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Diesel-Nachrüster stehen in den Startlöchern

Von Isabel Gomez, Stuttgart Börsen-Zeitung, 1.11.2018 Gut drei Jahre nachdem der Abgasbetrug von Volkswagen bekannt wurde, ist weiter offen, ob sich Politik und Branche auf eine Hardware-Nachrüstung von Dieselautos der Abgasnorm Euro 5 auf Kosten...

Diesel-Nachrüster stehen in den Startlöchern

Von Isabel Gomez, StuttgartGut drei Jahre nachdem der Abgasbetrug von Volkswagen bekannt wurde, ist weiter offen, ob sich Politik und Branche auf eine Hardware-Nachrüstung von Dieselautos der Abgasnorm Euro 5 auf Kosten der Hersteller einigen. Ende kommender Woche soll ein weiterer Diesel-Gipfel in Berlin stattfinden, nachdem die bisherigen Gespräche keine Lösung hervorbrachten.Der Einbau von Abgasreinigungssystemen soll Diesel-Fahrverbote verhindern. Insbesondere in jenen 14 Städten, die im Jahresmittel deutlich über dem EU-Grenzwert für Stickstoffoxid von 40 Mikrogramm je Kubikmeter Luft liegen. Zwingen kann Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) die Hersteller nicht. Der VW-Konzern hat Betrug zugegeben, andere Hersteller wie Daimler und Opel stehen bisher nur im Verdacht, illegale Funktionen zur Steuerung der Abgasnachbehandlung eingesetzt zu haben. BMW-Diesel weisen bessere Abgaswerte auf als die anderen Marken, bisher ordnete das KBA auch keinen Rückruf an.VW und Daimler würden 80 % der Kosten pro Fahrzeug übernehmen, wenn diese bei 3 000 Euro gedeckelt sind. BMW dagegen lehnt Nachrüstungen weiter konsequent ab und verweist – wie auch VW und Daimler bislang – auf lange Entwicklungszeiten, Unsicherheiten bei Zertifizierung und Haftung sowie den steigenden Verbrauch von Kraftstoff und der Harnstofflösung Adblue.Martin Pley hat ein Nachrüstsystem entwickelt. Sein Unternehmen Dr. Pley SCR Technology ist einer von vier Anbietern, die an einem Test des ADAC Württemberg teilnehmen. Dafür wurden vier häufig verkaufte Modelle nachgerüstet, von denen sich drei im Langstreckentest befinden. Pley erreichte bei einem Mercedes B-Klasse mit warmem Motor um bis zu 72 % weniger Emissionen, bei einem von Oberland Mangold umgerüsteten T5-Bus von VW waren es bis zu 50 %. Auch die von HJS und Twin Tec nachgerüsteten Autos bewegten sich in dem Bereich. Gleichzeitig stiegen der Kraftstoffverbrauch und damit der CO2-Ausstoß sowie die Kosten für Adblue, das häufiger nachgefüllt werden muss (siehe Grafik). “Wir sind drei Jahre lang ins Risiko gegangen und haben siebenstellige Entwicklungskosten investiert”, sagte Pley der Börsen-Zeitung. Er lässt die Argumente der Hersteller gegen Nachrüstungen nicht gelten. Gespräche sind eingeschlafenDie Nachrüster wollen Anfang 2019 die ersten Systeme anbieten können. “Wir haben für drei Volvo-Modelle Allgemeine Betriebserlaubnisse beantragt, die zur Prüfung beim KBA liegen. Zudem beschäftigen wir uns derzeit mit einem Motor von Volkswagen und einem von Daimler”, so Pley. Auch Oberland Mangold hat “vor einigen Monaten eine Allgemeine Betriebserlaubnis für ein nachgerüstetes Fahrzeug beantragt, um zu zeigen, dass wir ein System verfügbar haben”, so Hubert Mangold. Bislang ohne Rückmeldung.Der Harnstoff Adblue wird in den Systemen von Pley und Oberland Mangold außerhalb des Abgasstrangs zugeführt und zerfällt dort zu Ammoniak. Die Hersteller dosieren Adblue flüssig in das Abgas ein. Das erfordert eine ständige Systemabstimmung via Software. Denn bei der Dosierung darf eine bestimmte Menge nicht überschritten und eine Abgastemperatur von etwa 230 Grad nicht unterschritten werden. Sonst entstehen Ablagerungen. Während die Abgasreinigung der Hersteller ab etwa einstelligen Temperaturen voll funktioniert, müssen die Nachrüstsysteme das den Anforderungen des Bundesverkehrsministeriums zufolge ab -7 Grad leisten.Beide gehen nicht davon aus, dass die Hersteller Nachrüstungen aktiv anbieten werden, und wollen über die Händler gehen. Pley hielte es für sinnvoll, wenn die Hersteller neben ihren Rabatt-Angeboten auch die Nachrüstungen koordinierten. Sie erhalten Teile wie Sensoren für Stickoxide (NOx) aufgrund höherer Mengen deutlich günstiger als er oder andere Nachrüster. Das würde die Preise für die SCR-Systeme drücken. Hubert Mangold hält “bei einem soliden Abgasnachbehandlungssystem einen Abgabepreis von etwa 3 000 Euro zuzüglich Steuern für akzeptabel”. Die Bereitschaft der Konzerne zu dieser Art der Zusammenarbeit scheint indes gering zu sein. “Wir haben schon relativ früh mit ein paar Herstellern gesprochen, auch über das Thema Nachrüstung. Aber die Gespräche sind eingeschlafen”, so Pley. Seine Tür stehe offen.Während Pley bis auf NOx-Sensoren und Adblue-Ventile die Komponenten seines Systems selbst entwickelt hat, greift Oberland Mangold auf Teile zurück, die bei den Herstellern ohnehin in Serie verwendet werden. In die Motorsteuerung greift keiner der Anbieter ein. Das ist ein weiteres Argument der Hersteller mit Blick auf die Zulassungsfähigkeit nachgerüsteter Autos. “Wir haben ein eigenes Steuergerät für unser System. Die Branche sucht nach Totschlagargumenten, um ein paar Autos mehr zu verkaufen”, so Pley. Auch die Haftungsfrage sieht er geklärt: “Sobald unser Produkt kaputt geht, haften auch wir”, so Pley. Seine Firma entspreche der Forderung des BMVI nach einer 24-monatigen Gewährleistung bis maximal 240 000 Kilometer Gesamtfahrleistung des nachgerüsteten Fahrzeugs.Pley selbst könne etwa 500 Systeme inklusive Katalysatoren pro Monat fertigen, inklusive externer Kapazitäten 20 000. So sollen bis Ende 2020 bis zu 120 000 Systeme auf den Markt kommen. Für ihn ist die Konsequenz aus der Weigerungshaltung der Hersteller klar: “Wenn die Maßnahmen zur NOx-Reduzierung nicht greifen, werden Verbote für alle Verbrenner in Städten in der Diskussion stehen. China ist bei E-Autos führend, und es ist dort ausreichend Geld vorhanden, um diese Autos schnell auf den deutschen Markt zu bringen. Schneller, als die hiesigen Hersteller günstige E-Autos produzieren können”, so Pley.