Die Retter der Menschheit

Von Andreas Hippin, London Börsen-Zeitung, 28.7.2017 Verfolgt man die zuweilen hitzige Debatte über den Schadstoffausstoß von Dieselfahrzeugen in Großbritannien, bekommt man schnell den Eindruck, dass ganz schnell gehandelt werden muss, um Tausende...

Die Retter der Menschheit

Von Andreas Hippin, LondonVerfolgt man die zuweilen hitzige Debatte über den Schadstoffausstoß von Dieselfahrzeugen in Großbritannien, bekommt man schnell den Eindruck, dass ganz schnell gehandelt werden muss, um Tausende von Menschenleben zu retten. Dabei wurden die Fahrer der Dreckschleudern zuvor steuerlich gefördert – eine unerwünschte Nebenwirkung des CO2-Wahns. Denn angeblich stoßen Dieselfahrzeuge weniger Treibhausgas aus als solche mit herkömmlichen Verbrennungsmotoren. Der Labour-Politiker Gordon Brown hatte deshalb 2001 als Schatzkanzler mit Blick auf die britischen Klimaziele die Steuer für Diesel gesenkt. Zudem führte er Kfz-Steuererleichterungen für Fahrzeuge mit niedrigem CO2-Ausstoß – sprich Diesel – ein.Wenn sich nun Michael Gove als Umweltminister für ein Verkaufsverbot für Verbrennungsmotoren ab 2040 ausspricht, wie zuvor bereits ein weiterer selbst ernannter Retter der Menschheit, der französische Präsident Emmanuel Macron, sollte man sich fragen, wie wohl die nicht bedachten Konsequenzen dieser Entscheidung aussehen könnten. Zunächst wird man sich vermutlich noch ziemlich günstig einen Diesel-Vorstadtpanzer aus deutscher Produktion sichern können. Der Grundgedanke: Bis 2040 ist die Karre sowieso verschrottet, wenn nicht, dürfte man sie aber wahrscheinlich noch viele Jahre darüber hinaus fahren.Unterdessen werden immer mehr Menschen freiwillig auf die vermeintlich sauberen Elektroautos umsteigen, die mit zunehmender Nachfrage immer billiger hergestellt werden können. Der Markt wird die Umstellung beschleunigen. Wer den Strukturwandel in der Branche bislang verschlafen hat, wird Probleme haben, noch auf den fahrenden Zug aufzuspringen, denn es geht nicht darum, wann das Verbot greift, sondern wie lange man seine Dreckschleudern noch unter die Leute bringen kann. Und wer noch ein Fahrzeug mit Verbrennungsmotor fährt, könnte schon in ein paar Jahren Probleme haben, an einem Ort wie Freiburg im Breisgau oder am Prenzlauer Berg in Berlin noch eine Tankstelle zu finden. Denn sobald preisgünstige Modelle mit Elektroantrieb verfügbar sind, dürfte alles ganz schnell gehen – auch der Aufbau der zum Aufladen der Fahrzeuge erforderlichen Infrastruktur. Vielleicht sind die neuen Fahrzeuge ja auch energieeffizienter als die derzeit verfügbaren. Denn nur weil der Ruß nicht aus dem eigenen Auspuff geblasen wird, ist ein Elektroauto nicht unbedingt sauberer als ein Benziner. Wenn der Strom aus einem alten Braunkohlekraftwerk stammt, könnte die Umweltbilanz schlechter ausfallen als beim Diesel. Denn Strom kommt zwar aus der Steckdose. Zu seiner Produktion bedarf es aber nach wie vor fossiler Brennstoffe, auch wenn die erneuerbaren Energien auf dem Vormarsch sind.Um den zusätzlichen Energiebedarf von 30 GW pro Jahr zu decken, der durch die Elektrifizierung des Straßenverkehrs entstehen würde, müsste Großbritannien entweder 10 000 neue Windkraftanlagen oder zehn neue Atomkraftwerke vom gleichen Typ wie in Hinkley Point in Betrieb nehmen. Die Fertigstellung so eines Kernkraftwerks kann sich um viele Jahre verzögern. Der französische Atomstromkonzern EDF, der Hinkley Point baut, ist dafür bekannt. Macron sollte schon einmal neue Atommeiler ordern, um den künftigen Energiebedarf in Frankreich noch decken zu können. Ob sich die Menschheit auf diese Weise retten lässt?Der bislang größte Börsengang der Weltgeschichte dürfte unter den jüngsten Entwicklungen leiden. Die Aktien von Saudi Aramco will bei den Zukunftsaussichten wohl keiner mehr. ——–Großbritannien braucht zehn neue Atommeiler, um genug Strom für Elektroautos zu haben.——-