Die Vekselberg-Firmen blühen auf
Von Daniel Zulauf, Zürich
Viktor Vekselberg, dem mächtigen Oligarchen, dessen Privatvermögen von „Forbes“ und anderen Medien auf 10 Mrd. Dollar und mehr geschätzt wird, sind seit dem Erlass der US-Sanktionen im April 2018 die Hände gebunden. Während der Russe zu seinen Firmen notgedrungen einen großen Abstand halten muss, scheinen diese gerade richtig in Schwung zu kommen. Das Muster zeichnet sich zumindest in den Schweizer Unternehmen, an denen Vekselberg beteiligt ist, mit auffallender Deutlichkeit ab.
Swiss Steel ist vor kurzem in die schwarzen Zahlen zurückgekehrt. Der Aktienkurs des leidgeprüften Stahlherstellers hat sich binnen zwei Monaten verdoppelt. Beim Industriekonzern Sulzer kommt eine strategische Neuausrichtung in Gang, die schon seit längerer Zeit fällig war. Der Börsenwert des Unternehmens ist so hoch wie seit drei Jahren nicht mehr. Auch der Anlagenbauer Oerlikon scheint aus einem langen Dornröschenschlaf zu erwachen. „Es gibt eine frische Dynamik“, kommentiert ein Finanzanalyst die Stimmung, die sich ebenfalls positiv auf die Entwicklung des Aktienkurses niederschlägt.
„Ist die Katze aus dem Haus, tanzen die Mäuse“, sagt der Volksmund. Doch so offensichtlich kausal wie im Reich der Tiere sind die Wechselwirkungen in dem Fall natürlich nicht. Das Ende der Pandemie ist absehbar. Weltweit schalten die Volkswirtschaften wieder auf Wachstum. Das treibt die Nachfrage nach Industrieerzeugnissen und die Kurse an den Aktienmärkten. Dennoch fällt auf, dass in Vekselbergs Firmenimperium plötzlich langjährige Pattsituationen beendet und neue strategische Optionen eingelöst werden.
Beispiel eins: Swiss Steel. 2013 verbündet sich Vekselberg mit den Familiennachkommen der deutschen Großaktionärin Schmolz + Bickenbach, um diesen zum Preis einer Teilung der Macht die Rekapitalisierung des Konzerns zu ermöglichen. In den darauffolgenden Jahren bleibt Swiss Steel strategisch auf der Strecke. Die Lage eskalierte noch vor dem kolossalen Markteinbruch aufgrund der Pandemie.
Die dringend notwendige Rekapitalisierung stellt im Dezember 2020 der lokale Großinvestor Martin Haefner sicher. Er steckte im Dezember 2019 über 300 Mill. sfr in die Firma, um sie vor der drohenden Insolvenz zu bewahren. Die vor der Kapitalerhöhung dominierende Aktionärin Liwet, an der Vekselberg nach eigenen Angaben einen Anteil von 45% besitzt, wehrte sich zunächst gegen den Machtverlust, machte am Ende aber dennoch den Weg frei.
Seither hat Haefner die Schmolz-+-Bickenbach-Familie ausgekauft, noch einmal Geld in die Firma gesteckt und einen Co-Investor gefunden. Vekselberg und seine Liwet wehrten sich verbissen gegen ihre Degradierung zum Juniorpartner. Doch der Aktienkurs ist inzwischen doppelt so hoch wie davor. Ein neuer CEO weckt Hoffnungen auf einen nachhaltigen Turnaround, und die klaren Mehrheitsverhältnisse schaffen Raum für strategische Kooperationen.
Beispiel zwei: Sulzer. Bei dem Industriekonzern ist Vekselberg seit 2007 Großaktionär. Nach seinem Einstieg folgten mehrere abrupte Wechsel auf oberster Führungsebene und ein strategisches Verwirrspiel, das viele Investoren verschreckte. Der aktuelle CEO Greg Poux-Guillaume hält sich schon seit fünf Jahren im Sattel. Ginge es nach dem früheren Flugfahrplan, hätte der Franzose 2018 oder 2019 seinen Koffer packen müssen.
Doch Vekselberg wird seit jener Zeit durch die US-Sanktionen kaltgestellt. Mehr noch: Der Russe musste seine frühere Mehrheitsbeteiligung auf Geheiß des US-Finanzministeriums von 63% auf unter 50% reduzieren. Und just in dieser Phase geht das Management strategische, eigentlich längst fällige Themen an: Wie soll der Konzern seine starke Ausrichtung auf den Öl- und Gassektor verringern, dessen Aussichten zunehmend schwieriger einzuschätzen sind? Das Geschäft mit Geräten für liquide Beschichtungen, in dem man sich bei Sulzer vor allem in der Gesundheitsindustrie gute Chancen ausrechnet, soll im Herbst abgespalten werden. Die Investoren kommen langsam zurück.
Ähnliches gilt auch für Oerlikon, die seit Jahren auf einem beträchtlichen Cash-Bestand sitzt, den man gerne in Zukäufe investieren wollte, aber nie zum Abschluss kam. Nun hat Oerlikon zwei Übernahmen in Folge geschafft und den Aktionären frische Zuversicht eingeflößt.
Mag sein, dass die positiven Entwicklungen in Vekselbergs Firmenimperium auch ohne die Sanktionen möglich geworden wären. Daran zu glauben, fällt jedoch schwer. Er kann seit drei Jahren keine Dividenden empfangen, keine Aktien verkaufen und keine Beteiligungen erwerben. Es ist ihm auch untersagt, in den Firmen seinen direkten Einfluss auszuüben. Deshalb muss er sich mehr auf seine Mitaktionäre verlassen, denen er in der Vergangenheit immer zu wenig Gehör geschenkt hatte. Womöglich machen die Sanktionen den Mann damit am Ende auch noch reicher, als er schon ist.
Vekselbergs börsennotierte Beteiligungen in der Schweiz | |||||
Unternehmen | Branche | Marktwert (Mill. sfr) | Kapitalanteil (%) | Jahresumsatz (Mill. sfr) | Anzahl Mitarbeiter |
Sulzer | Industrie | 3945 | 49 | 3319 | 15054 |
OC Oerlikon | Industrie | 3623 | 411 | 2258 | 10692 |
Swiss Steel | Industrie | 1360 | 261 | 22882 | 9929 |
Züblin | Immobilien | 95 | 42 | 1343 | k.A. |
1) via Liwet Holding, an der Vekselberg nach eigenen Angaben zu 45% beteiligt ist; 2) in Mill. Euro; 3) Nettoinventarwert Börsen-Zeitung |