Großanlagenbau

„Die Sanktionen sind nicht so eindeutig, wie man denkt“

Russland ist ein sehr wichtiger Markt für den deutschen Großanlagenbau. Entsprechend stark wirken sich die Sanktionen infolge des Angriffs auf die Ukraine aus.

„Die Sanktionen sind nicht so eindeutig, wie man denkt“

hek Frankfurt

Die deutschen Großanlagenbauer gehen infolge des Kriegs in der Ukraine mit unsicheren Aussichten in den weiteren Jahresverlauf. Denn Russland ist der wichtigste Auslandsmarkt. 2021 bestellten russische Kunden Anlagen für 6,3 Mrd. Euro. Das entspricht 30% der Gesamtaufträge. „Nach den ge­gen­seitigen Wirtschaftssanktionen steht die Abwicklung dieser Projekte unter erheblichen Vorbehalten“, sagt Jürgen Nowicki, Sprecher der Arbeitsgemeinschaft Großanlagenbau des Maschinenbauverbands VDMA und CEO von Linde Engineering. Mit 95% stammt fast das gesamte Russland-Volumen aus Großaufträgen über 25 Mill. Euro.

Im Januar 2022 habe die Branche noch konstante oder sogar steigende Umsätze und Auftragseingänge im neuen Jahr erwartet, doch diese Einschätzung könne sich infolge der durch den Angriff Russlands auf die Ukraine ausgelösten Wirtschaftssanktionen als zu optimistisch erweisen, sagt Nowicki. Die Strafmaßnahmen stellen die Branche vor erhebliche Herausforderungen: „Die Sanktionen sind nicht so eindeutig, wie man denkt.“ Für die Unternehmen sei es „gar nicht so einfach“ festzustellen, ob ihre Lieferungen da­runterfallen oder nicht. Das zu klären brauche Zeit. Der Fokus der breit angelegten Sanktionen liege auf bestimmten Industrien wie Raffinerien und Ölproduktion. Das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle und das Bundeswirtschafts­ministerium leisteten Unterstützung, um die Unklarheiten zu beseitigen.

Drei Viertel der Großanlagenbauer berichten laut der Arbeitsgemeinschaft momentan von Unterbrechungen bei Projekten in Russland und der Ukraine sowie von Lieferausfällen aus der Region oder aus Drittstaaten. Das dämpfe nicht nur die Erwartungen an das Russlandgeschäft, sondern auch den Gesamtauftragseingang bis Ende 2023. Laut einer Befragung stellt sich jedes zweite Unternehmen auf Belastungen durch den Ukraine-Krieg ein. Hoffnung machten verstärkte Anfragen für nachhaltige Technologien und für Projekte, welche die Energiesicherheit Europas stärken wie verflüssigtes Erdgas, Wasserstoff sowie Wind- und Solarkraft.

Im Jahr 2021 erlebte die Branche einen steilen Anstieg der Bestellungen. Mit plus 78% auf 21,2 Mrd. Euro bügelte sie den 2020er Einbruch in­folge der Corona-Pandemie mehr als aus. Die Aufträge aus dem Ausland verdoppelten sich auf 18 Mrd. Euro. Die Zunahme um 108% sei die höchste jemals gemessene innerhalb eines Jahres. Sie geht zum Teil auf 2020 geplante Projekte zurück, die aufgrund der Pandemie ins Folgejahr verschoben wurden. Demgegenüber stagnierte das Inlandsgeschäft bei 3,2 Mrd. Euro. Die Exportquote er­reicht 84,6%. Fernwartungen und -inbetriebnahmen, virtuelle Audits und die Nutzung von Drohnen auf Baustellen seien jetzt die Regel.