Die Tücken der Commercial Papers
In der Krise gilt: Cash is King. Da das jedoch auf beide Seiten – Investoren wie Emittenten – zutrifft, trocknete der Markt für Commercial Paper im März praktisch aus. Dank Kaufprogrammen der Notenbanken hat sich die Lage inzwischen entspannt, längere Laufzeiten sind aber weiterhin nur schwer unterzubringen. Von Annette Becker, DüsseldorfEnde Mai ließ eine Nachricht der Bank of England (BoE) aufhorchen: Mit 1 Mrd. Pfund hatte die deutsche BASF die Maximalsumme aus dem Covid-19-Notprogramm der britischen Notenbank abgegriffen. Die Covid Corporate Financing Facility (CCFF) war am 17. März aufgelegt worden, um Konzerne während der Krise mit Liquidität zu versorgen. Die Maßnahme erlaubt der Notenbank den Kauf von Commercial Papers (CPs) mit einer Laufzeit von bis zu einem Jahr, sofern die Firmen, welche die Liquiditätshilfe in Anspruch nehmen, einen wesentlichen Beitrag zur britischen Wirtschaft leisten.Bis Ende Mai hatten insgesamt 53 Firmen auf die Hilfen zurückgegriffen, darunter auch andere namhafte, nicht britische Adressen wie Baker Hughes, Bayer, Chanel oder Nissan, die jeweils 600 Mill. Euro Pfund erhielten. Insgesamt stellte die BoE bis Ende Mai auf diesem Weg 16,2 Mrd. Pfund zur Verfügung.Man mag sich auf den ersten Blick verwundert die Augen reiben, dass die britische Notenbank mit den Geldern viele ausländische Adressen päppelt, doch eigentlich ging und geht es nur darum, den CP-Markt wieder ans Laufen zu bringen. “Der CP-Markt ist sozusagen das Frühwarnsystem der Kapitalmärkte”, erläutert Ingo Nolden, Head of Capital Markets von HSBC.Im Zuge des Lockdowns sind die CP-Märkte rund um den Globus mehr oder minder über Nacht eingefroren. Das ist insoweit nicht verwunderlich, als die Investoren – allen voran Geldmarktfonds – zu jenen mit der größten Risikoaversion gehören. Für sie stehen Sicherheit und Liquidität im Vordergrund und weniger Renditeaspekte. Sobald sich Verspannungen abzeichnen, fließen dort zuerst die Gelder ab. Zugleich ist die Liquiditätssicherung in der Krise oberstes Gebot in den Finanzabteilungen der Unternehmen. BASF beispielsweise, die in normalen Zeiten mit einem Cash-Bestand von 2 Mrd. Euro unterwegs ist, sicherte sich bis Ende März den Zugriff auf 4,2 Mrd. Euro.Die Kluft zwischen Angebot und Nachfrage am CP-Markt im Blick hat die Europäische Zentralbank (EZB) unter ihrem milliardenschweren Kaufprogramm Pandemic Emergency Purchase Programme (PEPP) daher auch erstmals den Erwerb von Commercial Papers vorgesehen und bis Ende Mai in Summe für gut 35 Mrd. Euro Geldmarktpapiere gekauft. Das entspricht in etwa 15 % des gesamten ausstehenden CP-Volumens in Euro. Unternehmensanleihen kaufte die EZB im gleichen Zeitraum dagegen nur im Volumen von 10,6 Mrd. Euro. Hohe HürdenAllerdings stellte sie (zu) hohe Hürden für die Inanspruchnahme auf. “Neben dem obligatorischen Kurzfrist-Rating im Investment Grade verlangte die Europäische Zentralbank auch ein Listing der CPs oder ein STEP-Zertifikat – eine Art Qualitätsmerkmal für die EZB”, erklärt Nolden. Dumm nur, dass zahlreiche CP-Emittenten ihre Emissionsprogramme nicht regelmäßig aktualisieren und den Anforderungen damit nicht gerecht wurden. Kritik am Vorgehen der EZB will Nolden unter Verweis auf die Einzigartigkeit der Krise jedoch nicht gelten lassen. “Dafür gibt es kein Drehbuch. Die Fed, die Bank of England und die EZB haben alle erfolgreich agiert, auch wenn das Vorkrisenniveau noch nicht wieder erreicht ist.”Dem Vernehmen nach konnte die EZB hierzulande zu Beginn des Kaufprogramms nur Papiere von VW und KfW erwerben. Uniper beispielsweise, für die das 1,8 Mrd. Euro schwere CP-Programm die Hauptrefinanzierungsquelle darstellt, musste zunächst einmal die Voraussetzungen schaffen. “Seit Ende Mai kann die Zentralbank unsere Papiere grundsätzlich kaufen. Das hilft der Liquidität und dem Volumen”, erläutert Finanzchef Sascha Bibert.Für das Treasury eines Konzerns ist es der GAU, wenn der Zugang zum Kapitalmarkt und damit zur Liquidität versperrt ist. Dann hilft im Zweifel nur noch der Rückgriff auf syndizierte Kreditlinien, mit denen CP-Programme häufig abgesichert sind – vornehmlich unter Ratingaspekten. Metro beispielsweise machte davon frühzeitig Gebrauch. Wie aus dem Zwischenbericht zum 31. März hervorgeht, war das 2 Mrd. Euro schwere CP-Programm des Handelskonzerns Ende März nur mit 339 Mill. Euro in Anspruch genommen. Ein Jahr davor waren es noch 1,15 Mrd. Euro. Umgekehrt wurden bilaterale Kreditlinien im Umfang von 1,47 (i. V. 633) Mrd. Euro gezogen, ausdrücklich um fällige Commercial Papers zu refinanzieren.”Inzwischen hat sich der Markt wieder beruhigt, aber wir sind noch nicht zurück in normalem Fahrwasser”, sagt Nolden. Die Assetmanager kehren an den Markt zurück, lassen jedoch Vorsicht walten. Mit schwachem Kurzfrist-Rating (A-2/P-2 oder schwächer) lassen sich derzeit nur Papiere mit einer Laufzeit von bis zu einem Monat unterbringen, Emittenten mit gutem Rating (A-1+ oder A-1/P-1) können sich immerhin Geld für bis zu drei Monate leihen. Entsprechend engagieren sich die Notenbanken auch eher in längeren Laufzeiten, was am Markt für Geldmarktpapiere sechs Monate und länger bedeutet (siehe Grafik). Schönwetterinstrument Für CP-Emittenten wie Ceconomy sind das keine guten Nachrichten, hat Moody’s die Bonität des Elektronikhändlers doch kürzlich auf Ramsch-Niveau gestellt mit entsprechender Rückwirkung auf das Kurzfrist-Rating (not prime). Per Ende März hatte Ceconomy das 500 Mill. Euro schwere CP-Programm noch knapp zur Hälfte genutzt. Zugleich waren alle syndizierten und bilateralen Kreditlinien vollständig gezogen.Commercial Papers haben sich in der Krise als Schönwetterinstrument entpuppt. Denn den Vorzügen – einfach, günstig und flexibel – stehen die dargestellten Nachteile gegenüber. Wer das Finanzinstrument nutzt, sollte sich daher der Limitationen bewusst sein. Zwar haben die Unternehmen für den Fall der Fälle meist Back-up-Linien zur Absicherung, doch werden diese Kreditlinien üblicherweise nicht gezogen. Denn in den Unternehmen gelten diese Kreditlinien sozusagen als Liquiditätsquelle der letzten Instanz. Aus diesem Grund sind die Konditionen meist auch so gestaltet, dass sie in der Bereitstellung extrem günstig sind, im Fall der Nutzung aber richtig teuer. KfW-Programme als VorbildWomöglich aus diesem Grund hat sich Daimler Anfang April eine zusätzliche Kreditlinie im Volumen von 12 Mrd. Euro besorgt, on top zu der existierenden Revolving Credit Facility über 11 Mrd. Euro, die bis 2025 läuft. Die neue Linie ist zwölf Monate gültig und verfügt über zwei Verlängerungsoptionen von jeweils sechs Monaten.Doch nicht nur die Unternehmen lernen in der Krise dazu, sondern auch die Notenbanken. So hat sich die BoE – womöglich um Mitnahmeeffekten einen Riegel vorzuschieben – inzwischen die Corona-Kreditprogramme der KfW zum Vorbild genommen und macht seit Anfang Juni beim Kauf von Commercial Papers restriktivere Vorgaben: Emittenten, welche die Liquiditätshilfe in Anspruch nehmen, dürfen künftig für die Dauer der Nutzung keine Dividenden ausschütten, zugleich müssen sich Top-Führungskräfte auf Einschnitte bei den Boni gefasst machen. Seither ist die Inanspruchnahme des britischen Notprogramms CCFF deutlich zurückgegangen. Zwischen Ende Mai und 10. Juni haben lediglich zwei weitere Unternehmen die Liquiditätshilfen im Volumen von zusammen 0,1 Mrd. Pfund in Anspruch genommen.