Luftfahrt

Die neue Flugangst

Die britische Flugsicherung NATS wird ihren Aufgaben offenkundig nicht mehr gerecht. Am Wochenende strandeten nach einem "technischen Problem" Tausende an Flughäfen in aller Welt. Das eigentliche Problem könnte die Eigentümerstruktur sein.

Die neue Flugangst

Die neue Flugangst

Von Andreas Hippin, London

Die britische Flugsicherung NATS wird ihren Aufgaben offenkundig nicht mehr gerecht. Es könnte an der Eigentümerstruktur liegen.

Wer öfter mal nach Großbritannien fliegt, ist einiges gewohnt. Egal ob das Buchungssystem von British Airways abschmiert oder eine der vielen Gewerkschaften streikt, deren Mitglieder für das reibungslose Funktionieren der britischen Flughäfen unerlässlich sind: Bis man endlich am Ziel ist, vergeht oft weitaus mehr Zeit, als man für den Flug eingeplant hatte. Die Erholung des Passagieraufkommens nach der Pandemie war von wütenden Arbeitskämpfen begleitet. Doch was sich in den vergangenen Tagen abspielte, hat eine andere Qualität. Die in der Regierungszeit von Tony Blair (Labour) zum Public-Private Partnership mutierte Flugsicherheit NATS (National Air Traffic Services) wird ihren Aufgaben offenkundig nicht mehr gerecht. Man begreift dort auch nicht, dass man für Fehler rechenschaftspflichtig ist. Ein zunächst nicht näher spezifiziertes IT-Problem hatte dafür gesorgt, dass am vergangenen Wochenende, das in Großbritannien durch einen Feiertag verlängert wurde, Hunderte von Flügen gestrichen werden mussten. Tausende steckten deshalb an irgendwelchen Flughäfen fest. Auch an den kommenden Tagen wirkte sich das Problem noch auf den Flugverkehr aus.

Der NATS-Chef Martin Rolfe sagte schließlich, „unzuverlässige“ Flugdaten hätten die Panne ausgelöst. In der Boulevardpresse wurde zuvor eine französische Fluggesellschaft dafür verantwortlich gemacht. Man habe das Problem zwar „schnell gelöst“, behauptete Rolfe, er sei sich aber darüber im Klaren, dass in einer so geschäftigen Zeit immer noch viele Menschen, die nach oder aus Großbritannien verreisen, die Auswirkungen spürten. Natürlich deutete der gelernte Ingenieur mit keinem Wort an, persönliche Konsequenzen ziehen zu wollen. Immerhin, Rolfe ist keiner der zahllosen Platzhalter mit Oxbridge-Abschluss, die man üblicherweise an der Spitze solcher Organisationen findet. Seit 2015 führt er bei NATS die Geschäfte. Sollte sich im Zuge der Untersuchung des Falls durch die Zivilluftfahrtbehörde CAA herausstellen, dass nicht ausreichend investiert worden ist, um die Computersysteme der Flugsicherheit robust genug zu machen, könnte Rolfe sich nicht so einfach herausreden.

Airlines verärgert

Die Airlines wollen jedenfalls nicht auf den potenziellen Kosten des Debakels sitzen bleiben, die auf 100 Mill. Pfund geschätzt werden. Der ehemalige Chef der British-Airways-Mutter IAG, Willie Walsh, der nun der IATA (International Air Transport Association) vorsitzt, fordert nicht nur Klarheit über die Ursache des Computerfehlers, sondern auch, dass NATS für den Schaden aufkommt. Die Fluggesellschaften, an die sich die Passagiere in so einem Fall natürlich zuerst wenden, seien die Opfer, nicht die Ursache des Problems. Die IATA vertritt mehr als 300 Fluggesellschaften weltweit.

Als NATS 1962 an den Start ging, waren das Militär und die Regierung mit von der Partie. Doch 1992 wurde daraus eine Tochtergesellschaft der CAA. Das Militär verabschiedete sich aus dem Management. Labour sperrte sich in der Opposition gegen eine Privatisierung, um sie dann voranzutreiben. 1998 wurde ein Public-Private Partnership vorgeschlagen. Der Transport Act aus dem Jahr 2000 sorgte dafür, dass 51% in private Hände übergingen. Zunächst waren das Fluggesellschaften. Mittlerweile sieht die Eigentümerstruktur aber so aus: Der Staat hält weiterhin 49%. Doch hinter der „Airline Group“, die 42% hält, stehen nicht nur Airlines wie British Airways und Easyjet, die ein Interesse an einem ordentlichen Flugbetrieb haben.

Knapp die Hälfte dieses Anteils liegt beim Pensionsfonds USS (Universities Superannuation Scheme). Auch der Pension Protection Fund ist daran beteiligt. Der Flughafen Heathrow hält 4%, die Mitarbeiter 5%. Man kann sich vorstellen, dass die Entscheidungsfindung in so einem Rahmen nicht leicht ist, zumal wenn es um Investitionen in die Infrastruktur geht. Pensionsfonds sind in erster Linie daran interessiert, Verbindlichkeiten zu bedienen. Der Regierung dürfte zuletzt ebenfalls mehr an Entnahme gelegen gewesen sein. Eine grundlegende Überprüfung dieser Verhältnisse wäre dringend angezeigt, bevor sich eine neue Form von Flugangst breitmacht, die durchaus begründet wäre. Nein, Fliegen ist nach wie vor eine der sichersten Fortbewegungsweisen. Die neue Flugangst wäre die Furcht, viele Stunden in einem Flughafenterminal zu verbringen, weil bei NATS wieder etwas schiefgegangen ist.

BZ+
Jetzt weiterlesen mit BZ+
4 Wochen für nur 1 € testen
Zugang zu allen Premium-Artikeln
Flexible Laufzeit, monatlich kündbar.