglich erste Fortschritte mit einer leichten Reduzierung des Nettoverlusts von 2,4 auf 2,2 Mrd. Yuan für die Periode zum 30. Juni zu vermelden. Dabei verzeichnete Leapmotor zwar einen Anstieg der Umsätze um 14% auf 5,8 Mrd. Yuan, liegt beim Wachstum aber deutlich unter der diesjährigen Expansionsrate des chinesischen E-Auto-Markts von 31%.
Schwerer Stand im Heimatmarkt
In einem von aggressiven Preiskämpfen geprägten chinesischen Markt haben viele Hersteller, die der Tech-Start-up-Szene entsprungen sind und die eine schmale Modellpalette vorweisen, gewaltige Mühe, sich im Wettbewerb zu behaupten. Dies gilt umso mehr, als der Platzhirsch BYD und staatliche Autobauer wie SAIC, GAC oder BAIC mit neuen E-Auto-Marken und einer Fülle von Modellen unterwegs sind, die auch jüngere Käuferschichten ansprechen – vom Ministadtfahrzeug bis zum Luxus-SUV. Damit rauben sie den Nischenadressen aus der Tech-Szene einiges an Exklusivitätscharakter. Leapmotor, die nur über drei Modelle verfügt, ist vor allem für einen Kleinwagen mit Niedlichkeitscharakter zum Einstiegspreis von 60.000 Yuan (7.600 Euro) bekannt.