Die Vergangenheit holt die alte Porsche-Garde ein
Von Gerhard Bläske, StuttgartDie Ereignisse liegen lange zurück. Vor fünf Jahren ist die Übernahme von Volkswagen durch den viel kleineren Sportwagenhersteller Porsche gescheitert. Porsche ist inzwischen längst Teil des Wolfsburger Konzerns. Die gerichtliche Aufarbeitung ist jedoch noch lange nicht vorbei. Sich geprellt fühlende Anleger wollen Schadenersatz vom VW-Großaktionär Porsche SE. Und die damals Verantwortlichen müssen sich demnächst strafrechtlich vor Gericht verantworten. Viele VerhandlungstageIn den nächsten Wochen wird das Landgericht Stuttgart den Termin für den Prozessbeginn gegen Ex-Porsche-Chef Wendelin Wiedeking und den früheren Finanzvorstand Holger Härter verkünden. Beobachter rechnen mit einem Start zwischen Februar und April. Zu rechnen ist mit mindestens 40 bis 50 Verhandlungstagen. Das ist vermutlich eher sogar knapp kalkuliert. Das Verfahren gegen Härter, der in einem anderen Prozess in Sachen Porsche/VW im Juni 2013 wegen Kreditbetrugs zu einer Geldstrafe von 630 000 Euro verurteilt worden war, dauerte 30 Verhandlungstage.Ursprünglich hatte das Landgericht Stuttgart die Eröffnung eines Verfahrens gegen Wiedeking und Härter abgelehnt. Dagegen hatte die Staatsanwaltschaft Beschwerde eingelegt. Das Oberlandesgericht hatte die Anklage wegen des Vorwurfs der informationsgestützten Marktmanipulation schließlich zugelassen. Es ist der Auffassung, mit den Beweismitteln der Staatsanwaltschaft sei eine zu einem Schuldspruch führende Beweisführung zumindest denkbar. Die Staatsanwaltschaft will das unter anderem durch Zeugenaussagen beweisen.Marktmanipulation wird zwar nur schwer nachweisbar sein. Doch die Staatsanwaltschaft um den allgemein als sehr hartnäckig und scharf geltenden Oberstaatsanwalt Hans Richter will beweisen, dass die Angeklagten bzw. das Unternehmen von Anfang an durch falsche Informationen bzw. dem Verschweigen von Informationen die Finanzmärkte über die Porsche-Pläne getäuscht haben. Zwischen Frühjahr und Ende Oktober 2008 war in mindestens fünf Pressemitteilungen dementiert worden, eine Übernahme von VW zu planen.Dadurch habe man den Aktienkurs dämpfen wollen, um zu einem günstigen Preis weitere Papiere erwerben zu können. Erst Ende Oktober teilte Porsche mit, 74 % der VW-Anteile zu kontrollieren, was zu einer Explosion des VW-Kurses führte. Anleger, die den Porsche-Veröffentlichungen bis dahin geglaubt und auf sinkende Kurse gesetzt hatten, verloren viel Geld. Etliche von ihnen klagen auf Schadenersatz.Nach Darstellung des Oberlandesgerichts haben sich die Porsche-Gremien schon seit dem Einstieg 2005 mit der Option eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages beschäftigt. Dafür wäre der Erwerb von mindestens 80 % des stimmberechtigten Grundkapitals von VW erforderlich gewesen. Hinweise für diese Pläne gebe es mehrere, darunter die Präsentation einer Kanzlei vom Juli 2005 oder eine Sitzung des Gesellschafterausschusses, in der eine solche Aufstockung als Handlungsempfehlung einstimmig befürwortet worden sei. “Verdeckte Beschlusslage”Der weitere Verlauf legt es nach Darstellung des Oberlandesgerichts nahe, dass der Porsche-Vorstand seit 2005 an eine Übernahme dachte und spätestens 2006 die feste Absicht dazu hatte. Auch der Aufsichtsrat, darunter der damalige VW-Chef Ferdinand Piëch und sein Cousin Wolfgang Porsche, sei frühzeitig eingeweiht gewesen und habe schon am 3. März 2008, also deutlich vor der offiziellen Ankündigung Ende Oktober, grünes Licht für die Aufstockung der Beteiligung gegeben.Nach Ansicht des Oberlandesgerichts ist diese Absicht etwa in Protokollen der Aufsichtsratssitzungen verschleiert worden. Es gebe Hinweise auf eine “verdeckte Beschlusslage” und den “hinreichenden Verdacht”, dass neben den Vorständen auch der Aufsichtsrat frühzeitig einen Beherrschungsvertrag angestrebt habe. Die Porsche SE dagegen argumentiert, man habe den Kapitalmarkt hinreichend über die Beschlusslage informiert und alles offengelegt.Dass das Oberlandesgericht den Fall an dieselbe Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts verwiesen hat, die die Anklage ursprünglich verworfen hat, muss nicht unbedingt eine präjudizierende Bedeutung haben. Die Kammer hat inzwischen einen neuen Vorsitzenden, der die Vorwürfe genauestens prüfen dürfte.Eine Anklage auch gegen den Aufsichtsrat erscheint durchaus wahrscheinlich. Oberstaatsanwalt Richter ermittelt seit dem Frühjahr 2013 gegen den kompletten Aufsichtsrat, und zwar wegen des Verdachts der Beihilfe zur Marktmanipulation. Die Beteiligten können sich dazu bis Ende Oktober äußern. Mitte bis Ende November sollte dann eine Entscheidung fallen, ob Anklage erhoben wird. Nicht undenkbar erscheint es nach Ansicht von Beobachtern, dass dabei versucht wird, einzelne Aufsichtsratsmitglieder gegeneinander auszuspielen, etwa indem eine Anklage gegen Aussagen fallengelassen wird. Staatsanwalt bald in RenteDass beide strafrechtlichen Verfahren zusammengelegt werden, erscheint derzeit als unwahrscheinlich. Ein solch großes Verfahren würde sich sehr lange hinziehen. Daran hat Richter selbst kein Interesse, weil er spätestens im Herbst 2015 in den Ruhestand geht. Außerdem wäre eine Beihilfe nur dann wahrscheinlich, wenn Härter und Wiedeking die Marktmanipulation nachzuweisen wäre.Die vielen zivilrechtlichen Kläger, die in Verfahren in Hannover, Braunschweig, Frankfurt, Stuttgart und London Schadenersatzklagen angestrengt haben, erhoffen sich von den strafrechtlichen Verfahren Details, die ihnen nützlich sein können. In einem Verfahren vor dem Landgericht Hannover, in dem sieben Investmentfonds insgesamt fast 2 Mrd. Euro fordern, hat deren Anwalt Josef Broich deshalb eine Aussetzung des Prozesses gefordert. Das ist aus Klägersicht verständlich, denn die bisher entschiedenen Prozesse gingen alle negativ für die Kläger und positiv für die Porsche SE aus. Die verschiedenen Klagen sind im Übrigen nicht identisch und beziehen sich teilweise auf unterschiedliche Sachverhalte. Insgesamt fordern die Kläger von Porsche rund 6 Mrd. Euro. Noch viele JahreEs ist davon auszugehen, dass sich die unterschiedlichen Verfahren noch über viele Jahre hinziehen werden. Etliche der Kläger, vor allem Hedgefonds, spekulieren auf eine außergerichtliche Einigung mit der Porsche SE, die heute VW-Großaktionär ist. Diese ist dazu aber nicht bereit und zeigte sich bisher stets zuversichtlich, letztlich zu obsiegen. Rückstellungen für mögliche Zahlungen hat die Holding bisher nicht gebildet, allenfalls für Prozesskosten.