Die Nöte der Eidgenossen mit der Frauenquote

Eine Quoteninitiative hat die Schweizer Firmen aufgeschreckt - Trotz mehr Kinderbetreuung bleiben weibliche Führungskräfte rar

Die Nöte der Eidgenossen mit der Frauenquote

Von Daniel Zulauf, Zürich”Es geht um weit mehr als um Geschlechterquoten. Es geht um die Bevormundung durch den Staat.” Monika Rühl, Direktorin des Wirtschaftsdachverbands Economiesuisse, lässt kein gutes Haar am Vorschlag der Schweizer Regierung, auch die hiesigen Publikumsgesellschaften auf eine minimale Partizipation der Frauen in den Leitungsgremien zu verpflichten. Die ehemalige Bundesbeamte geht auf Konfrontation zu ihrer früheren Welt, wie dies nur wenige Männer wagen würden. Gemischte TeamsDie Wirtschaftslobbyistin betont das Eigeninteresse der Unternehmen. Wissenschaftliche Studien würden einen positiven Zusammenhang zwischen gemischt zusammengesetzten Teams und deren Leistung nachweisen, sagt sie. Andere Stimmen sehen es nicht als firmeninterne Sache. Iris Bohnet, eine Schweizer Verhaltensökonomin, Harvard-Professorin und Verwaltungsrätin der Credit Suisse, sagt: “Gleichberechtigung kann kein Geschäftsmodell sein, es ist ein Menschenrecht.”Die Economiesuisse argumentiert gegen die Frauenquote und setzt für mehr Frauen im Beruf auf bekannte Rezepte: Mehr Betreuungsmöglichkeiten für Kinder, Work-Life-Balance, Familienplanung, steuerliche Anreize und so weiter. “Bei der Frage der Chancengleichheit nur auf die Unternehmen zu zielen, ist schädlich – für das Anliegen der Frauen, für die Unternehmen und für die Gesellschaft”, ist Rühl überzeugt.Economiesuisse streitet damit ab, dass auch ganz andere Faktoren für die geringe Partizipation der Frauen in den Führungsgremien der Schweizer Wirtschaft eine Rolle spielen dürften. Auf den ersten Blick hat sich in den vergangenen Jahren viel getan. So ist etwa die Zahl der Betreuungsplätze in Schweizer Kindertagesstätten gemäß OECD-Statistik in den vergangenen dreißig Jahren um den Faktor 4 gestiegen. An der Geschlechterverteilung in den Führungsriegen hat dies aber nur wenig geändert. Der Anteil der Frauen in den Geschäftsleitungen der 100 größten eidgenössischen Unternehmen lag gemäß jährlichem Bericht der Züricher Personalberatungsfirma Schilling zuletzt bei 6 %.Es gibt verschiedene Gründe dafür, weshalb der Frauenanteil in den Führungsetagen der Schweizer Wirtschaft gering bleibt. Ein wesentlicher dürfte sein, dass etwa die vorübergehenden Auszeiten vieler Frauen nach der Geburt eines Kindes nicht gesondert berücksichtigt werden, glauben Experten. “Wenn man die Vielseitigkeit eines Verwaltungsrates durch die Aufnahme von Frauen vergrößern möchte, dann sollte man von den weiblichen Kandidatinnen nicht exakt die gleichen Qualifikations- und Karriereprofile verlangen, wie sie Männer auszeichnen”, befindet Philippe Hertig, langjähriger Partner beim Führungskräfte-Personalvermittler Egon Zehnder International. Wenn man mit dieser Erwartung Frauen rekrutiere, dann bekomme man einfach Frauen, die dem männlichen Stereotyp nahekämen. “Statt die Diversität zu erhöhen, ist das Ergebnis dann einfach ,more of the same`.” Diese Botschaft ist an Gegner der Frauenquote gerichtet, die diese mit der Hilfe weiblicher Kronzeuginnen argumentativ auszuhebeln versuchen. Hertig erklärt sich damit die Haltung vieler Schweizer Managerinnen: “Ich glaube, das ist auch ein Grund dafür, dass viele Frauen in Führungspositionen gegen Frauenquoten und alternative Karrieremodelle sind.”Hertig ist indes kein Freund einer staatlich oktroyierten Frauenförderung. “Die Quote ist gut gemeint, aber sie ist gefährlich.” Auf Stufe des Verwaltungsrats könne man sie zwar erzwingen, aber das gehe nur mit einer Aufweichung der Qualifikationskriterien. Deutsche Ausländer vornAuch jenseits der Geschlechter bleibt die Diversität in der Schweizer Wirtschaft optimierbar. Sie profitiere in hohem Maß von der internationalen Zusammensetzung der Führungsgremien, mit deren Hilfe die Firmen ausländische Märkte ergründen könnten, sagt Hertig zwar. Doch mit der Internationalität ist es bei Lichte betrachtet nicht ganz so weit her. Jeder dritte ausländische Manager ist Deutscher. 42 % stammen aus anderen europäischen Ländern und 14 % sind Amerikaner. Manager aus China, Indien oder anderen Schwellenländern, wo die großen Märkte der Zukunft liegen, sind laut Schilling an einer Hand abzuzählen. Die Statistik deutet an, dass man sich bei der Zusammensetzung der hiesigen Verwaltungsräte in erster Linie nicht an den Märkten ausrichtet, sondern sich eben lieber mit Managern aus dem gleichen Sprach- oder zumindest Kulturraum umgibt.”Es braucht vielleicht dieses Brecheisen”, sagt ein langjähriger Multiverwaltungsrat, dem die Frauenquote eigentlich gar nicht geheuer ist. “Vielleicht wird es eine Anfangsphase geben, in der auch relativ schwache Frauen in die Führungsgremien kommen”, sagt er. Aber das sei auch nicht anders gewesen, als die Mehrheit der Verwaltungsräte plötzlich nicht mehr aus dem eigenen Unternehmen stammen durfte. “Wenn’s nichts nützt, dann wird’s auch nicht viel schaden”, sagt er mit Blick auf eine Quote von 30 % für weibliche Verwaltungsräte beziehungsweise von 20 % für Frauen in der Geschäftsleitung von Schweizer Publikumsgesellschaften, wie sie der Schweizer Bundesrat dem Parlament vor kurzem vorgeschlagen hat.Justizministerin Simonetta Sommaruga scheint die Wirtschaft mit ihrer Aktienrechtsreform aus einer sehr langen Schlafphase geweckt zu haben. Bezogen auf die Frauenrechte hatte sich die Schweiz im vergangenen Jahrhundert bereits einen Ruf als Spätzünder erarbeitet. Das Frauenstimmrecht wurde erst 1971 eingeführt – Jahrzehnte nach allen anderen europäischen Ländern.