IM INTERVIEW: WOLFGANG SCHÄFER

"Die Unsicherheit hat zugenommen"

Der Continental-Finanzchef über mögliche Folgen der US-Wahl, über das vierte Quartal und Sonderlasten

"Die Unsicherheit hat zugenommen"

– Herr Schäfer, welche Auswirkungen erwarten Sie durch den Ausgang der US-Präsidentschaftswahl für Ihre Industrie und für Continental?Kurzfristig wird es zu Wechselkursveränderungen kommen, die die Automobil- und Zulieferindustrie und damit auch uns treffen können. Unmittelbar nach Bekanntwerden des Wahlergebnisses hat beispielsweise der mexikanische Peso stark reagiert. Mexiko ist für die Autoindustrie ein wichtiges Land, um zu produzieren und Fahrzeuge in den US-Markt zu exportieren. Ebenso der japanische Yen hat reagiert.- Was bedeutet der Wechsel zur Trump-Administration für den Welthandel?Wenn internationale Handelsabkommen nicht unterschrieben werden sollten, wäre das enttäuschend, wird aber am Status quo nichts ändern. Die mittelfristigen Perspektiven wären auch betroffen, wenn bestehende Abkommen neu verhandelt werden sollten. Als Ergebnis der Neuverhandlungen würden die Güter- und Warenströme möglicherweise behindert. Güter in anderen Regionen würden sich durch Zölle verteuern. Für unsere Industrie wäre das nachteilig. Denn ein Teil der Skaleneffekte und Kostenvorteile, die wir erzielen, beruht darauf, dass wir Produkte von einer Region in die andere oder von einem Land in das andere schicken.- Wie groß ist der Anteil des US-Geschäfts von Continental an Umsatz und Ergebnis?Der Nafta-Raum, der die USA, Kanada und Mexiko umfasst, hat einen Anteil von rund 25 % an unserem Konzernumsatz. Damit liegt dieser leicht über der Quote der Automobilproduktion in der Region. Rund 30 % des Nafta-Umsatzes sind bei uns Wertschöpfung, die in Mexiko stattfindet.- Machen Sie sich Sorgen, auch mit Blick auf eine mögliche stärkere Abschottung des US-Marktes?Kurzfristig nicht. Was die mittelfristigen Folgen angeht, gilt es abzuwarten. Es ist bislang nicht klar, wie das Wirtschaftsprogramm eines US-Präsidenten Trump aussehen wird.- Sehen Sie für Continental im Augenblick mehr Positives oder Negatives infolge des anstehenden Wechsels in Washington?Es herrscht viel Unsicherheit im Moment. Ein erschwerter Welthandel wäre mittelfristig sicherlich negativ. Es würde zum Beispiel dazu führen, dass Preise für US-Konsumenten steigen würden. Allerdings hat Donald Trump auch angekündigt, die Wirtschaft durch höhere Investitionen des Staates zu stärken, etwa in die Infrastruktur. Wenn das so kommen sollte, erhielte die gesamte US-Wirtschaft und damit auch die zyklische Automobilindustrie Rückenwind. Die Aktienmärkte in den USA und auch in Deutschland haben am Tag nach der Wahl ja am Ende positiv reagiert auf das Ergebnis. Es besteht die Erwartung, dass Trump ein Konjunkturprogramm auflegen wird.- Also bleibt nach dem Wahl-Dienstag ein gemischtes Bild?Ja, aber es ist auch noch zu früh, um etwas Endgültiges zu sagen. Die Unsicherheit jedenfalls hat zugenommen.- Welche Erwartungen haben Sie für die Autoproduktion 2017 im US-Markt?Wir rechnen in diesem Jahr mit einem Wachstum der Autoproduktion in den USA von 1 %. Das vierte Quartal sollte sich stabil entwickeln. An dieser Einschätzung hat sich durch den Wahlausgang nichts geändert. Was 2017 angeht, rechnen wir zum jetzigen Zeitpunkt mit einem Produktionszuwachs in ähnlicher Größenordnung wie dieses Jahr. Wesentliche Einflussfaktoren des Autokaufs wie Benzinpreis und Zinsen können im Grunde nicht mehr besser werden. An dieser Aussage halten wir auch nach der Wahl fest. Wenn ein Konjunkturprogramm kommt, könnte sich das aber schon 2017 positiv auf die Autoproduktion auswirken. Zu einer Beeinträchtigung der Handelsströme dürfte es im kommenden Jahr noch nicht kommen.- Wie läuft das vierte Quartal für Continental?Das vierte Quartal entwickelt sich gut. Wir stellen sowohl beim Umsatz als auch beim Ergebnis eine erfreuliche Entwicklung fest. Das gilt für den Auto- wie für den Reifenbereich. Das dritte Quartal war mit seinen negativ wirkenden, einmaligen Ereignissen eine Ausnahme. Wir werden zur Normalität zurückkehren. Das vierte Quartal wird insbesondere an das zweite Quartal dieses Jahres anschließen. Wir werden uns bei Wachstum und Ergebnis auch mit dem vierten Vorjahresquartal messen lassen können.- Mit weiteren Sonderbelastungen ist nicht zu rechnen?Nein, die Themen sind durch und auch verbucht. Die Sonderbelastungen von 480 Mill. Euro in diesem Jahr sind mit 450 Mill. Euro im dritten und mit 30 Mill. Euro bereits im zweiten Quartal angefallen.- Von den 450 Mill. Euro im dritten Quartal entfielen rund 60 Mill. Euro auf höhere Ausgaben für Forschung und Entwicklung. Ist mit Blick auf den Wandel der Autoindustrie zur Elektromobilität künftig mit höheren Ausgabenniveaus zu rechnen?Es ist zu erwarten, dass in den nächsten Quartalen und Jahren höhere Entwicklungskosten auf uns zukommen. Diesen höheren Kosten stehen aber Aufträge gegenüber, die mit höheren Umsätzen verbunden sind. Die höheren Forschungsausgaben werden also nicht zu größeren Ergebnisbelastungen führen.- Wegen illegaler Preisabsprachen mit Bosch bei elektronischen Brems- und Steuersystemen droht Continental offenbar eine Geldbuße durch die EU-Kommission von rund 100 Mill. Euro. Wurde dafür bereits Vorsorge getroffen?Wir beteiligen uns grundsätzlich nicht an Spekulationen. Richtig ist, dass es ein Kartellthema gibt, für das im dritten Quartal Rückstellungen gebildet wurden.- Das Finanzergebnis hat sich zuletzt besser entwickelt als erwartet. Welche Auswirkungen auf das Gesamtergebnis 2016 sind zu erwarten?Wir haben das Ziel für die operative Marge zehn Wochen vor Jahresende angepasst. Das heißt, die weitere Entwicklung bis Ende Dezember lässt sich schon gut abschätzen. Wenn wir nach neun Monaten bei einer Marge von 10,2 % stehen und mehr als 10,5 % im Gesamtjahr erwarten, muss es ein starkes viertes Quartal geben. Erwarten Sie aber nicht, dass mehr als 10,5 % am Ende des Jahres 11 % oder mehr heißt.—-Das Interview führte Carsten Steevens.