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Die Vergangenheit lässt Vitesco nicht los

Vor zwei Jahren hat Continental die Antriebssparte Vitesco Technologies abgespalten. Zum Streit wegen des Dieselskandals kommt nun eine Steuerprüfung hinzu.

Die Vergangenheit lässt Vitesco nicht los

Die Vergangenheit lässt Vitesco nicht los

Dieselskandal verursacht Kosten – Neues Risiko wegen Continental – Sondereffekte bringen Nettoverlust – Marge verdoppelt

jh München

Das Nachspiel der Abspaltung des Antriebstechnikherstellers Vitesco Technologies von Continental vor zwei Jahren ist um eine Facette reicher. Eine Steuerprüfung im früheren Mutterkonzern geht der Frage nach, ob Conti das Vermögen von Vitesco für einen zu niedrigen Preis veräußert hat. Zudem verursachte der Dieselskandal in der ersten Hälfte dieses Jahres für Vitesco einen Aufwand von knapp 20 Mill. Euro und trug zum Nettoverlust von 65 Mill. Euro bei.

Die Ausgliederung von Vitesco ist ein Schwerpunkt “der zur Zeit laufenden Betriebsprüfung des Continental-Konzerns” in Deutschland, wie im Zwischenbericht von Vitesco zu lesen ist. “Im Rahmen dieser wird das Veräußerungsergebnis der Asset Deals in Frage gestellt.” Würde sich der Kaufpreis erhöhen, müsste Conti höhere Steuern zahlen und hätte dafür laut der Trennungsvereinbarung “einen Ausgleichsanspruch gegenüber Vitesco”. Finanzvorstand Werner Volz sagte in einer Telefonkonferenz mit Journalisten: “Einen möglichen Umfang können wir nicht quantifizieren.” Dafür sei es zu früh.

122 Mill. Euro negative Effekte

Im Zwischenbericht von Vitesco heißt es dazu: “Das beschriebene Risiko wird mit einer mittleren Eintrittswahrscheinlichkeit beurteilt und nach seinen möglichen negativen Auswirkungen als gering qualifiziert.” Um das Risiko für Vitesco abzuschwächen, sei der Leiter der Steuerabteilung des Unternehmens in die Betriebsprüfung von Continental eingebunden – “ferner interne und externe Berater”. Volz betonte: “Wir haben keinen Konflikt mit Conti an der Stelle.”

Continental bestätigte auf Anfrage, dass die Ausgründung der Sparte Powertrain Teil der laufenden Betriebsprüfung ist. Da diese Prüfung noch nicht abgeschlossen ist, könne sich das Unternehmen nicht zum Stand äußern.

Vitesco begründet den Nettoverlust im ersten Halbjahr hauptsächlich mit Wertminderungen im Zusammenhang mit dem Verkauf von Einheiten, die nicht zum Kerngeschäft gehören. Die gesamten negativen Sondereffekte werden im Zwischenbericht auf 122,2 Mill. Euro beziffert. Enthalten ist ein Aufwand von 19,7 Mill. Euro “im Zusammenhang mit Untersuchungen bzgl. der Emissionsthemen”, wie Vitesco mitteilt. “Dies beinhaltet keine Zahlungen an Continental.”

Rückstellung von 80 Mill. Euro

Hintergrund sind Ausgleichspflichten, die sich wegen des Dieselskandals aus dem Konzerntrennungsvertrag mit der Continental AG ergeben. Dafür hatte Vitesco im vierten Quartal 2021 eine Rückstellung von 80 Mill. Euro gebildet. Beide Unternehmen streiten darüber, wer welchen Teil zahlen muss, um für die Verwicklung in den Dieselskandal aufzukommen. Die Staatsanwaltschaft Hannover ermittelt gegen ehemalige Beschäftigte von Conti. Die Abspaltung von Vitesco war im September 2021 wirksam geworden. Seitdem ist Vitesco börsennotiert, vor zwei Wochen stieg das Unternehmen vom SDax in den MDax auf.

Höhere Kosten weitergegeben

Im zweiten Quartal dieses Jahres steigerte Vitesco die um Sondereffekte bereinigte Umsatzrendite vor Zinsen und Steuern (Ebit-Marge) auf 3,1%. Im ersten Abschnitt und im Vorjahreszeitraum waren es jeweils 1,6%. Der Vorstandsvorsitzende Andreas Wolf begründete den Sprung “im Wesentlichen mit Abschlüssen mit Kunden”. Die höheren Kosten für Personal und Material würden zum großen Teil an die Autohersteller weitergegeben. “Wir haben uns vorgenommen, in der Größenordnung von 80% zu liegen”, berichtete Wolf. “Und da sind wir auch rausgekommen.”

Die fürs gesamte Jahr angestrebte bereinigte Ebit-Marge von 2,9 bis 3,4 (i.V. 2,5)% hat das Unternehmen von April bis Juni erreicht, sie wurde wegen des schwachen Starts in der ersten Hälfte mit 2,4% aber verfehlt. Das Management bekräftigte nach der zuletzt erreichten Verbesserung dennoch die Jahresziele.

Schub für E-Mobilität

Der Umsatz soll auf 9,2 Mrd. bis 9,7 (9,07) Mrd. Euro steigen. Im zweiten Quartal nahm er um gut 12% auf 2,44 Mrd. Euro zu. Der Erlös der Produkte für Elektrofahrzeuge legte 34,5% auf 825 Mill. Euro zu, angetrieben von den Märkten in China und Deutschland. Das bereinigte Ebit dieser Division verbesserte sich auf −31 (−61) Mill. Euro. Für das kommende Jahr nimmt das Unternehmen nach wie vor die Gewinnschwelle ins Visier. Am Auftragseingang von rund 5 Mrd. Euro im zweiten Quartal hatten die Elektrifizierungsprodukte einen Anteil von 90%. Trotz des Nettoverlusts im ersten Halbjahr hält der Vorstand daran fest, für 2023 erstmals eine Dividende auszuschütten. Basis dafür sei das Konzernergebnis ohne Sondereffekte, sagte Volz.

Volz präsentierte zum letzten Mal die Quartalszahlen, da er in den Ruhestand geht. Seine Nachfolgerin ist vom 1. November an Sabine Nitzsche, die vom Segment Automotive von Infineon kommt.

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