START-UP-SZENE DEUTSCHLAND

Die Sharing Economy macht mobil

Start-ups vermitteln Autos, Fahrdienste und Unterkünfte von privat - Mobilität steht im Zentrum einer neuen Ökonomie des Teilens

Die Sharing Economy macht mobil

Von Stefan Paravicini, FrankfurtDas Internet macht den Weg frei für eine Ökonomie des Teilens, heißt es. Nach Fotos, Musik und anderen digitalen Inhalten werden mit Hilfe von Online-Portalen jetzt auch Autos, Fahrräder, Werkzeuge oder Wohnungen geteilt. Angebote rund um die Mobilität stehen im Zentrum. Deutsche Start-ups bauen an der “Sharing Economy” mit und stoßen bei Risikokapitalgebern ebenso wie die US-Konkurrenz auf steigendes Interesse, bei Arbeitsrechtlern und Branchenvertretern dagegen auf Vorbehalte.”Das Internet schafft eine Kultur des Teilens”, proklamierte der Bundesverband Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien (Bitkom) im Frühjahr 2013, zum Auftakt der Branchenmesse Cebit. Seither hat die Sharing Economy in Deutschland gleich mehrere Runden vom Lokalteil über das Feuilleton zurück auf die Wirtschaftsseiten gedreht. Denn die meist jungen Unternehmen in der schönen neuen Welt des Teilens machen mit ihren Internet-Apps nicht bei der Vermittlung von Autos, Fahrrädern, Unterkünften oder Werkzeugen halt, die dem Besitzer neue Verdienstmöglichkeiten und Pluspunkte in der Ökobilanz verschaffen.Die Sharing Economy vermittelt via Internet auch Fahrdienste zum Beispiel über Wundercar aus Hamburg, Putzkräfte über Helpling oder Clean Agents aus Berlin und Minijobs wie zum Beispiel über die Nürnberger Streetspotr. Das schaffe eine Unkultur, in der vor allem prekäre Arbeitsverhältnisse geteilt werden, befürchten Arbeitsrechtler und Vertreter jener Branchen, die den Konkurrenzdruck der Start-ups spüren. Risikokapitalgeber teilen einen anderen Eindruck: Sie sehen in der “Shareconomy” neue Wachstumschancen und trauen auch jungen Unternehmen aus Deutschland Großes zu. Uberfahrt im WundercarDas Thema Mobilität steht im Zentrum der Sharing Economy, was sich auch an der Bewertung von Uber, einem Vermittler von privaten Fahrdiensten aus Kalifornien, ablesen lässt. Das US-Unternehmen wird von Investoren derzeit mit mehr als 18 Mrd. Dollar bewertet. Über die Schwelle von 10 Mrd. Dollar hat es in der Shareconomy bislang nur noch die amerikanische Airbnb geschafft, die ebenso wie die Berliner Roomsurfer oder Wimdu aus dem Portfolio von Rocket Internet private Unterkünfte vermittelt und damit der Hotellerie Sorgen bereitet. Auto und Ferien vornDie beiden Kategorien Auto und Ferienunterkunft stehen bei den Teilnehmern an der Shareconomy ganz vorn. Mehr als die Hälfte der Verbraucher ist bereit, ihren Wagen mit anderen zu teilen. Gut ein Drittel kann sich vorstellen, auch die eigene Wohnung in die Shareconomy einzubringen, wie eine Umfrage des US-Carsharing-Dienstes Zipcar – einer Tochter von Avis – im vergangenen Jahr ergeben hat. Tatsächlich genutzt werden entsprechende Dienste nach einer Umfrage des Bitkom in Deutschland noch von deutlich weniger Internetnutzern. Seiten zum Filesharing und andere Tauschbörsen werden viel häufiger frequentiert.Uber vermittelt ohnehin mehr als ein Auto, nämlich auch gleich den Chauffeur dazu. Das sorgt nicht nur in der deutschen Taxibranche für Unmut, weil die Internet-App auch Fahrer vermittelt, die die Anforderungen des Personenbeförderungsgesetzes nicht erfüllen. Ein Gericht in Frankfurt hatte Uber deshalb bereits verboten, eine einstweilige Verfügung aber wieder aufgehoben. “Der Fortschritt lässt sich nicht ausbremsen”, heißt es bei dem 2009 gegründeten Konzern, bei dem unter anderen Google Ventures und Goldman Sachs engagiert sind.Die Hamburger Wundercar, die ein ähnliches Modell wie Uber verfolgt, glaubt ebenfalls an den Fortschritt. Zwar steht das Unternehmen genauso wie das US-Vorbild vor juristischen Herausforderungen. Das hat das Start-up aber nicht daran gehindert, im Frühjahr die nächste Finanzierungsrunde unter Dach und Fach zu bringen. Bereits vor einem Jahr hatte Wundercar bei Partech Ventures, Michael Brehm, dem ehemaligen Geschäftsführer von Studi-VZ, und weiteren Investoren einen siebenstelligen Betrag eingesammelt. Geteiltes Leid ist halbes LeidDoch nicht nur die Taxibranche wehrt sich gegen den neuen Wettbewerb in der Shareconomy. Auch die Anbieter von Carsharing-Plattformen, die Privatautos weitervermitteln, stehen deshalb in der Kritik. Teilen ist okay, solange es nicht um Marktanteile geht. Branchenvertreter der Autovermieter wie Sixt oder Europcar warnen jedenfalls vor technischen Mängeln bei den privat geteilten Fahrzeugen, die eine “Gefahr für Leib und Leben” darstellten.Die Nachfrage scheint das kaum zu bremsen. Neben Anbietern wie der 2010 gegründeten Tamyca aus Aachen, die mit Kizoo Technology Capital auf einen heimischen Investor zählt, der 2011 gestarteten Autonetzer aus Stuttgart und Nachbarschaftsauto aus Berlin, die sich gerade zusammengeschlossen haben, versuchen sich mittlerweile auch Start-ups aus dem Ausland mit Carsharing in Deutschland. Die französische Drivy, die erst im Frühjahr gut 8 Mill. Dollar für ihre Expansion bei Index Ventures und Alven Capital einsammelte, hat ihre Ankunft in Deutschland schon länger angekündigt. Rentecarlo aus Dänemark hat ähnliche Pläne geäußert, war zuletzt aber noch auf der Suche nach Investoren, unter anderem auf der Crowdinvesting-Plattform Fundedbyme, ganz wie es sich für ein Unternehmen der Shareconomy gehört. Mit eigener Flotte punktenCarsharing-Unternehmen mit eigener Flotte wie Citeecar aus Berlin können ebenfalls bei Investoren punkten, auch wenn sie streng genommen keinen Beitrag zur Sharing Economy leisten. Geteilt werden ja nicht private Ressourcen, die vom Eigentümer und seinem Bedarf kaum ausgelastet werden, sondern Autos, die für das Geschäft mit dem Teilen erst angeschafft wurden.Im Frühjahr meldete Citeecar eine Anschlussfinanzierung in Höhe von 8 Mill. Euro, die von Mangrove Capital Partners und der Investmentfirma Bscope eingeschossen wurden. Zu den Konkurrenten gehört das Angebot von Flinkster, hinter der die Deutsche Bahn steht. Die führenden deutschen Automobilkonzerne sind ebenfalls mit eigenen Angeboten am Start, so etwa Volkswagen mit Quicar, BMW mit Drivenow und Daimler mit Car2go bzw. Moovel, die gerade die App Mytaxi übernommen hat. Sie alle versuchen am Trend zum Auto auf Nachfrage zu partizipieren, der sich mit den Angeboten der Shareconomy nach Einschätzung von Analysten weiter verstärken wird. Sogar die gute alte Mitfahrzentrale feiert eine Renaissance im Internet und bei den Investoren. Die französische Blablacar jedenfalls sammelte im Sommer für ihren Carpooling-Dienst 100 Mill. Dollar bei Risikokapitalgebern wie Index Ventures und Accel Partners ein. Teilen heißt öfter kaufenDie Aussichten der Automobilhersteller sind in der Shareconomy übrigens nicht so düster wie erwartet: Je mehr Autos geteilt werden, desto weniger werden zwar gekauft. Die Frequenz, mit der die Wagen ersetzt werden, wird aber steigen, glauben die Analysten der Schweizer UBS. Sie gehen davon aus, dass sich 2020 in den USA, Europa und China mehr als 30 Millionen Autofahrer eine halbe Million Wagen teilen werden.Ein Dienst wie die im Frühjahr 2013 gegründete Carjump aus Berlin kommt da wie gerufen. Das Start-up ist mit einer App für iOS und Android-Geräte am Markt, die die Verfügbarkeit von Carsharing-Angeboten aggregiert. Die Nutzer können das nächstgelegene Fahrzeug anbieterübergreifend finden und direkt über Carjump buchen. Im Frühjahr gab es für die Idee eine Finanzierung durch den High-Tech Gründerfonds, die in die Entwicklung von neuen Produkten zur Vernetzung von Mobilitätsangeboten fließen soll. “Wir erwarten, dass sich das Unternehmen als Knotenpunkt für innovative Mobilitätslösungen etablieren wird”, begründete der Gründerfonds seine Investitionsentscheidung.